Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte. Georg Wilhelm Friedrich Hegel
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Hier ist nur anzudeuten, dass der Geist von seiner unendlichen Möglichkeit, aber nur Möglichkeit anfängt, die seinen absoluten Gehalt als Ansich enthält, als den Zweck und das Ziel, das er nur erst in seinem Resultate erreicht, welches dann erst seine Wirklichkeit ist. So erscheint in der Existenz der Fortgang als ein Fortschreiten von dem Unvollkommenen zum Vollkommneren, wobei jenes nicht in der Abstraktion nur als das Unvollkommene zu fassen ist, sondern als ein solches, das zugleich das Gegenteil seiner selbst, das sogenannte Vollkommene als Keim, als Trieb in sich hat. Ebenso weist wenigstens reflektierterweise die Möglichkeit auf ein solches hin, das wirklich werden soll, und näher ist die aristotelische dynamis auch potentia, Kraft und Macht. Das Unvollkommene so als das Gegenteil seiner in ihm selbst ist der Widerspruch, der wohl existiert, aber ebenso sehr aufgehoben und gelöst wird, der Trieb, der Impuls des geistigen Lebens in sich selbst, die Rinde der Natürlichkeit, Sinnlichkeit und Fremdheit seiner selbst zu durchbrechen und zum Lichte des Bewusstseins, d. i. zu sich selbst, zu kommen.
b) Im allgemeinen ist die Bemerkung, wie der Anfang der Geschichte des Geistes dem Begriffe nach aufgefasst werden müsse, bereits in Beziehung auf die Vorstellung eines Naturzustandes gemacht worden, in welchem Freiheit und Recht in vollkommener Weise vorhanden sei oder gewesen sei. Jedoch war dies nur eine im Dämmerlicht der hypothesierenden Reflexion gemachte Annahme einer geschichtlichen Existenz. Eine Prätension ganz anderer Art, nämlich nicht eines aus Gedanken hervorgehenden Annehmens, sondern eines geschichtlichen Faktums und zugleich einer höheren Beglaubigung desselben, macht eine andere, von einer gewissen Seite her heutzutage viel in Umlauf gesetzte Vorstellung. Es ist in derselben der erste paradiesische Zustand des Menschen, der schon früher von den Theologen in ihrer Weise, z. B. dass Gott mit Adam hebräisch gesprochen habe, ausgebildet wurde, wieder aufgenommen, aber andern Bedürfnissen entsprechend gestaltet wurden. Die hohe Autorität, welche hierbei zunächst in Anspruch genommen wird, ist die biblische Erzählung. Diese aber stellt den primitiven Zustand, teils nur in den wenigen bekannten Zügen, teils aber denselben entweder in dem Menschen überhaupt, – dies wäre die allgemein menschliche Natur –, oder, insofern Adam als individuelle und damit als eine Person zu nehmen ist, in diesem Einen oder nur in einem Menschenpaare vorhanden und vollendet dar. Weder liegt darin die Berechtigung zur Vorstellung eines Volkes und eines geschichtlichen Zustandes desselben, welcher in jener primitiven Gestalt existiert habe, noch weniger der Ausbildung einer reinen Erkenntnis Gottes und der Natur. Die Natur, wird erdichtet, habe anfangs wie ein heller Spiegel der Schöpfung Gottes offen und durchsichtig vor dem klaren Auge des Menschen gestanden, Fr. v. Schlegels Philosophie der Geschichte, I., S. 44. [1. Ausg.]und die göttliche Wahrheit sei ihm ebenso offen gewesen; es wird zwar darauf hingedeutet, aber doch zugleich in einem unbestimmten Dunkel gelassen, dass dieser erste Zustand sich im Besitze einer unbestimmten in sich schon ausgedehnten Erkenntnis religiöser, und zwar von Gott unmittelbar geoffenbarter Wahrheiten befunden habe. Von diesem Zustande aus seien nun ebenso im geschichtlichen Sinne alle Religionen ausgegangen, so aber, dass sie zugleich jene erste Wahrheit mit Ausgeburten des Irrtums und der Verkehrtheit verunreinigt und verdeckt haben. In allen den Mythologien des Irrtums aber seien Spuren jenes Ursprungs und jener ersten Religionslehren der Wahrheit vorhanden und zu erkennen. Der Erforschung der alten Völkergeschichte wird daher wesentlich dies Interesse gegeben, in ihnen so weit aufzusteigen, um bis zu einem Punkte zu gelangen, wo solche Fragmente der ersten geoffenbarten Erkenntnis noch in größerer Reinheit anzutreffen seien. Wir haben diesem Interesse viel Schätzenswertes an Entdeckungen über orientalische Literatur und ein erneuertes Studium der früher schon aufgezeichneten Schätze über altasiatische Zustände, Mythologie, Religionen und Geschichte zu danken. Die Regierung hat sich in gebildeten katholischen Ländern den Anforderungen des Gedankens nicht länger entschlagen und das Bedürfnis gefühlt, sich in einen Bund mit Gelehrsamkeit und Philosophie zu setzen. Beredt und imposant hat der
Abbé Lamenais unter den Kriterien der wahrhaften Religion aufgezählt, dass sie die allgemeine, das heißt katholische, und die älteste sein müsse, und die Kongregation hat in Frankreich eifrig und fleißig dahin gearbeitet, dass dergleichen Behauptungen nicht mehr, wie es wohl sonst genügte, für Kanzeltiraden und Autoritätsversicherungen gelten sollten. Insbesondere hat die so ungeheuer ausgebreitete Religion des Buddha, eines Gottmenschen, die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der indische Trimûrtis, wie die chinesische Abstraktion der Dreiheit, war ihrem Inhalte nach für sich klarer. Die Gelehrten, Herr Abel Remusat und Herr Saint Martin, haben in der chinesischen und von dieser aus dann in der mongolischen, und wenn es sein könnte, in der tibetanischen Literatur ihrerseits die verdienstvollsten Untersuchungen angestellt, wie Baron von Eckstein, seinerseits auf seine Weise, das ist mit oberflächlichen aus Deutschland geschöpften naturphilosophischen Vorstellungen und Manieren in Art und Nachahmung
Friedrich von Schlegels, doch geistreicher als dieser, in seinem Journal le Catholique jenem primitiven Katholizismus Vorschub tat, insbesondere aber die Unterstützung der Regierung auch auf die gelehrte Seite der Kongregation hinleitete, dass sie sogar Reisen in den Orient veranstaltete, um daselbst noch verborgene Schätze aufzufinden, aus welchen man sich über die tieferen Lehren, insbesondere das höhere Altertum und die Quellen des Buddhismus weitere Aufschlüsse versprach, und die Sache des Katholizismus durch diesen weiten, aber für die Gelehrten interessanten Umweg zu befördern. [1. Ausg. geringfügig verändert. Wir haben dem Interesse dieser Forschungen sehr viel Schätzenswertes zu danken, aber dieses Forschen zeugt unmittelbar gegen sich selbst, denn es geht darauf, dasjenige erst geschichtlich zu bewähren, was von ihm als ein Geschichtliches vorausgesetzt wird. Sowohl jener Zustand der Gotteserkenntnis, auch sonstiger wissenschaftlicher, z. B. astronomischer Kenntnisse (wie sie den Indern angefabelt worden sind), als auch, dass ein solcher Zustand an der Spitze der Weltgeschichte gestanden habe, oder dass von einem solchen die Religionen der Völker einen traditionellen Ausgangspunkt genommen hätten und durch Ausartung und Verschlechterung (wie in dem roh aufgefassten sogenannten Emanationssystem vorgestellt wird) in der Ausbildung fortgeschritten sein, – alles dieses sind Voraussetzungen, die weder eine historische Begründung haben, noch, indem wir ihrem beliebigen, aus dem subjektiven Meinen hervorgegangenen Ursprung den Begriff entgegenstellen dürfen, je eine solche erlangen können.
Der philosophischen Betrachtung ist es nur angemessen und würdig, die Geschichte da aufzunehmen, wo die Vernünftigkeit in weltliche Existenz zu treten beginnt, nicht wo sie noch erst eine Möglichkeit nur an sich ist, wo ein Zustand vorhanden, in dem sie in Bewusstsein, Willen und Tat auftritt. Die unorganische Existenz des Geistes, die der Freiheit, das ist des Guten und des Bösen und damit der Gesetze, unbewusste Stumpfheit oder, wenn man will, Vortrefflichkeit, ist selbst nicht Gegenstand der Geschichte. Die natürliche und zugleich religiöse Sittlichkeit ist die Familienpietät. Das Sittliche besteht in dieser Gesellschaft eben darin, dass die Mitglieder nicht als Individuen von freiem Willen gegeneinander, nicht als Personen sich verhalten; eben darum ist die Familie in sich dieser Entwicklung entnommen, aus welcher die Geschichte erst entsteht. Tritt die geistige Einheit aber über diesen Kreis der Empfindung und natürlichen Liebe heraus, und gelangt sie zum Bewusstsein der Persönlichkeit, so ist dieser finstere spröde Mittelpunkt vorhanden, in welchem weder Natur noch Geist offen und durchsichtig ist, und für welchen Natur und Geist nur erst durch die Arbeit fernerer und einer in der Zeit sehr fernen Bildung jenes selbstbewusst gewordenen Willens offen und durchsichtig werden können. Das Bewusstsein allein ist ja das Offene und das, für welches Gott und irgendetwas sich offenbaren kann, und in seiner Wahrheit, in seiner an und für sich seienden Allgemeinheit, kann es sich nur dem kundgewordenen Bewusstsein offenbaren. Die Freiheit ist nur das, solche allgemeine substantielle Gegenstände wie das Recht und das Gesetz zu wissen und zu wollen und eine Wirklichkeit hervorzubringen, die ihnen gemäß ist, – den Staat.
Völker können ohne Staat ein langes Leben fortgeführt haben, ehe sie dazu kommen, diese ihre Bestimmung zu erreichen, und