Deutschland 1800 - 1953. Jürgen Ruszkowski
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Ein noch größerer Feind als die Eingeborenen war die Natur. Wanderdünen machten ihnen an der Küste bei Lüderitzbucht das Leben zur Hölle. Immer, wenn eine Trasse fertig gelegt war, passierte es, dass ungünstige Winde die Wanderdünen in Bewegung setzten und die Trasse unter dem Sand begruben. Und diese mussten immer wieder von den Pionieren freigeschaufelt werden. Doch jetzt kamen die Herren Ingenieure auf eine glorreiche Idee. Es wurden Streckenposten eingerichtet. Alle 20 km wurden an der Trasse im Umkreis von Lüderitzbucht Bahnmeisterposten eingerichtet, die von einem Bahnmeister mit einem angestellten Hottentotten, also einem Angehörigen der Nama, kontrolliert wurden. Die Eisenbahn fuhr damals, man schrieb bereits das Jahr 1908, zweimal die Woche von Lüderitzbucht nach Kalkfontein fast an der Grenze des Oranjeflusses.
Und dann passierte etwas, womit in Deutsch-Südwest und im kaiserlichen Berlin mit seinem Hang zu Militärparaden niemand gerechnet hatte. Der Glückspilz der Stunde am 8. Mai 1908, also 23 Jahre nach Adolf Lüderitz’ Abflug ins Nirwana, war einer dieser Bahnmeister und Angestellten der Kolonial- und Eisenbahnbau-Gesellschaft Lenz & Co., August Stauch.
Stauch war mit seinem farbigen Streckenarbeiter Zacharias Lewala mit der Draisine auf der Strecke unterwegs, als dieser Zacharias während einer Verschnaufpause im Kiessand bei Kolmanskuppe ein paar wasserklare Klippies fand, die – nach eingehender Prüfung des kaiserlichen Regierungsgeologen Paul Range – die saubersten Diamanten waren, die er je gesehen hatte, also Diamanten, die der Oranjefluss vor Millionen Jahren ins Meer gespült hatte und die von Wind und Wellen zurück an Land getragen und nun im Wüstensand versteckt lagen.
August Stauch
Die daraufhin verbreitete Nachricht vom Hottentottenparadies löste einen Diamantenrausch unter den deutschen Glücksrittern und Spekulanten aus. Bahnmeister Stauch ergriff die Chance seines Lebens und kaufte sich das Schürfrecht über ein Gebiet von 75 qkm. „Die Diamanten in ihrer ganzen breiten Aussaat fanden in den nächsten sieben Monaten die zähen Lüderitzbuchter unter einem fast übermenschlichen Aufwand an Energie“ (Grimm). „Jeder lag im Sand und scharrte, verwegene Gestalten hinter jeder Klippe“. In Kolmanskuppe entstand eine blühende Diamantenstadt. „Es ist genug da für alle, man braucht sich doch nur danach zu bücken, am besten vormittags vor dem Einsetzen des Nebels“ (siehe: In Treue fest – Deutsch-Süd-West, Seite 148). Herr Stauch wurde der „Diamantenkönig“ genannt. Er gab die Streckenfahrerei sofort auf, gründete damals mit deutschen Geldgebern die Koloniale Bergbau-Gesellschaft und brachte es in kürzester Zeit zum ersten Millionär von Deutsch-Südwest. Ein cleverer Junge, dieser Herr Stauch.
Doch jetzt wachten auch die verschlafenen Beamten in Berlin auf! Der Reichskanzler und der Kaiser erkannten den kommenden Geldsegen und machten sofort Schluss mit der Schürfrechtvergabe. Im September 1908 wurde ein 100 km breiter Küstenstreifen zwischen dem Oranje und dem 26. Breitengrad Süd zum Sperrgebiet erklärt. Das deutsche Kapital wurde - wie immer - gierig. „So, wie die Dernburgsche Sperrverfügung dem Großkapital für die Ausbeutung der Diamantenfelder den Löwenanteil zusicherte, so schlug sie auch – Zuwiderhandlungen wurden nach § 90 der Bergwerksverordnung mit 500 Mark Strafe oder mit Haft geahndet – dem kleinen Mann damit ins Gesicht.“ 1909 kam es zur Gründung der Deutschen Diamanten–Gesellschaft. Eine typische beamtendeutsche Diamantenfund-Registrier-Gesellschaft erhielt das Monopol zur Vermarktung und diente als Sammelstelle. Während Buren und Engländer voller Habgier und Neid über die Grenze blickten, wurden Lagerstätten in Elisabethbucht, Pomona, Bogenfels und Charlottental abgebaut. Zwischen 1908 und 1913 wurden 4,7 Millionen Karat im Wert von rund 150 Millionen Reichsmark gewonnen, also etwa ein Fünftel der damaligen Weltförderung von Diamanten (vergl.: In Treue fest – Deutsch-Südwest, Seite 149). Es hätte mit den sprudelnden Einnahmen aus dem Diamantenhandel damals noch jahrelang so weitergehen können, denn der schöne Wilhelm benötigte diese Finanzspritze aus dem Wüstensand aus Deutsch-Südwest. Immerhin kostete der Aufbau seiner ultramodernen Kriegsflotte ein Vermögen. Und hätte nicht, ja, hätte nicht dieser bornierte Imperator von Gottes Gnaden sich 1914 durch den unseligen Beistandspakt mit dem k. u. k Kaiser Franz-Joseph, auch von Gottes Gnaden, in den völlig überflüssigen Krieg zwischen Österreich und Serbien hineinziehen lassen, sondern diesen bereits heraufziehenden Konflikt von vorneherein energisch abgewehrt. Aber diese Courage hatte er leider nicht! 1918 war Deutsch-Südwest futsch, die Einnahmen aus dem Diamantenhandel waren futsch und seine stolze Kriegsflotte war auch zu 80 Prozent von der Royal Navy versenkt worden. Weiterhin waren ihm auch seine engsten Militärberater abhandengekommen, die ihm den ganzen Schlamassel eingebrockt hatten, und er selbst musste abdanken, um in Holland aus lauter Frust Holz zu hacken. Es hätte nie einen Versailler Vertrag gegeben, nie die schlimmen zwanziger Notjahre und nie wären Adolf Hitler und seine Nationalsozialisten 1933 an die Macht gekommen. Leider hatten Wilhelms militärische Ratgeber Ludendorff und Hindenburg ihm den falschen Weg gewiesen bzw. sogar diktiert. Und das kostete bei Ausbruch des I. Weltkriegs den Deutsch-Südwestlern ihre Heimat. Sie wurden binnen kurzer Zeit von einer militärischen Übermacht aus der Kapkolonie überrannt und enteignet. Möglich, dass diese Diamantenfunde eine bedeutende Rolle beim Ausbruch des Krieges gegen das Kaiserdeutschland gespielt hatten. Doch das ist mein rein subjektives Gedankenspiel. Nur, nachdenklich macht es im Nachhinein allerdings, dass das seit 1918 weltweit größte Diamanten-Imperium „De Beers“ bis heute der einzig verbliebene private Nutznießer der Diamantenabbaufelder geblieben ist. Man darf sich doch darüber ein paar Gedanken machen - oder nicht? Haben wir Deutschen etwas aus der vergangenen Weltgeschichte dazugelernt? Leider bis heute nicht allzu viel.
Das waren einige Seiten Nachhilfe in Geschichtsunterricht über Südwestafrika. Hoffentlich verzeihen meine Leser mir diesen Exkurs in die Vergangenheit.
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Deutsche Musterkolonie in China
Deutsche Musterkolonie in China
Schon kurz nach der Landung des deutschen Kreuzergeschwaders und noch vor dem Abschluss des Pachtvertrages begann der Aufbau einer deutschen Verwaltung.
An der Spitze der zivilen wie militärischen Verwaltung stand ein Marineoffizier als Gouverneur. Er war Verwaltungschef und zugleich Befehlshaber der Truppen an Land. In zeitlicher Reihenfolge versahen Admiral Oskar von Truppel (1897-1898 und nochmals 1901-1911), Konteradmiral Carl Rosendahl (1898-1899), Kapitän zur See Paul Jaeschke (1899-1901) und Vizeadmiral Alfred Meyer-Waldeck (1911-1914) dieses Amt. Unterstützung sollte der Gouverneur durch einen Gouvernementsrat als Repräsentationsorgan der deutschen Einwohner und ein Chinesisches Komitee als Vertretung besser gestellter Chinesen erhalten. Während der Gouvernementsrat – letztlich vergebens – die Machtfülle des Gouverneurs beschränken wollte, wurde das zunächst erfolglose chinesische Komitee 1910 in eine landsmannschaftlich organisierte Handelskammer umgewandelt. Von da an war dieses Gremium als Scharnier zwischen Deutschen und Chinesen weitaus effektiver.
Da auch das Hinterland von Jiaozhou (Kiautschou) erschlossen werden sollte, wurden Ingenieure zu Vermessungsarbeiten für die Trasse der Shandong-Bahn ausgesandt. Der respektlose