Lourdes. Emile Zola

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Lourdes - Emile Zola страница 11

Автор:
Серия:
Издательство:
Lourdes - Emile Zola

Скачать книгу

erteilten. Es genügte ihm zu wissen, daß sie geheilt werden konnte. Er hätte sie bis an das Ende der Welt begleitet.

      Ach, jene letzten Tage in Paris, in welcher Aufregung hatte er sie verbracht! Der nationale Pilgerzug war zum Aufbruch bereit. Er war auf den Gedanken verfallen, Marie in das Hospital aufnehmen zu lassen, um die großen Kosten zu ersparen. Dann hatte er seinen eigenen Eintritt in die Hospitalität von NotreDame de Salut durchgesetzt. Herr von Guersaint brannte vor Verlangen, die Pyrenäen kennenzulernen. Im übrigen bekümmerte er sich um gar nichts, nahm es ruhig an, daß der junge Priester für ihn die Reise bezahlte und sich seiner wie eines Kindes annahm. Seine Tochter Blanche hatte ihm noch im letzten Augenblicke ein Zwanzigfrankstück zugesteckt. Er hielt sich daher für reich. Die arme, heldenmütige Blanche besaß einen verborgenen Schatz, fünfzig Frank Ersparnisse, die man hatte annehmen müssen, denn auch sie wollte etwas zur Heilung ihrer Schwester beitragen. Sie konnte nicht mitreisen, da sie durch ihre Stunden in Paris zurückgehalten war, indes die Ihrigen in weiter Ferne in dem Zauberbanne der Wundergrotte auf den Knien lagen. So war man abgefahren und rollte nun dahin, rollte rastlos immer weiter.

      Auf der Station Châtellerault riß ein lautes Stimmengewirr Pierre aus seinen Träumen. Was gab es denn? War man schon in Poitiers angekommen? Aber es war ja kaum Mittag, und Schwester Hyacinthe hatte das Angelus beten und dreimal drei Ave wiederholen lassen. Die Stimmen verhallten, ein neuer Gesang hob an und wurde nach und nach zu einem Klageliede. Noch fünfundzwanzig lange Minuten dauerte es, ehe man nach Poitiers kam. Dort sollte ein halbstündiger Aufenthalt den Leidenden Erleichterung verschaffen. Alle befanden sich in sehr trauriger Verfassung in dem verpesteten, glühendheißen Wagen. Tränen rollten über die Wangen der Frau Vincent, ein leiser Fluch war dem sonst so geduldigen Herrn Sabathier entschlüpft, während der Bruder Isidor, die Grivotte und Frau Vêtu gar nicht mehr zu leben schienen und Trümmerstücken glichen, die von der Flut mit fortgerissen wurden. Marie hatte ihre Augen geschlossen und gab keine Antwort mehr; sie wollte sie nicht wieder öffnen, da der entsetzliche Anblick des Gesichtes der Elise Rouquet, der für, sie das Bild des Todes war, sie unablässig verfolgte. Und während der Zug, der diese menschliche Verzweiflung mit sich führte, unter dem gewitterschwangeren Himmel dahinbrausend seine Geschwindigkeit vergrößerte, wurden alle in einen neuen Schrecken versetzt. Der Mann atmete nicht mehr, eine Stimme rief, er habe seinen Geist aufgegeben.

       III

      Als der Zug in Poitiers anhielt, beeilte sich Schwester Hyacinthe, auszusteigen. Die Bahnbediensteten öffneten die Türen. Die Pilger stürzten ins Freie.

      »Wartet, wartet!« wiederholte sie immer von neuem. »Laßt mich zuerst heraus, ich will nachsehen, ob es ganz aus mit ihm ist.«

      Als sie in die andere Abteilung eingestiegen war, richtete sie den Kopf des Mannes in die Höhe; anfangs glaubte sie, daß er in der Tat hinübergegangen wäre, als sie ihn bleich und mit leeren Augen daliegen sah. Aber sie fühlte noch ein schwaches Atmen.

      »Nein, nein! Er atmet noch! Schnell, wir müssen uns beeilen!«

      Und als sie die andere Schwester bemerkte, die an diesem Ende des Wagens ihres Amtes waltete, rief sie:

      »Ich bitte Sie, Schwester Claire des Anges, holen Sie schnell den Pater Massias herbei, er muß im dritten oder vierten Wagen sein. Sagen Sie ihm, daß wir einen Kranken haben, der in großer Gefahr schwebt; er soll sogleich das geweihte Öl bringen.«

      Ohne zu antworten, verschwand die Schwester in dem Gewühle. Sie war klein, fein und zart, mit stillen Gesichtszügen und Märchenaugen und dabei unermüdlich tätig.

      Pierre, der in der andern Abteilung stand und dem Vorgange gefolgt war, erlaubte sich eine Bemerkung.

      »Sollte man nicht vielleicht auch den Arzt holen?«

      »Gewiß, ich dachte auch schon daran«, antwortete Schwester Hyacinthe. »Oh, Herr Abbé, würden Sie wohl so liebenswürdig sein und selbst zu ihm laufen?«

      Pierre war gerade im Begriff, in die Kantine im Packwagen zu gehen, um für Marie eine Bouillon zu holen. Die Kranke, die sich etwas leichter fühlte, seitdem sie nicht mehr hin und her geschüttelt wurde, hatte die Augen geöffnet und sich von ihrem Vater in die Höhe setzen lassen. Sie hätte gar zu gerne gehabt, wenn man sie nur einen Augenblick an die frische Luft getragen hätte. Aber sie fühlte, daß dies zuviel verlangt wäre, daß es zuviel Mühe machen würde, sie dann wieder in den Wagen hineinzuschaffen. Herr von Guersaint, der wie die meisten Pilger und Kranken in dem Wagen gefrühstückt hatte, blieb in der Nähe der offenstehenden Wagentür, um eine Zigarette zu rauchen, während Pierre in die Kantine im Packwagen eilte, wo sich der diensthabende Arzt aufhielt.

      In dem Wagen waren noch andere Kranke geblieben, die man unmöglich hätte herausschaffen können. Die Grivotte hatte Erstickungsanfälle und phantasierte. Sie hielt auch Frau von Jonquière im Wagen fest, die sich mit ihrer Tochter Raymonde, mit Frau Volmar und Frau Desagneaux am Büfett verabredet hatte, um dort zusammen zu frühstücken. Aber wie konnte sie dieses unglückliche Geschöpf, das im Todeskampfe zu liegen schien, ganz allein auf der harten Bank lassen? Herr Sabathier erwartete, an seinen Platz festgeschmiedet, seine Gattin, die fortgegangen war, um ihm eine Weintraube zu holen, während Martha ihren Bruder nicht verließ, dessen leises Wehklagen noch immer fortdauerte. Die anderen, die gehen konnten, drängten nach den Türen hin, um auszusteigen, in der Absicht, nach siebenstündiger Fahrt nur einen kurzen Augenblick aus diesen Wagen voll Jammer und Elend herauszukommen. Frau Maze war sofort beiseite geschlichen und hatte einen einsamen Winkel des Bahnhofs aufgesucht, wo sie sich wieder in ihre Melancholie vergrub. Ganz stumpfsinnig vor Schmerz hatte Frau Vêtu die Kraft besessen, einige Schritte zu tun und sich im vollen Sonnenscheine, dessen Brennen sie nicht einmal fühlte, auf eine Bank zu setzen, während Elise Rouquet, die ihr Gesicht wieder mit dem schwarzen Tuche umwickelt hatte, einen Brunnen suchte, von dem Verlangen nach frischem Wasser verzehrt. Frau Vincent wandelte, ihre kleine Rose auf dem Arm, mit langsamen Schritten auf und ab, lächelte zärtlich auf sie herab und suchte sie zu erheitern, indem sie ihr rohbemalte Bilder zeigte, die das schwerkranke Kind anstarrte, ohne etwas davon zu sehen.

      Indessen hatte Pierre die größte Mühe, sich durch die Menschenmenge, die den Bahnsteig überflutete, einen Weg zu bahnen. Mehr als tausend Menschen wogten hin und her und drängten sich mühsam aneinander vorbei. Jeder Wagen hatte seine elenden Insassen herausgelassen, wie ein Hospitalssaal, den man ausräumt. Man konnte jetzt sehen, welch eine entsetzliche Menge von Leiden dieser schreckliche weiße Zug mit sich führte. Hier schleppten sich einige Kranke mühsam fort, dort wurden andere getragen und viele blieben auf dem Perron eng zusammengedrückt liegen. Schreie wurden laut und heftige Rufe, und ununterbrochen gab es ein Hasten und Drängen nach der Bahnhofsrestauration. Jeder beeilte sich, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Er war so kurz, dieser Aufenthalt von einer halben Stunde, der einzige, den man bis nach Lourdes haben sollte. Den einzig heiteren, erbaulichen Anblick mitten unter den schwarzen Soutanen, den abgetragenen Kleidern der armen Leute, die keine bestimmte Farbe mehr hatten, bot das lachende Weiß der kleinen Schwestern von Mariä Himmelfahrt, die in ihren schneeigen Hauben, Schleiern und Schürzen geschäftig hin und her eilten.

      Als Pierre endlich an den Kantinenwagen in der Mitte des Zuges kam, fand er ihn vollständig umlagert. Ein Petroleumherd befand sich dort und eine kleine Kücheneinrichtung. Die Bouillon, aus konzentrierter Brühe hergestellt, kochte in schmiedeeisernen Töpfen. Von der in Flaschen eingeschlossenen kondensierten Milch war nur so viel verdünnt und genießbar gemacht worden, als wirklich gebraucht wurde. Verschiedene andere Vorräte waren auf Brettern aufgestapelt, Biskuit, Früchte und Schokolade. Aber beim Anblick der vielen Hände, die sich ihr gierig entgegenstreckten, verlor die Schwester SaintFrançois, die mit der Leitung der Küche betraut war, eine kleine, dicke Frau von fünfundvierzig Jahren, von gutem, frischen Aussehen, den Kopf. Sie mußte die Verteilung fortsetzen, während sie

Скачать книгу