INDOCHINA. Der lange Weg nach Dien Bien Phu. Thomas GAST
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Die Geburt des Drachen von Annam
La Légion marche vers le front. En chantant nous suivons. Héritiers de ses traditions. Nous sommes avec elle. - Die Legion marschiert zur Front. Ein Lied auf den Lippen folgen wir ihr. Wir, die Erben ihrer Tradition, halten die Reihen dicht geschlossen. (Auszug aus dem Lied der Fremdenlegion: ´La Légion marche. ` Ursprung: Wir zogen übers weite Meer, deutsche Luftwaffe, Legion Condor, Januar 1937.)
Mers-el Kébir. Am 13. Januar 1949 kletterten Montag und Bailey mit ihrer zukünftigen Einheit, dem 2. BEP, an Bord der Maréchal Joffre. Die Gesamtstärke des Bataillons belief sich auf 27 Offiziere, 90 Unteroffiziere und 625 Legionäre. Begleitet vom Geschmetter der Tambouren, von den Pauken und Trompeten der Musikkapelle der Fremdenlegion, legte die Maréchal Joffre pünktlich ab. Noch lange danach standen die Legionäre dicht gedrängt auf dem Vorderdeck. Jeder wollte seinen Gruß loswerden und zum letzten Mal ein Stück Heimat sehen. Das Schiff, das mit sechzehn Knoten Richtung Südosten in See stach, wirkte wie ein Vorbote auf den Krieg, der weit hinterm Horizont auf die hauptsächlich jungen Legionäre wartete. Es sollte die Männer des 2. BEP in ein Abenteuer führen, von dem sie nachher nicht sagen konnten, ob es ihre Seele in einen tiefen Abgrund gestürzt oder ihnen geholfen hatte, Mensch zu werden.
Adieu altes Europa, der Teufel soll dich holen.
Die Überfahrt dauerte 27 Tage. Kaum einer hatte eine Idee, was bei ihrer Ankunft geschehen würde und so war die Neugier eine Triebfeder für die Kameradschaft und für den Optimismus den die Legionäre an den Tag legten. Man lernte sich kennen, spielte Karten, Schafkopf und ´la belote`. Karlheinz Montag, der bereits einige Brocken französisch sprach, versuchte sich in Englisch und Bailey übte Worte wie la binouse et le pinard, aller en taule, creuser un trou et aller se faire foutre: Bier, Wein, Knast, ein Loch buddeln und zum Teufel gehen. Schöne Sache, very nice. Im ständigen Brummen der kräftigen Motoren der Maréchal Joffre wuchs der Zusammenhalt jede Minute. Zwischenfälle gab es nicht, nur die Ungewissheit war omnipräsent.
Adieu vieille Europe
Que le diable t'emporte. Adieu altes Europa. Der Teufel soll dich holen. Adieu altes Land.
Hatten die Legionäre davon geträumt, im wilden zerklüfteten Norden des Landes eingesetzt zu werden, wo außer dem Feind auch legendäre einheimische Schönheiten von seltener Grazie und sanfter Anmut lockten, so wurden sie herb enttäuscht. Kaum legte die Maréchal Joffre im Hafen von Cap Saint-Jaques an, wurden sie auch schon darüber informiert, dass zunächst der Süden des Landes - Kambodscha und Cochinchina, auf sie warteten. Dennoch, die erste Begegnung mit dem Extrême-Orient war wie ein Schock der Kulturen. War in Europa alles grau, zerbombt und monoton, drehten sich die Gedanken dort in der alten Heimat nur darum, aus Häufen von Schutt und Asche und aus verbrannter Erde Neues entstehen zu lassen, so offenbarte sich den Legionären hier eine ganz andere Welt. Sie erfuhren eine Leichtigkeit des Seins, berauschten ihre Sinne an exotischen Parfüms, an bunten Farben und an der Vielfalt der Geräusche. Nie hatten sie Märkte gesehen, die so proppenvoll mit frischem Obst und Gemüse waren. Orangefarbene Papaya, rote Mango Früchte, wohlduftende reife Ananas und kleine sattgelbe Bananen. Garküchen mit fremden Gerichten waren an jeder Straßenecke zu sehen. Es gab Schlangenschnaps, Reissuppe, geräucherte Fischschwänze, Ingwer, Zitronengras und Klebreisbällchen. Die Männer lachten, waren freundlich, die Frauen grazil und zerbrechlich schön, die Temperaturen angenehm. Alles war rund, alles war aufregend. Cochinchina war aber auch Land des Vietminh. Bereits zehn Tage nachdem das Bataillon dieses Land betreten hatte, kam es zum ersten Feuergefecht mit den Rebellen. Die Legionäre Milos, Podharski und Deutch-Gustav wurden verletzt. Und es gab eine Zeremonie in der Stadt Phnom-Penh. Sie fand unter den Augen des Königs von Kambodscha statt. Besser konnte das Abenteuer Indochina gar nicht beginnen.
Plaine des Joncs
Die Ebene der Binsen
Diese Angelegenheit kann in drei Monaten geregelt werden oder in dreißig Jahren. Wenn ihr uns zum Krieg zwingt und ihr tötet zehn meiner Männer und ich töte einen von euch ... zu diesem Preis bleibe ich immer noch der Gewinner. Ho Chi Minh, September 1946.
Cochinchina, Kambodscha. 07. Juni, 1949. Es gab mehr als ein Dutzend Anzeichen dafür, dass das auf einem aufgeschütteten Hügel gelegene Dorf bewohnt war. Aus jeder der mit Stroh bedeckten Canhas (Bauernhütten), stieg Qualm empor. Schweine räkelten sich in den Schlammkuhlen, ein Hund kläffte und eine Obstplantage wartete nur darauf, dass man sich um sie kümmerte. Es war ein idyllischer Ort, in dem es nach Reis, Kaffee, Bohnen und gegarten Süßkartoffeln roch.
Und nach dem Tod.
»Eine Falle. Die verdammten Schweine planen einen Hinterhalt.«
Sergent Bouger rief sich den Auftrag in Erinnerung, den er aus dem Mund von Leutnant Caillaud persönlich erhalten hatte. Er war einfach, eine Interpretation kaum denkbar: Aufklären, aufstöbern, vernichten! Karlheinz Montag suchte vergeblich nach Anzeichen der Vietminh, doch alles war erstarrt. Alles war ruhig. Der sergent, der hinter Montag kniete und der angestrengt durch das Fernglas starrte, nickte.
»Die Einwohner verkrümeln sich, wenn Vietminh in der Nähe sind. Entweder das oder man zwingt sie, sich normal zu verhalten, als ob nichts wäre. Doch man sieht es ihnen an. Die Augen. Es sind die, gehetzter Tiere.«
Sergent Bouger wusste, von was er sprach. Er war ein alter Hase, dies hier bereits sein zweiter Aufenthalt in Indochina. Einen wie ihn konnte man nicht so einfach hinters Licht führen. Mit leiser Stimme gab er seine Befehle an die Gruppe. Er hatte beschlossen, zwei Scharfschützen und das MG unter der Obhut Montags zu lassen. Sie sollten den Angriff decken. Er legte Montag seine Hand auf die Schulter.
»Siehst du die Blende aus Bambus? Links von der ersten Hütte?«
Montag sah hinüber und bekam eine Gänsehaut. Er wusste sofort, was der sergent meinte. Es handelte sich um eine Art Pferch, hinter dem die Nhà Quês, die Bauern, normalerweise ihre Vorräte aufbewahrten. Auf Bodenhöhe und etwa in der Mitte konnte Montag einen Schatten, eine dunkle Stelle ausmachen, in der man, wenn auch nur mit Mühe, die Mündung eines Maschinengewehres erkennen konnte. Hätte Montag einen Blick durch das Fernglas getan, so hätte er bemerkt, dass die Stelle vor der vermeintlichen Mündung des feindlichen Maschinengewehrs feucht schimmerte.
Jemand hatte den Boden unmittelbar um die Mündung herum mit Wasser besprengt. Bei der Schussabgabe würde so der aufwirbelnde Staub die Position nicht verraten und dem Schützen wurde dadurch nicht die Sicht genommen.
Da waren erfahrene Guerilla am Werk!
Unmittelbar neben der Blende erhob sich die Fassade mehrerer abgelegener Hütten aus Bambus. Genau dort, so vermutete der sergent, hatte sich der Rest der feindlichen Guerilla, von deren Präsenz es außer dem vermeintlichen MG keinerlei Anzeichen gab, verschanzt.
»Gesehen«, sagte Montag und nickte.
»Gut. Wenn ich es