Die Narben aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
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Читать онлайн книгу Die Narben aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen страница 7
In einer kurzen Pause vor der letzten Lesung rufe ich Carolin an. Ihr geht es gut und Ellen bringt sie zum Cafe. Die ruft zur Bestätigung ein: „Hallo! Nerv nicht rum!“ ins Handy.
Ich erinnere Carolin daran, dass ich sie am Abend abhole und sie auf alle Fälle auf mich warten soll. Dass Julian ihr am Freitag so auf die Pelle rückte, beunruhigt mich. Ich kann einfach nicht einschätzen, wie weit er gehen wird, um erneut an Carolin heranzukommen.
Als ich abends das Cafe betrete, räumt Carolin gerade das letzte Geschirr in die Spülmaschine. Ich setze mich auf meinen Platz und sie kommt wenig später mit einem Cappuccino mit einem Schaumherz, dass sie mir stolz präsentiert, zu mir.
Ich ziehe sie an mich und küsse sie. Ich weiß, sie mag das nicht. Aber es ist niemand im Cafe, den das aufregen könnte.
Zehn Minuten später verlassen wir den Laden und gehen zu dem türkischen Imbiss, um einen Döner zu essen.
Carolin ist blass und ich frage mehrmals, ob etwas vorgefallen ist und ob es ihr gut geht, bekomme aber keine vernünftige Antwort. Darum beschließe ich Ellen auszuhorchen.
Zu der ziehe ich Carolin, als wir nach Hause kommen. Statt in unsere Wohnung zu gehen, machen wir einen Abstecher zu Daniel. Wir finden Ellen auf dem Sofa und sie sieht sich mal wieder irgend so einen Schwachsinn im Fernsehen an.
Ich lasse mich neben sie auf das Sofa fallen und ziehe Carolin auf meinen Schoß. Daniel reicht jedem ein Bier und setzt sich in den Sessel.
„Und, alles in der Schule glattgelaufen?“, frage ich Ellen ohne Umschweife.
Sofort brummt sie aufgebracht: „Ey, voll der Hammer! Michaela hat die Seiten gewechselt. Die ist jetzt scheinbar mit Julian zusammen.“
„Scheiße!“, raune ich. Mir kommt sofort in den Sinn, dass sie schon hier bei Daniel auf dem Hof war. Weiß sie, dass Carolin hier wohnt?
„Diese blöde Schlampe“, brumme ich aufgebracht. „Die wird ihm alles stecken, was er wissen will. Sie weiß immerhin, wo Daniel wohnt. Zumindest wohntest du damals noch nicht hier“, wende ich mich nachdenklich an Carolin. „Hoffentlich kann Julian nicht eins und eins zusammenzählen.“
„Leider ist er viel klüger als ich“, antwortet Carolin nur.
Wir trinken unser Bier und versuchen uns mit belanglosen Sachen von dem leidigen Thema abzubringen. Aber mir kommt immer wieder in den Sinn, was Michaela alles von uns weiß. Sie war sogar in der Villa. Und sie ist mehr als wütend auf mich, weil ich sie so abservierte, nachdem ich sie in meinem Bett hatte. Hoffentlich ist das jetzt keine Retourkutsche?
Als ich später mit Carolin in unsere Wohnung gehe, ziehe ich sie im Wohnzimmer an mich und raune aufgebracht: „Das war echt ein blöder Fehler … an diesem Abend.“
„Was?“, fragt sie und weiß nicht, was ich überhaupt meine.
„Mich mit Michaela einzulassen. Das war so unnötig und blöd!“, knurre ich wütend über mich selbst. Ich war so lange so ein nichtsnutziges, hirnloses Individuum, dass ich es jetzt gar nicht fassen kann.
„Das lässt sich nicht mehr ändern“, flüstert Carolin resigniert. „Ich habe an dem Abend auch Scheiß gemacht, den ich besser gelassen hätte.“
„Ich frage besser nicht, von was du sprichst. Da Tim mit im Spiel war, kann es aber auf keinem Fall etwas Gutes gewesen sein“, brumme ich.
Sie antwortet nicht und vergräbt sich tiefer in meinen Armen.
Ich muss wieder daran denken, dass Julian sich nun immer in Carolins Nähe schleichen kann. „Wenn Julian mit Michaela zusammen ist, wird er bestimmt öfters an deiner Schule aufkreuzen“, sage ich nach einiger Zeit.
„Das ist egal. Solange er mich in Ruhe lässt“, murmelt Carolin leise und beendet damit das Thema.
Donnerstagabend sitzen wir alle vier in unserer Küche und Carolin telefoniert mit ihrem Vater. Er will scheinbar, dass Carolin zu Besuch nach Hause kommt.
Ich schüttele darüber nur den Kopf. Carolin wird auf keinen Fall nach Hause fahren. Oder wenn, dann nur mit mir zusammen.
Sie steht auf und wechselt ins Wohnzimmer, als Ellen sich lautstark aufregt: „Julian kreuzt jeden Tag an der Schule auf und holt Michaela ab. Dabei sieht er Carolin wie ein getretener Hund an. Und Michaela heult Carolin jeden Tag voll, dass sie ihm verzeihen muss, weil er doch sooo traurig ist.“
Ich kann es nicht fassen. Carolin hatte das mit keinem Wort erwähnt. Offenbar muss ich Julian mal den Kopf zurechtrücken und wenn es sein muss, Michaela gleich mit.
„Wir müssen wohl ein ernstes Wort mit Julian reden“, knurre ich, an Daniel gerichtet.
Im selben Moment erscheint Carolin wieder in der Tür und Daniel nickt nur bestätigend. Carolin scheint das nicht mitzubekommen und ich bin froh darüber. Sie soll davon besser nichts wissen.
Als wir an diesem Abend im Bett liegen und sie meine Narben streichelt, fragt sie leise: „Erik, habt ihr etwas wegen Julian vor?“
„Warum?“, stelle ich eine Gegenfrage und kann es nicht fassen, dass sie das ahnt.
„Bitte lasst es! Ich möchte, dass ihr euch ganz von ihm fernhaltet.“
Diese Bitte kann und will ich ihr nicht erfüllen. Aber ich kenne sie. Sie wird mir dafür ein Versprechen abknöpfen wollen.
Ich schiebe mich schnell auf die Seite und drücke sie auf den Rücken, um sie zu küssen. Sie versucht mich zur Seite zu schieben, um eine Antwort zu erhalten und ich fixiere ihre Arme über ihrem Kopf, dränge mich zwischen ihre Beine und küsse sie erneut. Ich bin sofort bereit und presse meine Hüfte an ihre und bedränge sie mit meinem fordernden Freund.
Nicht lange und sie gibt ihre Abwehrhaltung auf und erwidert meine stürmische Zuneigung. Das Thema ist erst mal beendet. Doch zu meinem Leidwesen alles andere auch bald. Carolin hat ihre Tage und ich lasse von ihr ab und nehme sie in meine Arme, mich nur noch auf Streicheleinheiten begrenzend, um sie das Thema auch nicht wieder aufnehmen zu lassen. Müde und abgekämpft lässt sie sich bald in den Schlaf fallen.
Ich kann nicht so schnell einschlafen. In meinem Kopf spielen sich hundert Möglichkeiten ab, was ich mit Julian anstellen möchte, um ihm klarzumachen, dass er sich von seiner Schwester fernzuhalten hat. Wenn ich tun könnte, was ich tun möchte, dann hätte er nichts mehr zu lachen.
Am nächsten Tag sind es allerdings nicht Daniel und ich, die Julian auflauern, sondern Julian, der uns auflauert. Wir stehen in der Pause in der Raucherecke, als Daniel mich anstößt und ich mich umdrehe.
Hinter mir taucht Julian auf. Seine dunkelbraunen Augen sehen mich wütend an und er zischt, als ich mich zu ihm umwende: „Erik, auch wenn du dich für den Größten hältst, leg dich bloß nicht mit mir an. Wenn du Carolin nicht mit mir reden lässt oder sie irgendwie manipulierst, damit sie mich ignoriert, dann mache ich dir das Leben zur Hölle!“
Ich muss gestehen, dass ich erst etwas perplex bin. Aber dann knurre ich: „Was willst du Spinner überhaupt? Glaubst du wirklich, ich lasse dich auch nur auf zwei Meter in ihre Nähe kommen?“
Julians