Vermisst in Nastätten. Ute Dombrowski
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Читать онлайн книгу Vermisst in Nastätten - Ute Dombrowski страница 7
„Ach Süße, er ist ja nicht immer so, nur, wenn er auf der Arbeit Stress hat.“
„Mama! Er hat mich geschlagen!“
„Das hat er nicht so gemeint, ich bin mir sicher.“
Sabine wollte Michelle keine Angst machen, also hatte sie nichts von den sehr konkreten Drohungen gesagt, auch nichts von dem, was bereits passiert war.
Michelle sprang auf.
„Wie blind bist du eigentlich?“
„Ich … er …“
„Der Typ hat mir gedroht, wenn ich jemandem davon erzähle, dass er dir noch mehr wehtut.“
„Ich …“, begann Sabine, aber sie konnte nicht weiterreden, denn Tränen der Verzweiflung traten in ihre Augen. „Ich weiß nicht, was ich tun soll. Wenn ich nicht mache, was er sagt, tut er dir etwas an.“
Sie strich Michelle sanft über die Hand und ging aus dem Zimmer. Wir müssen zusammenhalten, dachte sie. Robert hatte Michelle mit dem Handrücken mitten ins Gesicht geschlagen, als Sabine ihr erlaubt hatte, bei einer Freundin zu übernachten. Einfach so war seine Hand auf ihre Tochter losgeflogen und Michelles Lippe war sofort aufgeplatzt.
„Du bleibst zuhause!“, hatte er angeordnet.
Michelle hatte nicht gewusst, wie ihr geschah und war schreiend in ihr Zimmer gerannt, wo sie sich eingeschlossen hatte. Er war hinterhergekommen und hatte so heftig gegen die Tür geschlagen, dass sie vorsichtshalber öffnete. Danach hatte er den Schlüssel abgezogen und in seine Hosentasche gesteckt. Sein Blick war eisig und Michelle hatte Angst um ihre Mutter bekommen.
„Worauf habe ich mich da nur eingelassen?“, flüsterte Sabine, als sie in der Küche saß. „Was mache ich nur?“
Sie wollte stark sein für Michelle, aber es klappte nicht. Gleichzeitig schämte sie sich abgrundtief. Sie hatte gesehen, wie er ihr Kind geschlagen hatte, und war nicht zur Polizei gegangen. Die Angst vor Robert war zu groß. Er hatte sie voll im Griff, wenn er drohte, Michelle noch mehr wehzutun.
Seufzend machte sie sich an den Abwasch, dann ging sie zur Arbeit ins Versicherungsbüro. Der Chef sah ihre verweinten Augen, fragte aber nicht nach. Sabine machte gute Arbeit, war still und freundlich. Wer weiß, vielleicht war sie ein bisschen depressiv. Außerdem wollte er sich nicht in ihre Angelegenheiten einmischen, zumal sie nur ein paar Stunden hier arbeitete.
Nach der Zeit im Büro lief Sabine eilig heim, um zu schauen, wie es Michelle ging.
„Mir geht es gut“, brummte das Mädchen. „Wann kommt er heim?“
„Ich weiß es nicht. Komm, wir essen etwas.“
„Ich habe keinen Hunger und muss noch viel lernen.“
Sabine zuckte resigniert mit den Schultern, ging in die Küche und trank eine Tasse Kaffee. Danach saß sie unruhig auf der Couch und hoffte insgeheim, dass Robert wegbleiben und niemals wiederkommen würde. Um sieben Uhr abends kam er und warf seinen Schlüssel auf das Schränkchen im Flur. Er pfiff fröhlich vor sich hin.
„Was gibt es zu Essen, Schatz?“, flötete er in die Küche, wo Sabine gerade den Salat mischte.
„Steak und Salat.“
Sabine war froh, dass er gute Laune hatte und stellte Teller auf den Tisch.
„Wo ist Michelle?“
„Sie lernt und hat keinen Hunger.“
„Gut, dann können wir reden.“
Es klang unheilvoll und das war es dann auch. Sabine zog automatisch den Kopf ein. Ein eisiger Ball explodierte in ihrem Bauch.
„Ich muss übermorgen für zwei Tage auf Dienstreise.“
„Hm. Wohin denn?“
In ihre Erleichterung mischte sich ein Gefühl von bevorstehendem Unheil.
„Das geht dich nichts an. Du bleibst in der Zeit zuhause. Du gehst nirgendwo hin, triffst keinen Menschen und verhältst dich korrekt, bis ich wieder zuhause bin.“
„Aber ich muss arbeiten.“
„Melde dich krank!“
„Das geht nicht, wir bereiten den Jahresabschluss …“
In diesem Moment packte Robert ihr Handgelenk und zerrte sie zu sich herüber. Ein Schauer lief Sabine über den Rücken.
„Wenn ich sage, du bleibst daheim, dann meine ich es auch so. Hast du das verstanden?“
Sabine nickte. Robert stand auf, ging zu seinem Aktenkoffer und kam mit einem Brief zurück. Er zog ein Blatt heraus und legte es vor sie hin.
„Lies und unterschreib das!“
Sabine glaubte ihren Augen nicht zu trauen.
„Das ist eine Kündigung.“
„Ich weiß. Unterschreib!“
„Aber ich …“
Er griff erneut nach ihrem Handgelenk und packte zu. Sabine schrie auf. Dann drückte er ihr einen Kugelschreiber in die Hand und forderte sie erneut auf, die Kündigung zu unterschreiben.
„Ich brauche den Job, um unsere Kosten zu decken.“
„Du hast jetzt mich, du musst nicht mehr arbeiten. Am Ende plauderst du nur noch irgendeinen Blödsinn aus. Jetzt mach, sonst tut es richtig weh!“
Weinend unterschrieb Sabine und schob das Blatt zu Robert. Der steckte es in den Umschlag, legte ihn beiseite und aß zu Ende. Danach schob er den Teller weg und wollte gehen. An der Küchentür drehte er sich nochmal um.
„Gib mir dein Handy!“
„Warum?“
„Rede nicht, gib es mir!“
Er kam bedrohlich nahe, also gab ihm Sabine ihr Handy. Er steckte es in die Jackentasche und nahm den Brief.
„Ich bringe ihn zu deiner Versicherung, dann musst du morgen nicht mehr hin. Wage es nicht, aus dem Haus zu gehen. Michelle wird mich begleiten. Hol sie her!“
Sabine huschte an ihm vorbei zu Michelle und kam zwei Minuten später mit ihr zurück. Das Mädchen zitterte und wagte nicht zu widersprechen, als Robert sie aufforderte sich anzuziehen und zum Auto zu gehen.
Robert drehte sich zu Sabine um und presste seine Lippen auf ihre. Dass sie dabei zitterte und weinte, störte ihn nicht. Sabine war am Ende ihrer Kräfte, aber sie räumte trotzdem die Küche auf, damit er nicht auch noch deswegen ausflippte. Was war aus dem Mann geworden, der so nett und liebevoll gewesen war? Was war geschehen, dass er sich so verändert hatte? Was hatte sie falsch gemacht?
Dass es nicht ihre Schuld war, verdrängte