Die Narben aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
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Читать онлайн книгу Die Narben aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen страница 13
Wir kehren dem Zelt den Rücken zu und stürzen uns wieder in die Kirmeswelt. Ich drücke Carolins Hand und sie sieht mich an. Sie wirkt genauso bedrückt und verwirrt, wie ich mich fühle. Vielleicht hätte ich sie nicht zwingen sollen zu Madame Moinette zu gehen?
Von hinten bekommt Carolin einen Schubs und ich kann sie gerade noch davor bewahren, nach vorne zu stürzen. Es ist das Trampel Susanne, die Lesbe, die sie von hinten in einem Anfall von Freude anfiel. Ich muss mich zurückhalten, um sie nicht zusammenzufalten. Aber auch Carolins andere Freundinnen sind da und freuen sich darüber, uns gefunden zu haben.
Ich freue mich gar nicht. Und noch weniger, als ich Julian und Michaela einige Meter von uns entfernt stehen sehe.
Julians Blick ist starr auf Carolin gerichtet, als wolle er sie hypnotisieren.
Michaela sieht mich an und ich frage mich, was sie bereit ist zu tun, um meine Aktion von damals zu rächen? Sie kann mich nur hassen.
Carolin schluckt verdattert, als ihr Blick auf ihren Bruder fällt.
Ich drücke beruhigend ihre Hand. Er wird nicht an sie herankommen, solange ich es verhindern kann.
Daniel und Ellen schieben sich neben sie und ich weiß, die beiden wollen sie auch beschützen.
Sabine fällt Carolin als nächstes um den Hals. Sie hat einen Typ an der Hand, der Carolin offensichtlich nicht unbekannt ist.
Ich registriere drei oder vier weitere Leute, die ich nicht kenne und nehme sie sofort in Augenschein, um ihr Gefahrenpotenzial einzustufen. Die beiden Männer registrieren meinen Blick, scheinen aber nicht weiter an uns interessiert zu sein. Das Mädchen gehört scheinbar mit zu Carolins Clique.
„Dass wir euch hier gefunden haben. Echt Hammer!“, ruft Sabine aufgedreht Carolin zu.
Es ist klar, dass alle davon ausgehen, dass wir mit ihnen mitgehen und es scheint keinen Ausweg zu geben. Ellen ist sogar richtig froh, auf die Bande gestoßen zu sein.
So ziehen wir gemeinsam weiter. Ich bleibe mit Carolin weit vorne in der Gruppe und sehe, dass Julian und Michaela am Ende bleiben. Das ist sein Glück.
Vor der Geisterbahn beschließen einige hineinzugehen. Scheinbar will Carolin einen Ausbruchversuch wagen und geht stur weiter, mich mitziehend. Aber Andrea und Sabine tauchen hinter uns auf und halten sie zurück. „Wartet, wir wollen da rein!“, ruft Sabine mit leuchtenden Augen.
Es werden Karten gekauft und Ellen kommt grinsend zu uns und wedelt mit ihren vor meiner Nase herum, um uns zum Mitfahren zu bewegen.
Ich sehe zu den Gondeln, in die immer vier Personen passen. Aber das ist mir wirklich zu albern.
Carolin schüttelt energisch den Kopf und knurrt: „Ne, ich will da nicht rein.“
Ellen versucht sie zu überreden und dann noch mal, ob sie mich erweichen kann. Aber letztendlich fahren Julian und Michaela mit ihnen mit.
Carolin schiebt sich in meinen Arm und ich halte sie umschlungen. Ihre Nähe tut gut und nimmt etwas den Schrecken, der immer noch durch meine Adern kriecht, ausgelöst von meinem Besuch bei der Hellseherin … und von Julians Anwesenheit.
Lachend und johlend tauchen die ersten in ihrer Gondel wieder aus dem Bauch der Geisterbahn auf und steigen aus.
„Mann, war das irre!“, ruft Sabine schon von weitem. Daniel und Julian kommen als nächstes. Julians Blick wandert sofort suchend zu Carolin, die sich noch dichter an mich heranschiebt.
Ich verstehe nicht, was das zwischen den beiden ist. Warum legt Julian es so darauf an wieder an Carolin heranzukommen?
Zum ersten Mal schiebt sich mir ein ungehöriger Gedanke in den Kopf. Er ist schließlich nur ihr Halbbruder …
Unverkennbar ist Daniel mit Julian ganz gut klargekommen. Ich kann nur darauf hoffen, dass Daniel herausfindet, wie Julian so tickt und was er vorhat. Ich verdränge den Gedanken, dass Julian andere Gefühle für Carolin hegt als rein geschwisterliche.
Die ganze Gruppe zieht weiter, nun von Ellen und Michaela angeführt, die Daniel und Julian mitziehen. Angesichts dieses Trends lassen Carolin und ich uns nach ganz hinten fallen.
Der Break Dance wird als nächstes angesteuert und auch mir juckt es in den Nervenbahnen. Ich liebe den Kick der schnellen Karussells und würde gerne auch einmal fahren.
„Wollen wir auch?“, frage ich Carolin mit wachsender Vorfreude.
„Tut mir leid, ich kann mit so etwas nicht fahren“, antwortet sie verlegen. „Ich habe noch nie ein Karussell überstanden, ohne dass ich hinterher kaum noch stehen konnte und mein Magen Harakiri begehen wollte.“
„Schade“, sage ich und bin doch etwas enttäuscht.
„Bitte, geh mit den anderen mit. Ich rühre mich auch nicht von der Stelle“, fleht sie mich an.
Ich sehe Julian hinterher, der zur Kasse geht und Karten kauft und schüttele energisch den Kopf.
„Bitte Erik, ich möchte, dass du mitgehst. Sonst habe ich ein schrecklich schlechtes Gewissen“, jammert sie auf.
Daniel taucht neben uns auf. „Komm Alter, ich habe Karten. Los, die anderen setzen sich schon.“ Er zeigt auf Julian, der neben Michaela Platz nimmt und mir ist klar, er kann Carolin nichts tun, wenn er mitfährt.
Carolin schiebt mich energisch in Daniels Richtung und ich greife eine seiner Karten und folge ihm.
Daniel setzt sich zu Ellen und ich setze mich allein hin. Ich sehe Carolins besorgten Blick, als es losgeht und genieße es, in einer wilden Abfolge von Schleudervorgängen hin und her geschüttelt zu werden.
Als es vorbei ist, kehre ich zu Carolin zurück, ziehe sie übermütig grinsend an mich und küsse sie.
Ihre Augen leuchten auf und sie bittet mich: „Bitte, geh überall mit, wonach dir ist. Das tut dir so gut!“
Das nächste ist der Flip Flop, an dem wir Männer nicht vorbeigehen können, ohne eine Fahrt mitzunehmen. Da Julian auch mitfährt und Ellen bei Carolin bleibt, fahre ich auch mit.
Wir werden etlichen Meter in die Höhe geschleudert, wie auf einer Riesenschaukel. Das lässt mich alles Schlechte dieses Tages vergessen.
Carolin scheint sich wirklich für mich mitzufreuen. Sie strahlt mich so glücklich an, wie ich mich in diesem Moment fühle. Und dann überrascht Julian alle, weil er noch eine Runde schmeißt. Und diesmal auch für die Mädels mit, die entsetzt aufkreischen, sich das aber unter diesen Umständen nicht zweimal sagen lassen.
Julian kommt zu mir und reicht mir eine Karte. Sein Blick fällt auf Carolin und er sagt mit fürsorglicher Stimme: „Nah, für dich ist das ja nichts. Stimmt’s? Du konntest das noch nie ab.“
Dabei funkeln seine dunkelbraunen Augen in diesem viel zu gutaussehenden Gesicht auf, und ich spüre