Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte. Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte - Georg Wilhelm Friedrich Hegel страница 21

Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte - Georg Wilhelm Friedrich Hegel gelbe Buchreihe

Скачать книгу

aber für den Geist ist, sich zu wissen, sich zur Anschauung nicht nur, sondern zum Gedanken seiner selbst zu bringen. Dies muss und wird er auch vollbringen, aber diese Vollbringung ist zugleich sein Untergang und das Hervortreten eines andern Geistes, eines andern welthistorischen Volkes, einer andern Epoche der Weltgeschichte. Dieser Übergang und Zusammenhang führt uns zum Zusammenhange des Ganzen, zum Begriff der Weltgeschichte als solcher, den wir nun näher zu betrachten, von dem wir eine Vorstellung zu geben haben.

       Die Weltgeschichte, wissen wir, ist also überhaupt die Auslegung des Geistes in der Zeit, wie die Idee als Natur sich im Raume auslegt.

      Wenn wir nun einen Blick auf die Weltgeschichte überhaupt werfen, so sehen wir ein ungeheures Gemälde von Veränderungen und Taten, von unendlich mannigfaltigen Gestaltungen von Völkern, Staaten, Individuen, in rastloser Aufeinanderfolge. Alles, was in das Gemüt des Menschen eintreten und ihn interessieren kann, alle Empfindung des Guten, Schönen, Großen wird in Anspruch genommen, allenthalben werden Zwecke gefasst, betrieben, die wir anerkennen, deren Ausführung wir wünschen; wir hoffen und fürchten für sie. In allen diesen Begebenheiten und Zufällen sehen wir menschliches Tun und Leiden obenauf, überall Unsriges und darum überall Neigung unsres Interesses dafür und dawider. Bald zieht es durch Schönheit, Freiheit und Reichtum an, bald durch Energie, wodurch selbst das Laster sich bedeutend zu machen weiß. Bald sehen wir die umfassendere Masse eines allgemeinen Interesses sich schwerer fortbewegen und einer unendlichen Komplexion kleiner Verhältnisse preisgegeben und zerstäuben, dann aus ungeheurem Aufgebot von Kräften Kleines hervorgebracht werden, aus unbedeutend Scheinendem Ungeheures hervorgehen, – überall das bunteste Gedränge, das uns in sein Interesse hineinzieht, und wenn das eine entflieht, tritt das andere sogleich an seine Stelle.

       Der allgemeine Gedanke, die Kategorie, die sich bei diesem ruhelosen Wechsel der Individuen und Völker, die eine Zeitlang sind und dann verschwinden, zunächst darbietet, ist die Veränderung überhaupt. Diese Veränderung von ihrer negativen Seite aufzufassen, dazu führt näher der Anblick von den Ruinen einer vormaligen Herrlichkeit. Welcher Reisende ist nicht unter den Ruinen von Karthago, Palmyra, Persepolis, Rom zu Betrachtungen über die Vergänglichkeit der Reiche und Menschen, zur Trauer über ein ehemaliges, kraftvolles und reiches Leben veranlasst worden? – eine Trauer, die nicht bei persönlichen Verlusten und der Vergänglichkeit der eignen Zwecke verweilt, sondern uninteressierte Trauer über den Untergang glänzenden und gebildeten Menschenlebens ist. – Die nächste Bestimmung aber, welche sich an die Veränderung anknüpft, ist, dass die Veränderung, welche Untergang ist, zugleich Hervorgehen eines neuen Lebens ist, dass aus dem Leben Tod, aber aus dem Tod Leben hervorgeht. Es ist dies ein großer Gedanke, den die Orientalen erfasst haben, und wohl der höchste ihrer Metaphysik. In der Vorstellung von der Seelenwanderung ist er in Beziehung auf das Individuelle enthalten; allgemeiner bekannt ist aber das Bild des Phönix, von dem Naturleben, das ewig sich selbst seinen Scheiterhaufen bereitet und sich darauf verzehrt, so dass aus seiner Asche ewig das neue, verjüngte, frische Leben hervorgeht. Dies Bild ist aber nur asiatisch, morgenländisch, nicht abendländisch. Der Geist, die Hülle seiner Existenz verzehrend, wandert nicht bloß in eine andere Hülle über, noch steht er nur verjüngt aus der Asche seiner Gestaltung auf, sondern er geht erhoben, verklärt, ein reinerer Geist aus derselben hervor. Er tritt allerdings gegen sich auf, verzehrt sein Dasein, aber indem er es verzehrt, verarbeitet er dasselbe, und was seine Bildung ist, wird zum Material, an dem seine Arbeit ihn zu neuer Bildung erhebt.

       Betrachten wir den Geist nach dieser Seite, dass seine Veränderungen nicht bloß Übergänge als Verjüngungen, d. h. Rückgänge zu derselben Gestalt sind, sondern vielmehr Verarbeitungen seiner selbst, durch welche er den Stoff für seine Versuche vervielfältigt, so sehen wir ihn nach einer Menge von Seiten und Richtungen hin sich versuchen, sich ergehen und genießen, in einer Menge, die unerschöpflich ist, weil jede seiner Schöpfungen, in der er sich befriedigt hat, ihm von neuem als Stoff gegenübertritt und eine neue Anforderung der Verarbeitung ist. Der abstrakte Gedanke bloßer Veränderung verwandelt sich in den Gedanken des seine Kräfte nach allen Seiten seiner Fülle kundgebenden, entwickelnden und ausbildenden Geistes. Welche Kräfte er in sich besitze, erfahren wir aus der Mannigfaltigkeit seiner Produkte und Bildungen. Er hat es in dieser Lust seiner Tätigkeit nur mit sich zu tun. Zwar verwickelt mit der Naturbedingung, der inneren und äußeren, wird er an ihr nicht nur Widerstand und Hindernisse antreffen, sondern durch sie auch seine Versuche oft misslingen sehen und den Verwicklungen, in die er durch sie oder durch sich versetzt wird, oft unterliegen. Aber er geht so in seinem Berufe und in seiner Wirksamkeit unter und gewährt auch so noch das Schauspiel, als geistige Tätigkeit sich bewiesen zu haben.

      Der Geist handelt wesentlich, er macht sich zudem, was er an sich ist, zu seiner Tat, zu seinem Werk; so wird er sich Gegenstand, so hat er sich als ein Dasein vor sich. So der Geist eines Volkes: Er ist ein bestimmter Geist, der sich zu einer vorhandenen Welt erbaut, die jetzt steht und besteht, in seiner Religion, in seinem Kultus, in seinen Gebräuchen, seiner Verfassung und seinen politischen Gesetzen, im ganzen Umfang seiner Einrichtungen, in seinen Begebenheiten und Taten. Das ist sein Werk, – das ist dies Volk. Was ihre Taten sind, das sind die Völker. Ein jeder Engländer wird sagen: Wir sind die, welche den Ozean beschiffen und den Welthandel besitzen, denen Ostindien gehört und seine Reichtümer, welche Parlament und Geschworenengerichte haben usf. – Das Verhältnis des Individuums dazu ist, dass es sich dieses substantielle Sein aneigne, dass dieses seine Sinnesart und Geschicklichkeit werde, auf dass es etwas sei. Denn es findet das Sein des Volkes als eine bereits fertige, feste Welt vor sich, der es sich einzuverleiben hat. In diesem seinem Werke, seiner Welt genießt sich nun der Geist des Volkes und ist befriedigt.

       Das Volk ist sittlich, tugendhaft, kräftig, indem es das hervorbringt, was es will, und es verteidigt sein Werk gegen äußere Gewalt in der Arbeit seiner Objektivierung. Der Zwiespalt dessen, was es an sich ist, subjektiv, in seinem inneren Zweck und Wesen, und was es wirklich ist, ist gehoben; es ist bei sich, es hat sich gegenständlich vor sich. Aber so ist diese Tätigkeit des Geistes nicht mehr nötig, er hat, was er will. Das Volk kann noch viel tun in Krieg und Frieden, im Innern und Äußern, aber es ist gleichsam die lebendige, substantielle Seele selbst nicht mehr in Tätigkeit. Das gründliche, höchste Interesse hat sich darum aus dem Leben verloren; denn Interesse ist nur vorhanden, wo Gegensatz ist. Das Volk lebt so, wie das vom Manne zum Greisenalter übergehende Individuum, im Genuss seiner selbst, das gerade zu sein, was es wollte und erreichen konnte. Wenn seine Einbildung auch darüber hinausging, so hat es dieselbe als Zweck aufgegeben, wenn die Wirklichkeit sich nicht dazu darbot, und den Zweck nach dieser beschränkt. Diese Gewohnheit (die Uhr ist aufgezogen und geht von selbst fort) ist, was den natürlichen Tod herbeiführt. Die Gewohnheit ist ein gegensatzloses Tun, dem nur die formelle Dauer übrig sein kann, und in dem die Fülle und Tiefe des Zwecks nicht mehr zur Sprache zu kommen braucht, – eine gleichsam äußerliche, sinnliche Existenz, die sich nicht mehr in die Sache vertieft. So sterben Individuen, so sterben Völker eines natürlichen Todes; wenn letztere auch fortdauern, so ist es eine interesselose, unlebendige Existenz, die ohne das Bedürfnis ihrer Institutionen ist, eben weil das Bedürfnis befriedigt ist, – eine politische Nullität und Langeweile. Wenn ein wahrhaft allgemeines Interesse entstehen sollte, so müsste der Geist eines Volkes dazu kommen, etwas Neues zu wollen, – aber woher dieses Neue? Es wäre eine höhere, allgemeinere Vorstellung seiner selbst, ein Hinausgegangensein über sein Prinzip, – aber eben damit ist ein weiter bestimmtes Prinzip, ein neuer Geist vorhanden.

       Ein solches Neues kommt dann allerdings auch in den Geist eines Volkes, der zu seiner Vollendung und Verwirklichung gekommen ist. Er stirbt nicht bloß natürlichen Todes, denn er ist nicht bloß einzelnes Individuum, sondern geistiges, allgemeines Leben, an ihm erscheint vielmehr der natürliche Tod als Tötung seiner durch sich selbst. Der Grund, warum dies verschieden ist vom einzelnen, natürlichen Individuum, ist, weil der Volksgeist als eine Gattung existiert, daher das Negative seiner in ihm selbst, in seiner Allgemeinheit zur Existenz kommt. Gewaltsamen Todes kann ein Volk nur sterben, wenn es natürlich tot in sich geworden, wie z. B. die deutschen Reichsstädte, die deutsche Reichsverfassung.

      Der allgemeine Geist stirbt überhaupt nicht bloß natürlichen Todes, er geht nicht

Скачать книгу