KLÜGER PUBLIZIEREN für Verlagsautoren und Selfpublisher. Stephan Waldscheidt
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Ironischerweise waren es gerade die den Trends hinterherjagenden Publikumsverlage, die am unbeweglichsten darauf reagieren konnten. Doch das ändert sich. Immer mehr Verlage bringen spezielle E-Book-Reihen auf den Markt oder pushen kürzere und damit schneller zu schreibende Publikationsformen wie Kurzromane und Novellen, um eben dieses Tempo mitzumachen. Harte Konkurrenz für Selfpublisher!
Hinzu kommt: Große Verlage haben die Macht, Trends – zumindest in Grenzen – selbst anzustoßen. Wenn etwas in der Branche als »heiß« hochgeredet wird, ist es häufig heiß, weil in dem Fall viele Verlage genau nach dem Manuskript suchen, welches den heraufbeschworenen Trend oder das Thema bedient.
Wer bei einem solchen Verlag mit im Trendboot sitzt, hat gute Karten. Etwa dabei, dass sein trendiges Buch vom Verlag gepusht und mit mehr Werbegeld unterstützt wird.
Andererseits helfen dem Selfpublisher Kontakte in die Branche fast ebenso viel – und dann kann er schneller sein als der Kollege mit Verlagsvertrag.
Spannend ist es für Hybrid-Autoren, die beide Publikationsformen nutzen. Einer mag im Verlag einem Trendthema hinterherschreiben, während er als Selbstverleger auf Trends pfeift. Ein anderer macht es genau umgekehrt.
In der Praxis: Unbeeindruckt von Trends – tatsächlichen, zukünftigen, herbeigeredeten, heraufbeschworenen – kann sich auch Selbstverlegerin Selma fühlen. Sie hat da diese Idee mit diesem Märchenbuch, irgendetwas mit chinesischen Märchenfiguren, die in einer futuristischen Version von Berlin auftauchen, und da ist keiner, der ihr sagt, dass Märchen out sind, in jeder Form, oder dass man gefälligst in einem festen Genre schreiben solle, wenn man gelesen werden will. Selma konzentriert sich auf die Geschichte, die sie erzählen will. Sie zu erzählen, ist für sie eine Flucht in eine Parallelwelt. Eine Flucht, die ihr nicht mehr gelänge, wenn sie andauernd daran denken müsste, ob sie auch den richtigen Trend zur richtigen Zeit bedient oder daran, ob ihr Roman wohl einen Verlag findet. Selma schreibt einfach – und das trägt nicht unerheblich zur Qualität ihrer Texte bei.
Für die Mehrzahl der Autoren wäre dieses Vorgehen der sichere Weg in finanzielle Verluste. Doch vielen davon ist das wurscht. Sie schreiben einzig, weil es ihnen Freude macht, sie schreiben, weil sie schreiben müssen, um sich wohlzufühlen. Ihr Brotjob und ihr Familienleben fordern ihnen genug ab. Dazu soll das Schreiben einen Ausgleich schaffen.
Nein, für viele Autoren ist das Lustschreiben genauso wenig ein finanzieller Verlust wie es für andere die Jahresgebühr im Tennisverein oder das Abonnement der Flugrevue ist – für sie ist es normal, dass ein Hobby Geld kostet. Selbst für die, die Bücher veröffentlichen, die gerne Bücher verkaufen würden.
Trends? Interessieren sie nicht. Und wenn, dann zufällig: Weil jeder gerade über Drohnen schreibt, tun sie das auch – weil sie schlicht eine Menge über Drohnen gelesen haben.
Themen? Sie nehmen die Themen, die sie schon lange umtreiben, oder sie nehmen Themen, die sie aktuell beschäftigen. Die Energiewende? Warum sollte man darüber nicht noch ein weiteres Sachbuch schreiben, wenn man eine fundierte Meinung dazu hat?
Das Gegenteil eines Trends ist das Risiko. Für manche Autoren hat das Wort etwas Bedrohliches, sie denken daran, was sie alles verlieren können, wenn sie mit ihrem Projekt scheitern, weil es komplett am Markt, am Zeitgeist, am Trend vorbeigeht: Zeit, Geld, Mut, Anerkennung, Selbstvertrauen.
Vielleicht haben Sie auch Angst, sich mit Ihrem Thema in die Öffentlichkeit zu begeben, Angst vor Spott, davor, falsch verstanden zu werden, Angst, verletzt zu werden, wenn Sie sich öffnen, Angst vor Kritik, vor Ausgrenzung, vor Neid.
Wenn Sie zu den risikoscheuen Autoren gehören, sollten Sie hinter das Wort Selfpublishing ein großes Fragezeichen setzen. Gehören Sie zu den Autoren, die von den beschriebenen Ängsten beherrscht werden, gehört das Fragezeichen sogar hinter das Wort Publishing.
Bedeutet Risiko für Sie aber vor allem die Aussicht auf große Gewinne oder zumindest auf Abenteuer und das Entdecken neuer Welten, haben Sie eine Eigenschaft, die Sie zu einem Kandidaten fürs Selfpublishing macht.
Selbst wenn der Selfpublisher letztlich über dasselbe Thema schreibt wie der Verlagsautor, selbst wenn er demselben Trend hinterherschreibt, so tut er das doch häufiger aus eigenem Antrieb. Und vielleicht entstehen dadurch authentischere Bücher, Bücher mit mehr Leidenschaft – und wenn das auf ein solides Handwerk trifft, können auch im Selfpublishing Bücher erscheinen, die sowohl trendig als auch gut sind.
Da wäre noch die Sache mit der Flexibilität. So schnell wie ein Selfpublisher kann kaum ein Verlag, nicht mal ein kleiner, ein bestimmtes Thema bedienen, das gerade die Menschen bewegt. (Auch wenn sich das allmählich ändert, siehe oben.) Der Selfpublisher empfängt Schwingungen aus seiner Umgebung, aus News-Portalen im Web und Nachrichten im Fernsehen. Er leitet das durch seine eigenen Gedanken und Ideen und Erfahrungen und destilliert daraus ein Buch hochprozentiger Aktualität. Wenn er dann noch schnell und ansprechend schreibt, landet das Buch als eines der ersten mitten im Herz eines Trends.
Leider ist das nicht alles. Solange niemand weiß, dass es dieses Buch gibt, nutzt auch die Geschwindigkeit nichts, mit der es auf den Markt kommt, und alle Aktualität ist hinfällig. Vielleicht spricht sich das Buch herum, wird von Blog zu Blog gereicht und durch Facebook und Twitter bekannter gemacht. Aber bis es endlich auf ein breiteres Publikum stößt, ist womöglich doch schon der Konkurrenztitel aus dem großen Verlag auf dem Markt.
Nicht zu vergessen: Trends allzu schnell hinterherzuhecheln, verkürzt automatisch das Nachdenken über diesen Trend. Verkürzt die Beschäftigung mit dem Thema. Verkürzt die Gedankengänge und die Argumentationsketten und resultiert, bei allem Tempo, leicht in einem unausgegorenen Getränk, das niemandem schmeckt und seinem Autor nach der voreiligen Publikation sauer aufstößt.
Dennoch wird es immer wieder Fälle geben, in denen der Autor gründlich genug nachgedacht hat, um einer der Ersten im Trendboot zu sein, und zwar mit einem ausgegorenen Werk und schneller als die Trendjäger aus den Verlagen. Wenn dann der Buzz der Webcommunity laut genug ist, verbreitet sich das Buch schneller als alle anderen. Damit schafft es, was eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen großen Erfolg im Trendgeschäft ist: Sei (einer) der Erste(n)!
Linktipp: Eine neue Entwicklung aus den USA war vorherzusehen: Dort lässt Swoon Reads, ein Young-adult-Imprint von Macmillan, Leser darüber abstimmen, welches Manuskript zum Buch wird. Mehr darüber lesen Sie in diesem Artikel der New York Times mit Verweisen zu weiteren Berichten und Experimenten rund ums Thema Crowdsourcing bei Büchern:
http://j.mp/1otZn09 (Englisch).
Fazit: Themen & Trends
Der Selfpublisher kann fixer am Trend dran sein. In den Verlagen aber ist man oft näher am Markt. Und: Die Verlage werden durch eigene E-Book-Programme und Print-On-Demand schneller.
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