Die Narben aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen

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Die Narben aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen Die Narben aus der Vergangenheit

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murrt sie vorwurfsvoll.

      Ich drücke sie auf den Rücken und sehe sie an. „Ich möchte nicht, dass du dich anziehst.“

      „Was? Aber ich kann doch nicht nackt gehen!“, brummt sie entsetzt.

      „Doch, das Essen wird gebracht. Wir bleiben hier und stellen uns ein paar Kerzen auf und machen es uns urgemütlich … und essen so wie wir sind.“

      Carolins Augen leuchten auf und sie meint verwegen: „Gute Idee!“

      „Und dann …“, raune ich süffisant grinsend und streiche ihr eine Strähne aus dem Haar.

      „Und dann?“, fragt sie genauso lächelnd.

      „Und dann machen wir Musik … Blueneck. Und wir schließen die Schalosien und löschen alle Lichter …“

      „Ja?“, kommt es fast schon wie ein Stöhnen über ihre Lippen.

      „Und dann möchte ich dich so fühlen wie an unserem ersten Abend“, sage ich und spüre ein Kribbeln im Bauch.

      „Ja“, antwortet sie und ihre Augen versenken sich in meine und eine Leidenschaft flackert darin auf, die mich sofort reagieren lässt.

      Ich atme tief durch und bremse uns aus. „Aber erst Essen wir ganz romantisch. Komm, ab in die Küche und Tisch decken. Wir brauchen Weingläser und Kerzen. Ich will das volle Programm. Und weißt du weshalb?“

      Sie schüttelt den Kopf.

      „Weil ich dich liebe und ich so froh bin, dass du wieder einmal eine Hürde genommen und erneut alles überstanden hast. Du bist so unglaublich stark und ich so unglaublich stolz auf dich.“

      Meine Worte scheinen sie zu verwirren. Verlegen sieht sie an mir vorbei und schiebt sich aus dem Bett. Carolin hat immer noch nicht gelernt Komplimente von mir anzunehmen.

      Ich ziehe mir ein T-Shirt und eine Boxershort an, bevor das Essen geliefert wird. Aber als die Tür hinter dem Lieferanten ins Schloss fällt, steht Carolin schon hinter mir und zieht mir alles wieder aus. Sie wartet nicht mal ab, bis ich die Packungen mit dem Essen und den Wein irgendwo abstellen kann und ihr Blick läuft über meinen Körper, als ich mich abwende und auf die Küche zusteuere.

      In der Küche erhellen etliche Kerzen den Raum, es läuft ein Trance Musikmix von You Tube und der Tisch ist schön gedeckt. Das Essen verströmt einen betörenden Duft, als ich die Verpackungen öffne und Carolin schenkt den Wein ein, der gelb leuchtet.

      Alles ist perfekt, als sich plötzlich ein Gedanke durch meinen Kopf schiebt, der die Perfektion augenblicklich in sich zusammenfallen lässt.

      Carolin kommt zu mir und ihr Blick gleitet erneut über mein Gesicht und meinen Körper.

      Ich sehe nichts von einer Unzufriedenheit oder sogar Ekel und doch drängt sich diese alles vernichtende Frage in meinen Kopf. „Sag mal, stören dich meine Narben eigentlich gar nicht?“

      Carolin lässt ihren Blick erneut über meine Brust gleitet, diesmal aufmerksam und beurteilend. Sie tritt dicht an mich heran und ihr Zeigefinger streicht ohne Scheu über meine Narbenwölbungen. Ich fühle das wie beim ersten Mal, als sie auf der Tanzfläche im Alando meinen Narben mit dem Finger nachgeforscht hatte.

      „Ich habe deinen Körper, so wie er ist, von Anfang an geliebt. Ich glaube schon vom ersten Mal an, als du mir einen Blick auf deinen Oberkörper gestattet hast“, raunt sie ernst und ihre Augen leuchten im Kerzenlicht.

      Ich schüttele ungläubig den Kopf. „Wie kann man so etwas lieben?“, frage ich verständnislos.

      „Wie kann man so etwas nicht lieben? Er ist wunderschön und deine Narben machen dich zu etwas Besonderem und zu dem, was du bist. Und ich liebe dich, so wie du bist und möchte nichts an dir verändert wissen, außer …“ Sie stockt und sieht zum Tisch, als könne sie so das letzte Wort ungehört machen.

      Ihre Worte nehmen mich gefangen, obwohl ich sie keinesfalls nachvollziehen kann. Niemals hätte ich gedacht, dass jemand meine Narben „lieben“ könnte. Für meine Eltern waren sie so schlimm, dass sie sie nicht mal ansehen konnten. Und wenn Eltern den Makel an einem Kind nicht lieben können, wie soll das dann ein Außenstehender? Und die Narben waren mit mir mitgewachsen, als wollten sie niemals das Größenverhältnis verändern, um ihre Intensität nicht zu verlieren.

      Dennoch gibt es etwas, das sie nicht an mir mag, und das versetzt mir einen Stich in den Magen. Was ist schlimmer als diese Narben?

      „Außer?“, frage ich nach und lege meine Hände auf ihre Oberarme, weil sie einen Moment Anstalt macht, zum Tisch zu fliehen.

      Es dauert, bis sie antwortet und ich sehe ihr an, dass sie es auch lieber nicht tun möchte. Aber mein durchdringender Blick lässt ihr keine Wahl. Nun ist es angesprochen worden und muss ausgesprochen werden. Was mag sie an mir nicht?

      Leise murmelt sie, ohne mich anzusehen: „Ich möchte, dass ich für dich wichtiger bin als deine Drogen, und dass du mich mehr brauchst als sie.“

      Fassungslos starre ich Carolin an. Das übersteigt alles, was mir vielleicht noch selbst eingefallen wäre, und ich muss das erst mal verkraften. Ich lasse sie schnell los und beginne das Essen auf Teller zu verteilen.

      „Komm!“, locke ich sie, und möchte dieses Thema lieber vertagen. Darüber muss ich erst mal nachdenken, denn das war eine Antwort, die ich noch weniger verstehen kann als die, dass sie meine Narben liebt. „Und bring deinen Teller mit“, sage ich noch und lächele sie zurückhaltend an.

      Wir verschlingen das Essen, weil wir so hungrig sind und es so wahnsinnig gut schmeckt. Dazu gibt es Wein, der eher wie Meet schmeckt. Total lecker und süß. Trotz, dass Carolin hungrig war, schafft sie ihre Portion nicht und füttert mich mit ihrem Essen noch mit. Als ich die Lippen zusammenpresse, um sie etwas zu ärgern, klatscht sie es mir trotzdem an den Mund.

      Ich lache und lecke mir über die süßen Lippen. Sie zieht mich zu sich heran und leckt mir über das Kinn, über das die süße Soße läuft.

      Das ist der Auftakt zu einer Essenschlacht. Wir schmieren hemmungslos rum und ich vergesse sogar meine Narben und diesen seltsamen Umstand, dass Carolin möchte, dass sie wichtiger als die Drogen für mich ist. Wie kommt sie nur darauf, dass sie das nicht schon längst ist?

      Sogar den Reis essen wir auf, bis auf den, der auf uns und auf dem Tisch verteilt ist. Nichts bleibt übrig. Nicht mal ein Tropfen Wein, bis auf den, der auf Carolins Stuhl und auf dem Fußboden gelandet ist, als ich versuchte, ihn aus ihrem Bauchnabel zu trinken. Alles klebt. Carolin, ich, die Stühle, der Tisch und der Fußboden.

      Lachend ziehe ich sie vom Stuhl mit der Aufforderung, im Badezimmer schon mal unter die Dusche zu springen. Dabei drücke ich ihr zwei Kerzen in die Hand und raune verschwörerisch: „Wir haben keinen Strom, verstanden? Das ist alles an Licht, was du mitbekommst.“

      Sie lacht verwegen und geht mit den flackernden Kerzen Richtung Badezimmer. Ich wische schnell das Gröbste vom Fußboden und mache alle Kerzen aus, außer zweien, die ich mit ins Wohnzimmer nehme. Eine stelle ich bei Carolins Laptop auf und eine auf dem Tisch. Blueneck ist auch schnell gefunden und ich lasse alle Schalosien in der Wohnung herunter.

      Endlich kann ich ihr folgen und finde sie mit geschlossenen Augen unter dem heißen Wasserstrahl

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