Fröhlich durch den Weltuntergang. Julianne Becker

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Fröhlich durch den Weltuntergang - Julianne Becker

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genau, was abläuft, und seine Bots finden, was sie suchen sollen: Wenn der Kleine eine profitable Umsatzgröße erreicht hat, wirft der Riese begehrliche Blicke auf dieses Marktsegment. Er könnte diese Waren schließlich ja auch selber anbieten. Plötzlich werden Gelder wochenlang nicht ausgezahlt, die Präsenz auf der Plattform fällt mehrere Tage aus oder es wird ein anderer fadenscheiniger Grund für die Abschaltung des Mitbewerbers genannt. Das erfinde ich nicht, das habe ich aus einem Bericht auf den öffentlich-rechtlichen Anstalten, wo diese Gewerbetreibenden selbst zu Wort kamen und Amazon nicht zu Wort kommen wollte.

      Eine Entwicklung zu immer mehr Bürokratie war auch in der Schule erkennbar. Statt Zeit für die Belange der Kinder und eben nicht nur für die Stoffvermittlung wurde immer mehr Zeit von der bürokratischen Verwaltung verschlungen. Die Arbeit mit einem Kind zu dokumentieren verschlang mehr Zeit als die Förderstunden selbst. Der Moloch Bürokratie erhält sich selbst und wächst immer weiter. Bürokratie ist nicht gut, kannst du das spüren? Sie trennt die Menschen und macht sie zu Texten und Zahlen und damit unlebendig, unglücklich und manipulierbar. Ein derart fremdbestimmter und niedergeschlagener Mensch ist prädestiniert für Ablenkung und Ersatzbefriedigung durch Konsumgüterkauf. Ich weiß, wovon ich rede. Wenn es mir nicht gut geht, sollte ich kein Werbeblättchen über die Schwelle lassen, sonst wird mein Verhalten unsinnig und teuer. Die ganze Werbung zielt auf unmündige und fremdbestimmte Menschen. Die ganze Bürokratie übrigens auch.

      Dass wir mitten im Weltuntergang sind, kannst du auch an den zahlreichen Flüchtlingen erkennen. Denn natürlich will jeder da weg, wo es ihm nicht gut geht. Und dorthin, wo es ihm besser geht. Ein Land, in dem Milch und Honig fließt, wird immer ein Objekt der Begierde sein und örtliche Katastrophen haben ganze Völkerwanderungen in Gang gesetzt. Uns allen ist aus der Bibel bekannt, dass auch die Israeliten, deren Stammväter noch als Schafzüchter und Nomaden unterwegs waren, aus Ägypten flüchteten und Gott ihnen genau ein solches Land versprach: Ein Land, in dem Milch und Honig fließt. In diesem Land lebten schon die Kanaaniter, und dann kamen diese Flüchtlinge aus Ägypten dazu.

      Die Historiker behaupten, dass die Integration der ägyptischen Flüchtlinge friedlich verlaufen sei. Die Kultur der Kanaaniter ist einfach irgendwann verschwunden. Die Bevölkerungen haben sich über Jahrhunderte vermischt und dabei wurden die jüdischen Nomaden sesshaft. Es überlebte allerdings nur die israelitische Kultur und Religion. Man sah das vermutlich als einen Beweis für die Überlegenheit ihres Gottes an. Alle Anstrengungen der Kanaaniter, die Neuankömmlinge in ihre Kultur zu integrieren oder ihre eigene Kultur parallel zu erhalten, waren offenbar auf lange Sicht nicht erfolgreich. Die ägyptischen Flüchtlinge hatten durch ihren Glauben einfach mehr Rückendeckung und Zusammenhalt und der setzte sich am Ende durch oder verdrängte die Kanaaniter aus ihrem Land und sie wanderten aus. Immerhin lief das Ganze friedlich ab, bis auf die Einnahme von Jericho, nur die ist historisch verbrieft. Eine friedliche Landübernahme ist ja auch nicht selbstverständlich.

      Das war damals eine göttlich befohlene Siedlungspolitik. Und ihre Nachkommen, die sich im letzten Jahrhundert wieder am gleichen Ort ansiedelten, betrieben die auch eine göttlich befohlene Siedlungspolitik, indem sie immer weiter in das palästinensische Land hineinrutschten? Wo liegt eigentlich Syrien, war das nicht früher das Land Judäa? Ich werde mich jedoch hüten, den kleinen Bruder zu kritisieren, als Deutsche darf ich das nicht. Wegen der Erbschuld. Die gleiche Religion operiert auch mit dem Begriff der Erbsünde. Die Christen haben das nur übernommen, auch der Islam. Da bin ich als Frau natürlich auch betroffen. Zumindest wenn ich mir diese Schuhe der Erbsünde der Frau anziehe.

      Doch wüsste ich überhaupt davon, wie schlecht ich angeblich bin, hätte ich diese ganzen Geschichten nicht gelesen? Tragen diese Begriffe selbst nicht schon den Keim der nächsten Tragödie in sich? Auch sie spalten eine Gesellschaft, nur diesmal eben in Männlein und Weiblein. Manche Leute sehen bei einer derart gewaltigen Anhäufung von Altlasten durchaus einen Vorteil in einem Weltuntergang, egal wie verursacht, aber am besten natürlich doch noch irgendwie kontrolliert: Man wäre mit einem Schlag alle belastenden Geschichten los, alle Traditionen, alle Vorurteile, alle Erbsünden. Der Weltuntergang als Reset unserer Zivilisation.

      Ein geschichtliches Reset auf das ursprüngliche Betriebssystem könnte zu einem Neustart ohne all diese alten Dateien führen. Macht-Eliten haben sicher längst solche Szenarien durchgespielt und stehen bereit, in das entstehende Vakuum hinein sofort neue Strukturen und Begrifflichkeiten einzuführen, eine New World Order zum Beispiel. Auch wenn du nicht an diese Eliten glaubst: Der Weltuntergang würde ganz schön aufräumen! Oder es blieben nur so wenige Menschen übrig, dass alles zerfällt und wir wieder bei Null und als Jäger und Sammler anfangen. So wie nach der letzten Sintflut. Alle Überlebenden wären dann einfach nur noch Menschen und damit beschäftigt, einander beim Überleben zu helfen. Und eine neue Zivilisation könnte bewusst, vorsichtig, langsam und in kleinen dezentralen Gruppen aufgebaut werden. Wäre das nicht auch ein Himmel auf Erden?

      Flüchtlinge

      Das Thema Flüchtlinge ist mittlerweile wieder fast ganz von unserem Radar verschwunden, doch immer noch sterben Menschen im Mittelmeer. Sie kommen weiter und zum Teil auf abenteuerlichen Wegen zu uns. Wir waren ja schon fast froh, dass da am Bosporus wieder eine Diktatur aufkeimte, und der Flüchtlingsstrom gestoppt werden konnte, bevor er uns erreichte. All diese Kriege, Wirren und Dürrekatastrophen in Nahost und Afrika sind eigentlich eine Bankrotterklärung der Entwicklungshilfe, der UN und der internationalen Politik. Was hat der Westen frohlockt über den arabischen Frühling, doch geht es den Menschen nun wirklich besser? Wenn ein Land nach dem anderen rund ums Mittelmeer destabilisiert wird, was ist da anderes zu erwarten als ein riesiger Flüchtlingsstrom? Die wollten schon immer kommen, doch im letzten Jahrhundert war der Weg dicht. Die arabischen Länder am Mittelmeer haben die afrikanischen Flüchtlinge damals nicht durchgelassen.

      Viele Flüchtlinge wollen ausdrücklich nach Deutschland. Ganze Gesellschaften in Not schicken ihre jungen Männer vor, um die Großfamilie nachzuholen. Doch vor allem auch, damit sie selbst nicht für den Krieg rekrutiert werden können. Oder aus dem gleichen Grund, der meine entfernten Vorfahren bewogen hat, nach Amerika auszuwandern: Wirtschaftliche Not und zu viele Kinder. Die Bauernhöfe konnte nur einer erben, die anderen gingen leer aus und hatten auch keine andere Lebensgrundlage. Oder das bewirtschaftete Land wurde immer kleiner. Berufe wurden vorwiegend in der eigenen Familie vererbt, von außerhalb konnte man nur schwer hinein. Oft blieb nur die Arbeit als industrielles Proletariat in den Städten - oder die Auswanderung.

      Die afrikanischen Länder wurden immer wieder durch Katastrophen und Kriege erschüttert, die Sahara dehnt sich weiter aus. Hinzu kommt auch bei ihnen, dass die Familien zu groß sind, um vom Land leben zu können. Und die Menschen in den Städten bekommen traditionell ebenfalls viele Kinder, ohne ihnen ein Leben anders als in prekären Verhältnissen bieten zu können. Auch die suchen ihre Zukunft woanders.

      Es ist ziemlich absurd, dass wir eine Bürokratie damit beauftragen, herauszufinden, ob ein Asylsuchender aus wirtschaftlichen Gründen oder als politisch Verfolgter eintrifft. Wer will das schon sagen? Und wozu diese Unterscheidung? Wir können nicht jedem auf der Erde helfen, die Menge ist schier zu groß! Andere Kulturen sollten es selbst lernen, ihre Probleme zu lösen, sich in ihrem eigenen Land gut zu versorgen und frei und in Wohlstand zu leben. Und wir wollten ihnen dabei vor Ort helfen, auf die Beine zu kommen. Das war ursprünglich mal der Auftrag der Entwicklungshilfe, bevor sie von Krediten und wirtschaftlichen Interessen kontaminiert wurde.

      Wer zu uns passt und mit uns nach unseren Grundrechten leben will und sich dabei selbst versorgt, der ist mir selbst allemal willkommen. Ich habe als Beamtin den Eid auf dieses Grundgesetz gerne geleistet. Dabei ist mir persönlich gleichgültig, ob er Zuhause politisch verfolgt wurde oder hier nur ein besseres Leben sucht. Dass er Verfolgung erfahren hat, könnte ja auch bedeuten, dass er sich auch in meinem Land mehr mit Kampf oder Untertauchen beschäftigen wird, mit der Unterstützung von befreundeten Widerstandskämpfern aus der Ferne und mit den Ansprüchen, die er bei unseren Behörden durchfechten muss, weil er

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