Geliebter Unhold. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Geliebter Unhold - Billy Remie страница 45
»Tu nicht so, als müsste ich dich fürchten.«
Wie gern er ihm das Gegenteil bewiesen hätte, doch Xaith rührte sich nicht. Wieder lieferten sie sich ein Blickduell.
Jin legte schließlich mit sanfterem Blick flehend den Kopf schief. »Komm nach Hause, Xaith.«
»Damit sie mich anklagen können?«
»Damit sie sehen, dass alles Lügen sind.«
»Das stimmt aber nicht, es sind nicht alles Lügen, Jin.«
»Aber nichts ist so, wie sie denken, das weiß ich, weil ich dich kenne!« Jin schüttelte bedauernd den Kopf. »Du musst nach Hause gehen, du wirst gebraucht, du…«
»Du musst gehen«, schnitt Xaith ihm das Wort ab und sah ihn ernst an. »Das ist keine Bitte, Fenjin! Hier trennen sich unsere Wege. Keine Diskussion.«
Jin öffnete den Mund, schüttelte irritiert den Kopf. »Xaith, du weißt nicht, wie es in Nohva aussieht, du…«
»Ich weiß es und deshalb gehst du jetzt nach Hause und hältst mich nicht weiter auf«, erwiderte er unnachgiebig. »Du bist allein hierhergekommen, ich bin sicher, du findest von hier auch allein zurück.«
Doch Jin rührte sich nicht vom Fleck, er sah mit einer Mischung aus Bedauern und Flehen zu Xaith auf, wieder schüttelte er den Kopf, langsam dieses Mal, als versuchte er vergebens, ihn zu verstehen. »Das ist Wahnsinn und das weißt du, Xaith. Du kannst die Toten nicht zurückholen.«
Die Worte kamen so unerwartet, dass sie wie ein Pfeil in seine Brust einschlugen und ihn beinahe taumeln ließen. Unwillkürlich senkte Xaith den Blick, fühlte sich wie in die Magengrube geschlagen, sein Herz pumpte nicht mehr richtig das Blut durch seine Venen, es steckte ein Dolch darin. Seit acht verfluchten Jahren. Er wollte brüllen, die ganze Zeit, schlicht und ergreifend brüllen, bis ihm Brust und Schädel zerbarsten und der Druck in seinem Inneren, das Chaos, der Schmerz einfach verklangen.
Jin trat auf ihn zu, packte ihn ungefragt an den Schultern und rüttelte ihn sanft, als wollte er einen Wahnsinnigen zur Vernunft bringen. Vielleicht war dem auch so, vielleicht war er wirklich wahnsinnig, aber wen kümmerte das jetzt noch?
»Lass ab von diesem Plan!«, flehte Jin inständig. »Während du einem Hirngespinst nachrennst, wirst du zu Hause gebraucht! Du bist ein Prinz Nohvas, ein Sohn des Blutdrachen, wir brauchen dich! Wexmell braucht dich. Komm heim!«
Xaith schnaubte über ihn, gab Jins Brust einen sachten Stoß und sah zu, wie er zurücktaumelte. »Du bist so melodramatisch. Niemand braucht mich, ich wäre nur ein weiteres Risiko für Wexmells Herrschaft, ein weiteres schwarzes Schaf der M`Shiers.«
Es stand Unverständnis in Jins Blick, ebenso Verzweiflung. »Wir trauern alle, Xaith.«
Das war zu viel, er wandte sich ab. Der Kloß in seinem Hals drohte ihn zu ersticken.
»Jeder von uns begräbt irgendwann seine Eltern, so ist der Lauf der Dinge, du musst dich damit abfinden und deine Trauer bewältigen« - Jin eilte ihm auf dem Fuße nach - »und endlich aufhören, vor allem davonzulaufen! Lass dich von anderen trösten!«
»Was weißt du schon von Trauer?«, sagte er erbost über die Schulter. Wo wollte er eigentlich hin? Er wusste es nicht, nur fort von diesem Mann.
»Siehst du, du läufst schon wieder davon!«
Was für ein nervtötender Klugscheißer er doch geworden war. »Lass es endlich gut sein.«
»Nein!«
»Lass mich in Ruhe!«
»Das ist das Problem, alle lassen dich immer nur in Ruhe. Aber ich werde nicht zusehen, wie du wieder wegläufst! Du musst dich dem Schmerz stellen! Du bist damit nicht allein!«
Xaith ging einfach weiter, jedes weitere Wort hätte den Rotschopf nur noch mehr angespornt, auf ihn einzureden.
»Mein Vater ist auch tot, Xaith.«, verkündete Jin schließlich.
Xaith stolperte beinahe über seine eigenen Füße, blieb wie angewurzelt stehen, drehte sich aber nicht um. In seinem Kopf herrschte plötzlich Leere.
Jin ließ hörbar die Arme fallen, seine Stimme wurde milder. »Er starb bei einem Aufstand, als Hexenjäger die Festungsstadt stürmten. Sie… haben das Königliche Kontor überfallen, nachdem Wexmell die Hinrichtung einer Hexe vereitelt hat. Mein Vater hat versucht, sie aufzuhalten, aber er war kein Kämpfer. Sie haben ihn ermordet.«
Es ist mir egal, sagte Xaith sich vor. Aber nein, das war es nicht, es wollte ihm egal sein, aber er spürte unwillkürlich Mitgefühl und Bedauern, auch wenn Jins Vaters nie auch nur ein Wort mit ihm gewechselt hatte, ihn sogar immer mit angstgeweiteten Augen angestarrt hatte, vor allem nach dem Vorfall mit seiner Mutter. Doch er war der Krone ein guter, treuer Mann gewesen, Xaiths Väter hatten ihn geschätzt.
Außerdem… wusste er, was Jin durchmachte.
Xaith ballten nervös die Hände zu Fäusten, ließ wieder locker, ballte sie wieder.
»Es herrscht Krieg zwischen Magiern und Hexenjägern, Xaith. Und du bist ein Magier!«
»Es ist trotzdem nicht mein Krieg«, konterte er, denn er wollte nichts damit zu tun haben. Es war eine Sache, für sich selbst zu kämpfen, wenn man es musste, eine andere, mit Kriegern in eine Schlacht zu ziehen oder auf einem Pferd zu sitzen und zuzusehen, wie andere für einen starben.
Das Letzte, was er wollte, war in einem Krieg zu kämpfen.
Jin trat auf ihn zu, seine ruhige Präsenz kam vorsichtig näher. »Ich weiß, dass es schwer ist, ich weiß, wie sehr es schmerzt, wie allein und wie haltlos du dich fühlst. Gerade du, der dem Vater so nahestand. Er war alles, was du hattest. Aber du bist trotzdem sein Sohn, auch wenn er tot ist. Du bist ein Sohn Nohvas, ein Prinz Nohvas, und ein Magier. Es ist dein Krieg.«
Xaith schloss die Augen, kämpfte gegen seine Gefühle an. Bloß nicht auf dieses schwarze, tiefe Loch einlassen, das ihn von innen heraus zu verschlingen drohte.
»Er hat dich geliebt, Xaith, glaubst du wirklich, er wollte, dass du dein Leben vergeudest, indem du versuchst, ihm seinen Frieden zu stehlen?«
Xaith fuhr zu ihm herum, das Herz in der Brust schlug wild und sein Gesicht war eisig. »Rührende Geschichte, Jin.« Jin wich verwundert zurück. »Aber was mit deinem Vater geschehen ist, ist nur ein weiterer Grund für mich, das hier zu Ende zu bringen«, erklärte er entschlossen. »Mein Vater muss das ganze Chaos wieder richten.«
Ihm antwortete eine gerunzelte Stirn, die von Bedauern zeugte.
Xaith wandte sich ab. »Geh jetzt nach Hause, Jin.«
So leicht würde er sich nicht manipulieren lassen. Er wusste, dass er für verrückt gehalten wurde, er wusste um die Angst, die seine Forschungen in Nohva verursacht hatten, aber auch wenn sich die ganze Welt fürchtete und auch, wenn alle glaubten, er folgte einem Hirngespinst und experimentiere mit dämonischen Zaubern, er würde es schaffen! Und dann, da war er sicher, würde alles wieder gut werden.
Ja,