Blaues Feuer. Thomas Hoffmann

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Blaues Feuer - Thomas Hoffmann

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Gornwald in die Ebene heraus,“ erklärte der Vater. „Am Abend sind wir in Köhlershofen. Dort übernachten wir in der Herberge. Morgen Nachmittag erreichen wir Altenweil.“

      Zwei volle Wandertage, fast drei von Wildenbruch bis Altenweil! Norbert hatte keine Vorstellung davon gehabt, wie groß der Gornwald und das Land dahinter waren.

      Während er über Steine und Wurzeln dem Vater nach abwärts stieg, brachte er hervor: „Vater – wie groß ist die Welt?“

      Hans Lederer dachte nach. „Von Altenweil nach Trümmelfurt sind es fünf oder sechs Tagereisen. Von dort geht eine Straße zwanzig Tagereisen weit nach Klagenfurt, der Kaiserstadt an der Lorn. Die Lorn entlang, nochmal vielleicht zwanzig Tagereisen, kommt man ans Meer im Westen. Das Meer geht bis zum Horizont, wo abends die Sonne versinkt. Dahin kann kein Mensch gelangen.“

      Norbert hatte keine Ahnung, was oder wo der Horizont war. Er musste stehen bleiben, weil ihm der Kopf schwamm.

      ***

      Sie stiegen aus den Hügeln herab und folgten einem Trampelpfad durch dichten Nadelwald. Die Sonne hatte sich hinter die Wolkendecke zurückgezogen und der Wald lag in schattigem Dämmerlicht. Es roch nach Harz und faulem Holz. Fichtennadeln klebten sich Norbert an die Fußsohlen. Sein Herz hämmerte. Wie würde es sein, das Land hinter dem Gornwald?

      Am späten Nachmittag wanderten sie auf einen Streifen Helle jenseits der Fichtenstämme zu. Unvermittelt hörte der Wald auf. Sie traten auf eine Rodung hinaus. Vor ihnen breitete sich das flache Land - Äcker und Brachen, Knüppelzäune um kleine Felder, die in jungem Grün standen, hier und da ein vereinzelter Baum mit nach allen Seiten sich breitender Krone, Haufen von Feldsteinen um seine Wurzeln. In der Ferne, in weiten Abständen voneinander, einzelne Katen. Von ihren Strohdächern stieg Rauch auf. Das Land verlor sich in einer beängstigenden Ferne, die Norbert den Atem raubte. Stumm vor Ergriffenheit wanderte er dem Vater nach.

      ***

      Bei Sonnenuntergang erreichten sie Köhlershofen. Der Flecken bestand aus einem knappen Dutzend getünchter Hütten längs eines wenig befahrenen Karrenpfads. Windschiefe Schuppen standen hinter den Hütten im Morast. Hühner und Ziegen liefen umher. Männer und Frauen in ungefärbter Filz- und Leinenkleidung standen beieinander, bärtige Alte rauchten Pfeifen unter den Hüttendächern, Mütter riefen die kreischend herumtollenden, halbnackten Kinder zur Nacht in die Hütten.

      Ein bisschen wie in Wildenbruch, wunderte sich Norbert, nur enger und schmutziger.

      Die Herberge war ein niedriger, rindengedeckter Anbau an einer der Hütten, ein einziger, fensterloser Raum mit einem Strohlager am Boden. Dämmerlicht rieselte durch den Spalt zwischen Wänden und Dach. Vor dem Anbau standen zwei Tische für die Herbergsgäste. Bretter dienten als Bänke. Ein paar Schritt abseits an einem gemauerten Ziehbrunnen verabschiedeten sich Köhlershofener Frauen voneinander, um zu ihren Hütten zu gehen.

      Außer Norbert und dem Vater waren an diesem Abend vier Kriegsknechte in Köhlershofen zur Herberge. Sie saßen beieinander am Tisch, tranken Bier aus Holzhumpen und blickten verdrossen vor sich hin. Ihre Piken lehnten an der Hauswand hinter ihnen. Am vorderen Tisch saß ein in einen Kapuzenumhang gehüllter Reisender mit schmutzigen Stiefeln und einem Schwert in einer Lederscheide, das er neben sich an den Tisch gelehnt hatte. Er blickte kurz von seinem Humpen auf, als Hans Lederer und Norbert über die Bank stiegen und sich an den Tisch setzten. Der Esel stand an ein Gatter gebunden an der Tränke. Norbert erhaschte einen Blick auf das Gesicht unter der Kapuze des Fremden. Graue Augen in einem wettergebräunten Bartgesicht musterten ihn.

      „Den Sternen zum Gruß,“ knurrte der Vater.

      Er rückte den Dolch am Gürtel zurecht. Der Fremde nickte nur. Norbert schaute fasziniert nach den Landsknechten in ihren speckigen Lederrüstungen. Helme und Lederhandschuhe lagen neben ihnen auf den Bänken. Die ungekämmten Haare hingen ihnen wirr über die Schultern. Einer von ihnen nickte Norbert zu. Er blickte auf Norberts nackte Füße und verzog das Gesicht zu einer Art Grinsen. Es sah nicht unfreundlich aus, fand Norbert, eher wie in halber Anerkennung für einen Jungen, der barfuß über Land reisen musste.

      „Siedler?“ Die Stimme des Kriegsknechts hatte den Klang eines Reibeisens.

      „Wir sind aus Wildenbruch,“ erklärte Vater. „Mein Junge faselt ständig davon, dass er Gespenster sieht. Ich bringe ihn zum Kloster der Armen Brüder in Altenweil, damit sie über ihm beten.“

      Der Fremde sah auf. Einige Augenblicke lang lag der Blick seiner grauen Augen auf Norbert.

      „Vielleicht ist es gar kein krankes Gefasel,“ überlegte einer der Kriegsknechte. „Vielleicht sieht dein Junge einfach nur mehr als andere. Wir hatten einen Kameraden...“

      „Es ist eine Krankheit!“ polterte Hans Lederer. „Die Armen Brüder werden ihn heilen!“

      Der Klang seiner Stimme verriet, dass er keinen Widerspruch duldete, was seinen Sohn betraf. Irrte Norbert sich, oder hatte er dem Fremden bei Vaters Wutausbruch den Kopf schütteln sehen?

      „Hör mal, Siedler, seid ihr unterwegs Leuten begegnet?“ wollte der Kriegsknecht wissen. „Wir sind vom Markgrafen ausgesandt, nach Wilddieben zu suchen.“

      Vater schüttelte den Kopf. „Keiner Menschenseele.“

      Die Schankmagd brachte Bier und Kohlsuppe mit Schwarzbrot.

      „Ihr könnt den Esel über Nacht in den Stall bringen,“ erklärte sie.

      Der Vater nickte. Der Fremde betrachtete ihn, während der Vater schmatzend seine Suppe schlürfte.

      „Da wirst du den Armen Brüdern viel bezahlen müssen, damit sie eine ihrer wundertätigen Ikonen über deinen Sohn halten und beten.“

      Norbert fand die tiefe Stimme nicht unsympathisch. Der Vater sah kauend auf. Er betrachtete den Fremden, dann blickte er kurz zu den Kriegsknechten hinüber.

      „Ich kenne jemanden in Altenweil, der mir Geld leiht,“ knurrte er. „Anton Dreyfuß, ein gelehrter Herr. Er kennt mich schon mehrere Jahre.“

      Zuckte da ein Grinsen um die Lippen des Fremden? „Anton Dreyfuß leiht dir Geld? Wofür?“

      „Das ist nicht deine Angelegenheit!“ brauste Hans Lederer auf.

      „Das stimmt.“

      Der Fremde stand auf, nahm sein Schwert und nickte Norbert zu. Ja tatsächlich, ihm, nicht dem Vater.

      „Ich hau mich hin. Hab einen langen Reisetag hinter mir.“

      Die Herbergstür knarrte, während er drinnen verschwand.

      „Vater, was für ein Mann ist das?“ flüsterte Norbert.

      „Ein Dreckskerl von einem Vagabunden, ein Strauchdieb oder Freischärler, ein Vogelfreier, ein Abenteurer, einer vom freien fahrenden Volk, die sich keinem Fürsten und keinem König untertan fühlen!“ brummte der Vater ebenso leise. „Ich bin froh, dass die Kriegsknechte heute Nacht hier sind, sonst wär ich weitergezogen, eh ich mit dem eine Nacht unter einem Dach verbracht hätte!“

      Norbert war kein bisschen schlauer. Er hatte keine Ahnung, was für Leute das sein mochten, über die der Vater schimpfte.

      ***

      Als

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