Elduria - Die Entscheidung. Norbert Wibben

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Elduria - Die Entscheidung - Norbert Wibben Elduria

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lässt Runa hochschrecken. Was ist, wenn das keine Sinnestäuschung, sondern ein feiner Abrieb von Silber ist. Könnte der womöglich in die Haut eingedrungen sein? Ist das nach so langen Jahren im Kerker auszuschließen? Es könnten andererseits auch Blutergüsse sein, da die Klammern recht eng um die Gelenke befestigt waren, oder auch schlecht verheilte Schürfwunden. Aber was davon ist wahrscheinlich?

      Atropaia hatte seit ihrer Rückkehr mehr als einmal ein Bad genommen, ganz zu schweigen vom üblichen Händewaschen. Würden sich Silberpartikel derart fest auf der Haut halten? Das würde dann für eine der letzteren Möglichkeiten sprechen, obwohl das Mädchen diese Begründungen nicht akzeptieren will. Es schüttelt den Kopf, tritt zur Amme und betrachtet die leicht geschwärzten Stellen genauer. Sie wirken fast so, als ob sich dort Tätowierungen befinden würden. Es scheinen eher die oberen Hautschichten als die tieferen betroffen zu sein. Das spricht für die Theorie über Silberabrieb.

      Runa nimmt sofort Kontakt zu Danrya auf und fragt, ob das möglich sein könnte.

      »Ich weiß, dass Silber oxidiert und dabei schwarz wird«, antwortet diese. »Schwefel aus der Luft verbindet sich mit dem Metall. Der direkte Hautkontakt kann das Anlaufen sogar noch intensivieren. Ein Abrieb der dunklen Verfärbungen kann in den Poren der Haut festgehalten werden und die Stellen jeweils dunkel verändern. Da Atropaia die silbernen Klammern über Jahre tragen musste, ist das die logische Erklärung für die noch sichtbaren Schatten.«

      »Dann sind sie auch die Ursache, weshalb die Übertragung meiner Lebensenergie nicht gut funktioniert?«

      »Das wäre möglich. Wenn Silber magische Kräfte unterbindet, könnte Silberoxid das in abgeschwächter Form ebenso.«

      »In den Gängen unter der Festung roch es, verursacht durch den Feueratem Befires, stark schwefelig. Sollte das für das Anlaufen der Klammern verantwortlich sein?«

      »Zum Teil kann das stimmen, obwohl auch die reine Luft während sieben Jahren vermutlich ausreichen würde.«

      »Was kann ich machen, um die Partikel zu entfernen. Wasser und Seife genügen offensichtlich nicht. Ich denke, Paia wird das bereits durch kräftiges Reiben mit einer Bürste versucht haben. Kennst du einen geeigneten Zauberspruch?«

      Doch die Frage bleibt unbeantwortet. Muss die Elfe erst nachdenken? Als sie nach mehreren Minuten immer noch nicht antwortet, macht sich Runa Sorgen um die Westelfe.

      »Danrya, geht es dir gut? Befindest du dich womöglich in Gefahr?« Aber sie reagiert nicht. Das Mädchen springt auf und läuft unruhig aus dem Haus. Sie weiß, dass sie hier genauso wenig ausrichten kann, sollte Danrya in Schwierigkeiten stecken. Trotzdem verspürt sie den Drang, sich zu bewegen. Die Elfe sagte doch, in einigen Stunden hier zu sein. Wie lange ist das her? Warum hatte sie nicht direkt zum Haus kommen können? Mit Hilfe des magischen Sprungs sind Ortswechsel über größere Distanzen ausführbar. Ist das von Elduria aus nicht möglich?

      »Aber sie ist doch inzwischen nicht mehr dort«, korrigiert sich Runa. »Hm. Sie wollte zu den Nordelfen, sollte es bei ihnen ähnlich geschützte Gebiete wie die Triqueta in Merion geben? Das wäre durchaus sinnvoll, da die Elfen mit Angriffen gegnerischer Zauberer rechnen müssen. Und bis direkt in diesen Elfenwald kann sie mittels Magie auch nicht kommen. Deshalb musste ich Dragon hineinziehen und die Rückreise mit Atropaia am Waldrand unterbrechen. Nach wenigen Schritten hinein, ging es dann aber mit dem magischen Sprung direkt bis zur Lichtung mit dem Haus.«

      Völlig unerwartet schießt ein fürchterlicher Gedanke durch ihren Kopf.

      »Was ist, wenn Danrya Creulon begegnet? Er ist sicher auf der Suche nach uns. Kann sie in eine von ihm gestellte Falle gelaufen sein?«

      »So leicht bin ich nicht zu übertölpeln«, meldet sich die Elfe wieder. »Du hast mit deiner Überlegung nicht so unrecht. Dieser dunkle Magier hat zusätzlich zu unserem Schutz seinen eigenen Zauberring um den Elfenwald gezogen. Der stoppte mich an dessen Rand. Ich wurde sogar um viele Meter zurückgeschleudert. Letzteres war eine Folge von meinen Schutzzaubern, die zusammen mit Creulons Ring bewirkten, dass ich durch die Luft katapultiert wurde. Das war auch der Grund, warum ich deine Frage nicht beantwortete. Ich fing den Sturz ab und versteckte mich als Rotkehlchen in einem Gebüsch. Die Situation erforderte einige Zeit lang meine volle Konzentration, da der Aufprall einen weithin hörbaren Alarm verursachte. Kurz nach der Gestaltänderung tauchte dieser böse Zauberer zusammen mit einer Handvoll finster aussehender Bewaffneter auf. Sie suchten die Umgebung ab, konnten mich jedoch nicht finden. – Es sieht so aus, dass mein Eindringen in den Wald derzeit unmöglich ist.«

      »Creulon vermutet offenbar, dass Atropaia und ich noch nicht hier sind. Er will unsere Rückkehr auf magische Weise verhindern. Ob er trotzdem auch Reiter zur Durchsuchung in den Wald …«

      Runa unterbricht unwillkürlich ihre Gedanken. Sie ist inzwischen wieder in der Wohnstube und blickt hinüber zu ihrer Amme, die schlafend in ihrem Sessel sitzt. Doch jetzt verwischen sich die Bilder. Sie steht direkt vor Atropaia, wobei sie offenbar einen Zauberspruch murmelnd auf deren Handgelenke deutet. »Renovo!« Gleich darauf bückt sie sich und nutzt erneut diesen Spruch und zeigt dabei auf die Fußgelenke. Während sie sich noch aufrichtet, dringt näherkommender Hufschlag ins Innere. Da der Waldboden derartige Geräusche dämpft, müssen die Reiter bereits dicht bei dem Häuschen sein. Die Tür birst sofort darauf mit einem blendend hellen Blitz und lautem Getöse. Grimmig blickende Männer drängen in die Wohnstube, dann verwischen die Bilder.

      Runa schüttelt sich. War das eine Erinnerung an den Tag, als die Amme von Owain verschleppt worden ist? Aber wodurch wurde sie ausgelöst? Damals saß sie anders als jetzt auf dem Sofa. Deshalb weiß sie, dass das kein Rückblick, sondern ein kurzer Blick in die Zukunft gewesen sein muss.

      Dann sieht sie doch noch einen kleinen Moment die Bilder von vor sieben Jahren. Sie bemerkt die langen Messer und die gespannten Bogen in den Händen der Eindringlinge, bevor auch diese Sequenz verwischt. Die Umgebung ist jetzt so, wie sie wirklich ist.

      »Was bedeutet das?«, dringt Danryas Stimme in ihr Bewusstsein. Sie hat offenbar zum Teil mitbekommen, was Runa durchlebt hat.

      Die berichtet hastig, dass erneut jemand hier ins Haus eindringen wird, um dieses Mal nicht nur Atropaia, sondern auch sie zu entführen. Sie könnten jedoch genauso gut getötet werden, wird ihr bewusst. Trotzdem richten sich ihre Gedanken auf das Problem, weshalb sie Kontakt zu Danrya aufgenommen hatte.

      »Wird der Renovo-Spruch den Abrieb der schwarz angelaufenen Silberklammern entfernen?«

      »Offenbar versuchst du das gleich. Obwohl ich dir vorschlagen wollte, die Partikel mit dem Evoco-Zauber herauszuholen.«

      »Dann hältst du die Anwendung des Spruchs in diesem Fall nicht für komplett idiotisch? Ich hätte eher gemeint, dass sich der Zauberspruch hauptsächlich auf Dinge, also auf Sachen bezieht. – Soll ich das probieren oder besser die Zeit nutzen, um mit Paia von hier zu verschwinden?«

      »Du hast offenbar noch wenige Augenblicke, wenn das soeben ein Blick in die Zukunft gewesen ist. Trotzdem solltest du dich beeilen.«

      »Kann ich überhaupt mittels magischem Sprung von hier flüchten? Du sagtest doch, Creulon habe eine Art Ring um den Wald gewoben.«

      »Nutze den Spruch, um an den inneren Waldrand zu kommen. Nimm am besten die Stelle, an der du zusammen mit Dragon eingedrungen bist. Dadurch läufst du nicht Gefahr, wie ich zurückgeworfen zu werden. Du bewegst dich dann mit Atropaia um einige Schritte nach außerhalb und nutzt erst danach den magischen Sprung, um in mein Haus in Ochsenham zu fliehen. Ich erwarte euch dort.«

      »Einverstanden!«

      Runa

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