INDOCHINA. Der lange Weg nach Dien Bien Phu. Thomas GAST
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25. Dezember, 1949. Weihnachten ist der Legion heilig. An diesem Abend wird gefeiert. Die Männer, angefangen vom Obersten bis zum einfachen Legionär, besinnen sich. Ein kurzer Gedanke an die Vergangenheit ... et puis a la Gloire. Buvons. Auf unseren Ruhm. Trinken wir. Das Gestern ist fern. Es hat kein Gesicht, liegt im Schatten der auf Hochtouren laufenden Maschinen. Man trinkt. Auf den Heiligen Michel, den Schutzpatron der Paras der Legion. Und man kreiert, baute eine Krippe. Eine Weihnachtskrippe aus Pappmaschee, Winterlandschaften in Miniatur mitten im Dschungel. In einer Ecke der von Kerzen erhellten Bar steht ein Weihnachtsbaum.
Die Legionäre hatten ihn streng nach dem Motto Systeme-D (Trick 17) organisiert und mit Girlanden aus Silberpapier behangen. Ein Schweizer caporal-chef spielt auf der Mundharmonika Stille Nacht, Heilige Nacht. Man singt Argonnerwald um Mitternacht, man singt Piaf, frohe Weihnachten, Kamerad. Giovanni erzählt davon, wie ein sizilianischer Zuhälter seine Tochter zuerst entführt, zum Drogenkonsum und dann zur Prostitution gezwungen hatte. Seine kleine Giorgia. Seine Prinzessin, seine Wahrheit, seine Moral und seine Zukunft. Sie hatte sich das Leben genommen. Weil sie nicht mehr konnte, keinen Ausweg mehr fand. Weil sie es nicht gewagt hatte, ihrem Papa, den sie über alles liebte, all die schmutzigen Sachen zu erzählen, die geschehen waren. Giovanni, bis dahin ein höherer akkurater Bankangestellter in Firenze, erfuhr davon aus der Zeitung. Noch am selben Morgen fuhr er zur Bank. Er war ziemlich still. Er hatte keine Tränen, spürte nur eine immense Leere. Montags Blick hing an Giovannis Lippen, aber er drängte ihn nicht. Was Giovanni vor der Legion alles getrieben hatte, ging ihm nichts an, wie überhaupt niemand Fragen über die Vergangenheit eines Legionärs stellte. Das war ein ungeschriebenes Gesetz.
»Lass gut sein, Kumpel.« Er legte Giovanni den Arm auf die Schulter. »Trink lieber noch einen.«
Giovanni schob resolut den Arm von sich. Er wollte reden.
»Es waren Leute von der Mafia, die mein Kind getötet haben«, sagte er mit blecherner Stimme. Es war das erste Mal, dass er überhaupt mit jemandem darüber sprach. Erst als minutenlang kein Wort fiel, merkte Montag, dass Giovanni lautlos weinte. Seine Augen waren stumpf, glanzlos, leer.
»Aber ich hatte auch so meine Beziehungen. Am nächsten Nachmittag wusste ich alles. Wie der Mann, der meine Tochter auf dem Gewissen hatte, aussah, wie er hieß und wo er sich üblicherweise aufhält.«
Giovanni sah Montags ungläubigen Blick, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und sprach weiter. »Sie trafen sich jeden Abend immer um dieselbe Uhrzeit in einem kleinen Straßen-Café am Ende der Via Laura. Das Café liegt wie eine Insel in der Mitte der Straße, weil da eine Abzweigung ist. Als ich wusste, dass alle da waren, stieg ich in den Tanklaster den ich tags zuvor gemopst hatte und raste damit die Via Laura runter, immer schneller, immer schneller. Ich sprang erst aus dem Führerhaus, als ich die vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen des Mannes sah, der Giorgia auf dem Gewissen hatte. Meine kleine Giorgia. Tja… alle gingen davon aus, dass ich auch mit ums Leben kam, verbrannt wie Giorgias Mörder im Benzin-Flammeninferno. Und nun sitz ich neben dir und mir geht es blendend.«
Montag nickte, legte noch mal seinen Arm um Giovanni, der diese Geste nun ohne Widerstand zuließ.
»Mensch, und du sagst das Wort Mafia kommt von...?«
»Mazzini Autorizza Furti Incenti Avvelenamenti«, erwiderte Giovanni. »Mazzini befiehlt Raub, Brandstiftung und Giftmorde. Und alles nur, weil irgendein alter geiler Bock ein blutjunges Mädchen im Bett haben wollte. Es ist zum kotzen, manchmal, das Leben.«
Sie schwiegen eine Weile. Montag war gerade mal 21 Jahre alt und hatte nie wirklich eine Freundin gehabt. Nur Emilie, einen Jugendschwarm. Eine flüchtige Berührung, ein scheuer Kuss, eine Liebeserklärung ohne Morgen. Alles, was er von der fleischlichen Liebe kannte, beschränkte sich auf einen Bordellbesuch in Saarbrücken an seinem neunzehnten Geburtstag. Die Kumpels vom Fußballverein hatten zusammengelegt und den schüchternen Karlheinz in die Hände einer professionellen Gespielin gegeben. Na ja, hier war das anders. Bei der Legion lernt man schnell, wo der Hase im Pfeffer liegt und wie man am besten eine Herzensdame findet.
»Lass uns darauf trinken, aber ich sag dir eins, Giovanni. Hier sind wir gut aufgehoben. Die Legion ist wie eine neue Familie. Kein Blick zurück, Prost. Noch ne Runde.«
Der Barmann der Kompanie schüttelte den Kopf. »Kein Alkohol ab zwölf. Befehl vom Hauptmann.«
Für Hauptmann Caillaud war Weihnachten ein wichtiges Datum. Noch wichtiger aber erschien ihm, was sich im Lande gerade zusammenbraute. Seine Kompanie sollte ab dem 26. Dezember die schnelle Eingreiftruppe sein, bereit, sofort ins Gefecht geschickt zu werden. Er hatte da so eine Vorahnung und er würde einen Teufel tun, seine Intuition zu ignorieren, die ihm sagte, dass es nun Zeit sei, seine Männer daran zu erinnern, warum sie zu einer Elitetruppe gehörten.
Tod im Reisfeld - Hieu-Tu
Am frühen Nachmittag des nächsten Tages sollte sich seine Vorahnung bestätigen. Per Nachricht setzte ihn das Hauptquartier davon in Kenntnis, dass ein Einsatz seiner Kompanie mehr als imminent sei. Nur eine Stunde später warteten die Paras der ersten Kompanie mit angelegten Schirmen auf ihren Einsatzbefehl, während Caillaud sich mit vor Vorfreude erhitztem Gesicht bei commandant (Major) Decorse, dem Stabschef für Operationen meldete.
»Ich nehme an, Caillaud, dass ich Ihnen nicht sagen muss, wie leid es mir tut eine Einheit der Legion gerade an Weihnachten zu stören. Aber ich denke, diese Sache, wenn auch extrem gefährlich, ist ganz nach ihrem Geschmack.«
Die beiden Männer reichten sich die Hand. Dunkle Wolken auf der Stirn, beugte sich Decorse über die Generalstabskarte. Er tippte mit dem Finger auf eine Stelle etwa 130 Kilometer südwestlich von Saigon.
»Das ist Tra-Vinh. Dort haben wir einen Außenposten, von dem wir seit Tagen keine Nachricht mehr empfangen. Wir wissen ganz einfach nicht, ob es dort noch eine Maus gibt, die am Leben ist.«
Caillaud gefiel die direkte Art des commandant. Schon nach den ersten Worten ahnte er, was in Tra-Vinh schieflief, doch das behielt er noch für sich. Decorse sprach mit schneidender Stimme fast beschwörend weiter auf Caillaud ein. »Was wir aber mit Sicherheit wissen ist, dass westlich von Tra-Vinh mindesten drei Bataillone des Vietminh einen Ort namens Hieu-Tu gerade in diesem Moment angreifen. Hieu-Tu ist sozusagen die letzte Bastion vor Tra-Vinh. Wenn Giaps Truppen den Posten einnehmen, fällt auch Tra-Vinh. Der ganze Süden läge dann als Einmarschgebiet für den Feind offen, wie eine Hure für den Freier. Sie verstehen, was ich meine?«
»Ich denke schon, mon commandant.«
Mehr sagte Caillaud nicht. Er dachte nach. Decorse hatte drei Bataillone erwähnt. Seine Kompanie hingegen war nur knapp 130 Mann stark. Der Auftrag stank, war aber genau nach seinem Geschmack.
»Hieu-Tu ist zu dieser Stunde nur über den Luftweg, siehe per Einsatzsprung erreichbar. Raten Sie mal, welche Kompanie die einzige ist, die ich sofort in das Gefecht werfen kann?«
Caillaud grinste. »Doch nicht etwa meine?«
»Gut