Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte. Georg Wilhelm Friedrich Hegel

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte - Georg Wilhelm Friedrich Hegel gelbe Buchreihe

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Vernünftigen. Wir sehen somit eine Vereinigung, die an sich ist, zwischen der objektiven Seite, dem Begriffe, und der subjektiven Seite. Die objektive Existenz dieser Vereinigung ist der Staat, welcher somit die Grundlage und der Mittelpunkt der andern konkreten Seiten des Volkslebens ist, der Kunst, des Rechts, der Sitten, der Religion, der Wissenschaft. Alles geistige Tun hat nur den Zweck, sich dieser Vereinigung bewusst zu werden, d. h. seiner Freiheit. Unter den Gestalten dieser gewussten Vereinigung steht die Religion an der Spitze. In ihr wird der existierende, der weltliche Geist sich des absoluten Geistes bewusst, und in diesem Bewusstsein des an und für sich seienden Wesens entsagt der Wille des Menschen seinem besonderen Interesse; er legt dieses auf die Seite in der Andacht, in welcher es ihm nicht mehr um Partikulares zu tun sein kann. Durch das Opfer drückt der Mensch aus, dass er seines Eigentums, seines Willens, seiner besonderen Empfindungen sich entäußere. Die religiöse Konzentration des Gemüts erscheint als Gefühl, jedoch tritt sie auch in das Nachdenken über: Der Kultus ist eine Äußerung des Nachdenkens. Die zweite Gestalt der Vereinigung des Objektiven und Subjektiven im Geiste ist die Kunst: sie tritt mehr in die Wirklichkeit und Sinnlichkeit als die Religion; in ihrer würdigsten Haltung hat sie darzustellen, zwar nicht den Geist Gottes, aber die Gestalt des Gottes; dann Göttliches und Geistiges überhaupt. Das Göttliche soll durch sie anschaulich werden, sie stellt es der Phantasie und der Anschauung dar. – Das Wahre gelangt aber nicht nur zur Vorstellung und zum Gefühl, wie in der Religion, und zur Anschauung wie in der Kunst, sondern auch zum denkenden Geist; dadurch erhalten wir die dritte Gestalt der Vereinigung, – die Philosophie. Diese ist insofern die höchste, freieste und weiseste Gestaltung. Wir können nicht die Absicht haben, diese drei Gestaltungen hier näher zu betrachten; sie haben nur genannt werden müssen, weil sie sich auf demselben Boden befinden, als der Gegenstand, den wir hier behandeln, – der Staat.

       Das Allgemeine, das im Staate sich hervortut und gewusst wird, die Form, unter welche alles, was ist, gebracht wird, ist dasjenige überhaupt, was die Bildung einer Nation ausmacht. Der bestimmte Inhalt aber, der die Form der Allgemeinheit erhält und in der konkreten Wirklichkeit, welche der Staat ist, liegt, ist der Geist des Volkes selbst. Der wirkliche Staat ist beseelt von diesem Geist in allen seinen besonderen Angelegenheiten, Kriegen, Institutionen usf. Aber der Mensch muss auch wissen von diesem seinen Geist und Wesen selbst und sich das Bewusstsein der Einheit mit demselben, die ursprünglich ist, geben. Denn wir haben gesagt, dass das Sittliche die Einheit ist des subjektiven und allgemeinen Willens. Der Geist aber hat sich ein ausdrückliches Bewusstsein davon zu geben, und der Mittelpunkt dieses Wissens ist die Religion. Kunst und Wissenschaft sind nur verschiedene Seiten und Formen ebendesselben Inhalts. – Bei Betrachtung der Religion kommt es darauf an, ob sich das Wahre, die Idee nur in ihrer Trennung oder sie in ihrer wahren Einheit kenne, – in ihrer Trennung: wenn Gott als abstrakt höchstes Wesen, Herr des Himmels und der Erde, der drüben jenseits ist, und aus dem die menschliche Wirklichkeit ausgeschlossen ist, – in ihrer Einheit: Gott als Einheit des Allgemeinen und Einzelnen, indem in ihm auch das Einzelne positiv angeschaut wird, in der Idee der Menschwerdung. Die Religion ist der Ort, wo ein Volk sich die Definition dessen gibt, was es für das Wahre hält. Definition enthält alles, was zur Wesentlichkeit des Gegenstandes gehört, worin seine Natur auf einfache Grundbestimmtheit zurückgebracht ist als Spiegel für alle Bestimmtheit, die allgemeine Seele alles Besonderen. Die Vorstellung von Gott macht somit die allgemeine Grundlage eines Volkes aus.

       Nach dieser Seite steht die Religion im engsten Zusammenhang mit dem Staatsprinzip. Freiheit kann nur da sein, wo die Individualität als positiv im göttlichen Wesen gewusst wird. Der Zusammenhang ist weiter dieser, dass das weltliche Sein als ein zeitliches, in einzelnen Interessen sich bewegendes, hiermit ein relatives und unberechtigtes ist, dass es Berechtigung erhält, nur insofern die allgemeine Seele desselben, das Prinzip absolut berechtigt ist, und dies wird es nur so, dass es als Bestimmtheit und Dasein des Wesens Gottes gewusst wird. Deswegen ist es, dass der Staat auf Religion beruht. Das hören wir in unsern Zeiten oft wiederholen, und es wird meist nichts weiter damit gemeint, als dass die Individuen, als gottesfürchtige, um so geneigter und bereitwilliger seien, ihre Pflicht zu tun, weil Gehorsam gegen Fürst und Gesetz sich so leicht anknüpfen lässt an die Gottesfurcht. Freilich kann die Gottesfurcht, weil sie das Allgemeine über das Besondere erhebt, sich auch gegen das letztere kehren, fanatisch werden und gegen den Staat, seine Gebäulichkeiten und Einrichtungen verbrennend und zerstörend wirken. Die Gottesfurcht soll darum auch, meint man, besonnen sein und in einer gewissen Kühle gehalten werden, dass sie nicht gegen das, was durch sie beschützt und erhalten werden soll, aufstürmt und es wegflutet. Die Möglichkeit dazu hat sie wenigstens in sich.

      Indem man nun die richtige Überzeugung gewonnen, dass der Staat auf der Religion beruhe, so gibt man der Religion die Stellung, als ob ein Staat vorhanden sei, und nunmehr, um denselben zu halten, die Religion in ihn hineinzutragen sei, in Eimern und Scheffeln, um sie den Gemütern einzuprägen. Es ist ganz richtig, dass die Menschen zur Religion erzogen werden müssen, aber nicht als zu Etwas, dass noch nicht ist. Denn, wenn zu sagen ist, dass der Staat sich gründet auf die Religion, dass er seine Wurzeln in ihr hat, so heißt das wesentlich, dass er aus ihr hervorgegangen ist und jetzt und immer aus ihr hervorgeht, d. h. die Prinzipien des Staates müssen als an und für sich geltend betrachtet werden, und sie werden dies nur, insofern sie als Bestimmungen der göttlichen Natur selbst gewusst sind. Wie daher die Religion beschaffen ist, so der Staat und seine Verfassung; er ist wirklich aus der Religion hervorgegangen und zwar so, dass der athenische, der römische Staat nur in dem spezifischen Heidentum dieser Völker möglich war, wie eben ein katholischer Staat einen andern Geist und andere Verfassung hat als ein protestantischer.

      Sollte jenes Aufrufen, jenes Treiben und Drängen danach, die Religion einzupflanzen, ein Angst- und Notgeschrei sein, wie es oft so aussieht, worin sich die Gefahr ausdrückt, dass die Religion bereits aus dem Staate verschwunden oder vollends zu verschwinden im Begriff stehe, so wäre das schlimm, und schlimmer selbst, als jener Angstruf meint: denn dieser glaubt noch an seinem Einpflanzen und Inkulkieren ein Mittel gegen das Übel zu haben; aber ein so zu Machendes ist die Religion überhaupt nicht; ihr sich Machen steckt viel tiefer.

       Eine andere und entgegengesetzte Torheit, der wir in unsrer Zeit begegnen, ist die, Staatsverfassungen unabhängig von der Religion erfinden und ausführen zu wollen. Die katholische Konfession, obgleich mit der protestantischen gemeinschaftlich innerhalb der christlichen Religion, lässt die innere Gerechtigkeit und Sittlichkeit des Staates nicht zu, die in der Innigkeit des protestantischen Prinzips liegt. Jenes Losreißen des Staatsrechtlichen, der Verfassung, ist um der Eigentümlichkeit jener Religion willen, die das Recht und die Sittlichkeit nicht als an sich seiend, als substantiell anerkennt, notwendig, aber so losgerissen von der Innerlichkeit, von dem letzten Heiligtum des Gewissens, von dem stillen Ort, wo die Religion ihren Sitz hat, kommen die staatsrechtlichen Prinzipien und Einrichtungen ebenso wohl nicht zu einem wirklichen Mittelpunkte, als sie in der Abstraktion und Unbestimmtheit bleiben.

      Fassen wir das bisher über den Staat Gesagte im Resultat zusammen, so ist die Lebendigkeit des Staates in den Individuen die Sittlichkeit genannt worden. Der Staat, seine Gesetze, seine Einrichtungen sind der Staatsindividuen Rechte; seine Natur, sein Boden, seine Berge, Luft und Gewässer sind ihr Land, ihr Vaterland, ihr äußerliches Eigentum; die Geschichte dieses Staates, ihre Taten, und das, was ihre Vorfahren hervorbrachten, gehört ihnen und lebt in ihrer Erinnerung. Alles ist ihr Besitz ebenso, wie sie von ihm besessen werden, denn es macht ihre Substanz, ihr Sein aus.

      Ihre Vorstellung ist damit erfüllt, und ihr Wille ist das Wollen dieser Gesetze und dieses Vaterlandes. Es ist diese zeitige Gesamtheit, welche ein Wesen, der Geist eines Volkes ist. Ihm gehören die Individuen an; jeder einzelne ist der Sohn seines Volkes und zugleich, insofern sein Staat in Entwicklung begriffen ist, der Sohn seiner Zeit; keiner bleibt hinter derselben zurück, noch weniger überspringt er dieselbe. Dies geistige Wesen ist das seinige, er ist ein Repräsentant desselben; es ist das, woraus er hervorgeht, und worin er steht. Bei den Athenern hatte Athen eine doppelte Bedeutung; zuerst bezeichnete sie die Gesamtheit der Einrichtungen, dann aber die Göttin, welche den Geist des Volkes, die Einheit darstellte.

       Dieser Geist eines Volkes ist ein bestimmter Geist, und, wie soeben gesagt,

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