Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte. Georg Wilhelm Friedrich Hegel

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Philosophie der Geschichte - Georg Wilhelm Friedrich Hegel gelbe Buchreihe

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nicht hatten, und wo die Last der Abgaben nicht so schwer war. So entstand neben Hamburg Altona, neben Frankfurt Offenbach, Fürth bei Nürnberg, Carouge neben Genf. In gleicher Weise verhält sich Nordamerika zu Europa. Viele Engländer haben sich daselbst festgesetzt, wo Lasten und Abgaben fortfallen, und wo die Anhäufung europäischer Mittel und europäischer Geschicklichkeit fähig waren, dem großen noch brachliegenden Boden etwas abzugewinnen. In der Tat bietet diese Auswanderung viele Vorteile dar, denn die Auswandernden haben vieles abgestreift, was ihnen in der Heimat beengend sein konnte, und bringen den Schatz des europäischen Selbstgefühls und der Geschicklichkeiten mit; und für die, welche anstrengend arbeiten wollen, und in Europa die Quellen dazu nicht fanden, ist in Amerika allerdings ein Schauplatz eröffnet.

       Amerika ist bekanntlich in zwei Teile getrennt, die zwar durch eine Landenge zusammenhängen, doch ohne dass dieses auch einen Zusammenhang des Verkehrs vermittelte. Beide Teile sind vielmehr aufs bestimmteste geschieden. – Nordamerika zeigt uns zuerst längs seiner östlichen Küste einen breiten Küstensaum, hinter dem ein Gebirgszug, – die blauen Gebirge oder die Apalachen, nördlicher die Alleganen –, sich erstreckt. Ströme, die von da ausgehen, bewässern die Küstenländer, welche von der vorteilhaftesten Beschaffenheit sind für die Nordamerikanischen Freistaaten, die sich hier ursprünglich gebildet haben. Hinter jenem Gebirgszug fließt im Zusammenhang mit ungeheuren Seen von Süden nach Norden der Lorenzstrom, an welchem die nördlichen Kolonien von Kanada liegen. Weiter westlich treffen wir auf das Bassin des ungeheuren Mississippi mit den Stromgebieten des Missouri und des Ohio, die er aufnimmt und sich dann in den Mexikanischen Meerbusen ergießt. Auf der westlichen Seite dieses Gebietes ist ebenso wieder ein langer Gebirgszug, der sich durch Mexiko und die Meerenge von Panama hindurchzieht und unter dem Namen der Anden oder Kordilleren die ganze Westseite von Südamerika abscheidet. Der dadurch gebildete Küstensaum ist schmaler und bietet weniger Vorteile dar als jener von Nordamerika. Es liegen da Peru und Chili. Auf der Ostseite fließen gen Osten die ungeheuren Ströme des Orinoko und des Amazonenstromes, sie bilden große Täler, die aber nicht zu Kulturländern geeignet sind, da sie vielmehr nur weite Steppen sind. Gegen Süden fließt der Rio de la Plata, dessen Zuflüsse ihren Ursprung zum Teil in den Kordilleren, zum Teil in dem nördlichen Gebirgsrücken haben, der das Gebiet des Amazonenstromes von dem seinigen scheidet. – Zum Gebiete des Rio de la Plata gehören Brasilien und die spanischen Republiken. Kolumbien ist das nördliche Küstenland von Südamerika, in dessen Westen längs der Anden der Magdalenenstrom sich in das Karaibische Meer ergießt. –

      Mit Ausnahme von Brasilien sind in Südamerika allgemein Republiken, wie in Nordamerika, entstanden. Vergleichen wir nun Südamerika, indem wir dazu auch Mexiko rechnen, mit Nordamerika, so werden wir einen erstaunlichen Kontrast wahrnehmen.

Grafik 176

      (Siehe Band 142 dieser gelben Buchreihe)

       In Nordamerika sehen wir das Gedeihen, sowohl durch ein Zunehmen von Industrie und Bevölkerung, durch bürgerliche Ordnung und eine feste Freiheit, die ganze Föderation macht nur einen Staat aus und hat ihre politischen Mittelpunkte. Dagegen beruhen in Südamerika die Republiken nur auf militärischer Gewalt, die ganze Geschichte ist ein fortdauernder Umsturz, föderierte Staaten fallen auseinander, andere verbinden sich wieder, und alle diese Veränderungen werden durch militärische Revolutionen begründet. Die näheren Unterschiede beider Teile Amerikas zeigen uns zwei entgegengesetzte Richtungen: der eine Punkt ist der politische, der andere die Religion. Südamerika, wo die Spanier sich niederließen und die Oberherrschaft behaupteten, ist katholisch, Nordamerika, obgleich ein Land der Sekten überhaupt, doch den Grundzügen nach protestantisch. Eine weitere Abweichung ist die, dass Südamerika erobert, Nordamerika aber kolonisiert worden ist. Die Spanier bemächtigten sich Südamerikas, um zu herrschen und reich, sowohl durch politische Ämter als Erpressungen, zu werden. Von einem sehr entfernten Mutterlande abhängend fand ihre Willkür einen größeren Spielraum, und durch Macht, Geschicklichkeit und Selbstgefühl gewannen sie ein großes Übergewicht über die Indianer. Die nordamerikanischen Freistaaten sind dagegen ganz von Europäern kolonisiert worden. Da in England Puritaner, Episkopalen und Katholiken in beständigem Widerstreit begriffen waren, und bald die einen, bald die andern die Oberhand hatten, wanderten viele aus, um in einem fremden Weltteile die Freiheit der Religion zu suchen. Es waren industriöse Europäer, die sich des Ackerbaues, des Tabak- und Baumwollenbaues usw. befleißigten. Bald trat eine allgemeine Richtung auf die Arbeit ein, und die Substanz des Ganzen waren die Bedürfnisse, die Ruhe, die bürgerliche Gerechtigkeit, Sicherheit, Freiheit und ein Gemeinwesen, das von den Atomen der Individuen ausging, so dass der Staat nur ein Äußerliches zum Schutze des Eigentums war. Von der protestantischen Religion ging das Zutrauen der Individuen gegeneinander aus, das Vertrauen auf ihre Gesinnung, denn in der protestantischen Kirche sind die religiösen Werke das ganze Leben, die Tätigkeit desselben überhaupt. Dagegen kann bei den Katholiken die Grundlage eines solchen Zutrauens nicht stattfinden, denn in weltlichen Angelegenheiten herrscht nur die Gewalt und freiwillige Unterworfenheit, und die Formen, die man hier Konstitutionen nennt, sind nur eine Nothilfe und schützen gegen Misstrauen nicht.

      Vergleichen wir Nordamerika noch mit Europa, so finden wir dort das perennierende Beispiel einer republikanischen Verfassung. Die subjektive Einheit ist vorhanden, denn es steht ein Präsident an der Spitze des Staates, der zur Sicherheit gegen etwaigen monarchischen Ehrgeiz nur auf vier Jahre gewählt wird. Allgemeiner Schutz des Eigentums und beinahe Abgabenlosigkeit sind Tatsachen, die beständig angepriesen werden. Damit ist zugleich der Grundcharakter angegeben, welcher in der Richtung des Privatmannes auf Erwerb und Gewinn besteht, in dem Überwiegen des partikularen Interesses, das sich dem Allgemeinen nur zum Behufe des eignen Genusses zuwendet. Es finden allerdings rechtliche Zustände, ein formelles Rechtsgesetz statt, aber diese Rechtlichkeit ist ohne Rechtschaffenheit, und so stehen denn die amerikanischen Kaufleute in dem üblen Rufe, durch das Recht geschützt zu betrügen. Wenn einerseits die protestantische Kirche das Wesentliche des Zutrauens hervorruft, wie wir schon gesagt haben, so enthält sie anderseits eben dadurch das Gelten des Gefühlsmoments, das in das mannigfaltigste Belieben übergehen darf.

Grafik 177

      (Band 144e in dieser gelben Buchreihe)

       Jeder, sagt man von diesem Standpunkte, könne eine eigne Weltanschauung, also auch eine eigne Religion haben. Daher das Zerfallen in so viele Sekten, die sich bis zum Extreme der Verrücktheit steigern, und deren viele einen Gottesdienst haben, der sich in Verzückungen und mitunter in den sinnlichsten Ausgelassenheiten kundgibt. Dieses gänzliche Belieben ist so ausgebildet, dass die verschiedenen Gemeinden sich Geistliche annehmen und ebenso wieder fortschicken, wie es ihnen gefällt; denn die Kirche ist nicht ein an und für sich Bestehendes, die eine substantielle Geistigkeit und äußere Einrichtung hätte, sondern das Religiöse wird nach besonderem Gutdünken zurechtgemacht. In Nordamerika herrscht die ungebändigtste Wildheit aller Einbildungen, und es fehlt jene religiöse Einheit, die sich in den europäischen Staaten erhalten hat, wo die Abweichungen sich nur auf wenige Konfessionen beschränken. Was nun das Politische in Nordamerika betrifft, so ist der allgemeine Zweck noch nicht als etwas Festes für sich gesetzt, und das Bedürfnis eines festen Zusammenhaltens ist noch nicht vorhanden, denn ein wirklicher Staat und eine wirkliche Staatsregierung entstehen nur, wenn bereits ein Unterschied der Stände da ist, wenn Reichtum und Armut sehr groß werden und ein solches Verhältnis eintritt, dass eine große Menge ihre Bedürfnisse nicht mehr auf eine Weise, wie sie es gewohnt ist, befriedigen kann. Aber Amerika geht dieser Spannung noch nicht entgegen, denn es hat unaufhörlich den Ausweg der Kolonisation in hohem Grade offen, und es strömen beständig eine Menge Menschen in die Ebenen des Mississippi. Durch dieses Mittel ist die Hauptquelle der Unzufriedenheit geschwunden, und das Fortbestehen des jetzigen bürgerlichen Zustandes wird verbürgt. Eine Vergleichung der nordamerikanischen Freistaaten mit europäischen Ländern ist daher unmöglich, denn in Europa ist ein solcher natürlicher Abfluss der Bevölkerung, trotz aller Auswanderungen, nicht vorhanden: hätten die Wälder Germaniens noch existiert, so wäre freilich die französische Revolution nicht ins Leben

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