Geliebter Unhold. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Geliebter Unhold - Billy Remie страница 43
Er wollte die Stirn gegen die Wand schlagen.
Du hast es vermasselt, Jin.
Er runzelte die Stirn, als er den Kopf für einen Moment in den Nacken legte und sein eigenes, unbedeutendes Schicksal beklagen wollte, denn plötzlich bemerkte er die gähnende Stille.
Einen langen Moment hielt er ruhig, hörte sogar zu atmen auf, um ganz sicherzugehen. Nur das leise Zwitschern einiger Vögel war zu hören, was bedeutete, dass die Tiere in die nähere Umgebung zurückgekehrt waren.
War er so in Gedanken versunken gewesen, dass ihm nicht aufgefallen war, wie das Beben und Kreischen abgebrochen war?
Offensichtlich, aber das war auch nicht das erste Mal, dass ihn die Grübeleien über Vaaks´ Ziehbruder derart eingenommen hatten, dass um ihn herum die gesamte Welt in die Ferne rückte und er wie in einem dunklen Raum saß, ausgefüllt von Gedanken über Xaith.
Aber nun war es tatsächlich still.
Jin wagte es, sich zu bewegen, die zimtbraunen Augen auf die Deckendielen gerichtet. Etwas Licht fiel hindurch, erkämpfte sich seinen Weg ins Gewölbe und streifte sein von Sommersprossen übersätes Gesicht.
»Xaith?«, flüsterte er und blickte zu den anderen hinüber, die noch immer tief und erschöpft schliefen, wie junge Wölfe im Rudel – alle aufeinander.
Ein süßes Bild, ein herzerwärmender Anblick, der Jin immer wieder lächeln ließ.
Das bist du wirklich, dachte er über Xaith, dieser Kerl dort, der mit einem Jungen kuschelt, der ihm eine Schulter bietet, der Wärme zu geben hat. Du bist nicht das Monster, zudem alle dich machen wollten.
Nein, dachte Jin grimmig, Xaith war es nicht, sein Bruder Riath war es.
»Xaith?«, flüsterte er wieder und kroch über den Boden zu der Gruppe hinüber. »Xaith, ich glaube, es ist weg.«
Keine Rührung, flache, tiefe Atmung. Xaith sah so müde aus, nicht nur körperlich, selbst im Schlaf hing ihm ein dicker Mantel Schwermut an, sein Gesicht war eine hagere, düstere Maske voller Trauer.
Jin zog es das Herz in der Brust zusammen, er hob mitfühlend einen Mundwinkel und streckte seine Hand aus, um Xaith eine schwarze Strähne aus der Stirn zu streichen. Just in diesem Augenblick schnappte Xaith schnell wie eine Schlange zu. Nicht mit dem Mund, zum Glück, seine Fänge wären schmerzhaft gewesen, doch sein fester Griff, der sich um Jins Handgelenk zusammenzog, war alles andere als angenehm. Haut klatschte auf Haut und durchbrach die Stille. Feurige, geschlitzte Drachenaugen sahen hart und drohend in Jins Gesicht, bohrten sich wie flammende Dolche in seinen Blick.
Für einen Moment verharrten sie so, Jins Herz schlug so wild in seiner Brust, dass er kaum zu atmen vermochte, weshalb er ihn zitternd aus den Lungen entließ. Xaith war so… warm.
Xaiths Gesicht wurde etwas weicher, als er Jin erkannte, doch um seinen Mund veränderten sich die grimmigen Züge nicht.
»Was ist?«, fragte er mit rauer, barscher Stimme.
»Ich… ich glaube«, stammelte Jin geflüstert. Warum flüsterte er? »Ich glaube, das Vieh ist weg, die Vögel sind zurück und es ist still.«
In diesem Moment schien auch Xaith die Stille zu bemerken, er runzelte die Stirn und lauschte angestrengt, seine Augen flogen über die Decke.
»Hmm, stimmt.« Er ließ so abrupt Jins Handgelenk los, dass dieser in der Hocke taumelte und beinahe auf den Hintern geplumpst wäre. Xaith stand auf, ungeachtet aller anderen, die ihm so nahe waren, als wäre er ihr Mittelpunkt, ihr Herz. Und er verließ sie ohne Rücksicht.
Der fremde Junge wäre beinahe mit dem Gesicht auf den Boden geschlagen, wäre er nicht vorher mit einem Ruck erwacht und hätte sich verwirrt aufgerichtet. Das Kind quengelte kurz, schien dann aber weiterzuschlafen.
Wem gehörte dieses Kind eigentlich?
Jin hatte Gerüchte gehört über Riath und seine Angelegenheiten in Carapuhr, immerhin war Jin immer in dessen Nähe gewesen, war ihm gefolgt und hatte gehört, was Prinz Desith und Prinz Vynsu in Carapuhr aufgedeckt hatten. Doch konnte es wirklich sein, dass dieses Kind Riaths Sohn war, der aus dem Geburtenhaus gestohlen wurde?
»Du hättest mich nicht einschlafen lassen dürfen!«, murrte Xaith.
Jin riss den Blick von den beiden Kindern los und sah auf. Xaith stand mit dem Profil zu ihm, groß, schlank, überragend. Vielleicht ein wenig zu überragend. Jin bemerkte, dass er noch immer auf dem Boden saß und brachte sich so schnell auf die Beine, dass er taumelte.
So »perfekt«, wie Xaith ihn immer beschimpft hatte, war er nun wirklich nicht, grundsätzlich gelang es Jin, sich in jedweder Situation zu blamieren.
Ärgerlich musterte Xaith ihn, als ermüdete ihn Jins bloße Anwesenheit.
»Ich… ich dachte, du brauchst etwas Schlaf«, erklärte Jin, nachdem er sich wieder auf die Frage besinnt hatte, die im Raum stand. »Du siehst erschöpft auf.« Sorgenvoll streckte er eine Hand aus und wollte Xaith berühren. Dummer Fehler, er hatte es vergessen, Xaith mochte es überhaupt nicht, angefasst zu werden.
Er wich aus, zischend wie eine Schlange. »Du hättest mich wecken müssen!« Xaith wandte sich ab, ging zur Luke, unter der eine Leiter mit morschen Stufen stand.
Jin sah ihm nach, seine Schultern sanken hinab. Seit er Xaith endlich gefunden hatte, leistete er sich einen Fehler nach dem anderen.
So wie Xaith in den Augen anderer nie etwas richtig machen konnte, so konnte auch niemand bei ihm je etwas richtig machen.
Der Papagei rief, was man ihm entgegenschrie. Altes Sprichwort, neu interpretiert.
*~*~*
Xaith drückte die Luke einen Spalt auf. Warmes Tageslicht prickelte auf seiner Haut, die Kreatur hatte eine Schneise in den Urwald geschlagen. Bäume und Trümmer versperrten ihm größtenteils die Sicht, er sah ein paar bunte Vögel und spürte die Präsenz anderer Wildtiere in der näheren Umgebung. Hinter ihm versammelte sich eine Schlange aus Menschen. Zu viele Menschen, wenn er bedachte, dass er diese Reise eigentlich allein angetreten hatte – und wie gefährlich sie war.
Gut, den Jungen hatte er sich selbst angelacht, und er musste gestehen, es war entspannt mit einem Diener, dem man kleine Drecksarbeiten – Feuerholz sammeln, Wache schieben, Pferd putzen und tränken, solcherlei – überauftragen konnte. Und das Neugeborene war ein notwendiges Übel. Die zwei hatte er sich selbst ausgesucht, aber Jin?
Warum ausgerechnet Jin?
Es war, als wollte das Schicksal ihm noch einmal gründlich in die Fresse hauen. Er musste den Rotschopf wieder loswerden, ganz dringend, bevor die Vergangenheit wieder hochkam. Wobei sie ihn bereits einzuholen drohte, er fühlte sich wieder genau wie damals. Dieser Neid, diese tiefsitzende, dunkle Eifersucht auf einfach alles, was Jin verkörperte. Schönheit, Sanftheit, Freundlichkeit. Das Wissen, dass er der Diamant unter Steinen war und er der bessere Gefährte für Vaaks war. Zudem waren Vaaks und Jin beides Menschen, kurzlebig, wurden schnell alt,