Lourdes. Emile Zola

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Lourdes - Emile Zola страница 12

Автор:
Серия:
Издательство:
Lourdes - Emile Zola

Скачать книгу

eine andere an ihren Platz treten, da sie selbst nach dem Unglücklichen sehen wollte.

      »Liebe Schwester, ich bin auch hierhergekommen, um Sie um eine Bouillon für eine Kranke zu bitten.«

      »Gut, Herr Abbé. Ich werde sie bringen. Gehen Sie nur voraus.«

      Der Arzt und der Abbé beeilten sich, und tauschten unterwegs rasch einige Fragen und Antworten aus. Ihnen folgte Schwester SaintFrançois, welche die Tasse Bouillon vorsichtig durch die Menschenmenge trug. Der Arzt war ein brünetter Mann von ungefähr achtundzwanzig Jahren, mit dem Kopfe eines jungen römischen Cäsaren, eine Gestalt, wie sie noch den sonnenverbrannten Gefilden der Provence entsproßt. Sobald Schwester Hyacinthe ihn erblickte, rief sie erstaunt aus:

      »Wie, Sie sind es, Herr Ferrand?«

      Sie waren beide auf das höchste verwundert über dieses Zusammentreffen. Die Schwestern von Mariä Himmelfahrt haben die schwere Aufgabe, Kranke zu pflegen, und zwar nur die armen Kranken, die nicht zahlen können, die in elenden Dachkammern mit dem Tode ringen. Sie richten sich häuslich ein in der Nähe des armseligen Lagers, leisten den Kranken alle erdenklichen Dienste, besorgen die Küche und die Haushaltung und leben als Dienerinnen und als Verwandte bis zur Genesung oder bis zum Tode des Kranken. So hatte sich auch eines Tages Schwester Hyacinthe mit ihrem jugendfrischen, milchweißen Gesicht des jungen Mediziners, der damals noch studierte und von einem typhösen Fieber befallen war, angenommen. Wegen seiner großen Armut bewohnte er in der Rue de Four ein kellerartiges Loch, das nicht geheizt werden konnte. Sie hatte ihn nicht mehr verlassen, sie hatte ihn gerettet in ihrer Leidenschaft, für andere zu leben, sie, die einst als kleines Mädchen an einer Kirchentüre gefunden worden war, und die keine andere Familie hatte als die Leidenden, denen sie sich widmete mit ihrem heißen Verlangen nach Liebe. Und welch köstlicher Monat folgte dann, welch vortreffliche Kameradschaft in diesem reinen, durch das Leiden herbeigeführten geschwisterlichen Verhältnisse! Wenn er sie »liebe Schwester« nannte, so war es wirklich seine Schwester, mit der er sprach. Sie war aber zugleich auch seine Mutter, die ihn in die Höhe richtete und wieder in die Kissen bettete wie ihr Kind, ohne daß irgendein anderes Band zwischen ihnen bestanden hätte als wie das innigste Mitleid, die göttliche Liebe der Barmherzigen.

      »O Schwester Hyacinthe! Schwester Hyacinthe!« flüsterte er entzückt.

      Ein Zufall hatte sie einander wieder zu Gesicht gebracht; denn Ferrand war kein Gläubiger, und wenn er sich hier befand, so kam das nur daher, daß er in der letzten Minute sich bereit erklärt hatte, für einen Freund einzuspringen, der plötzlich verhindert worden war. Seit beinahe einem Jahre war er Assistenzarzt an der Pitié

      Die Freude des Wiedersehens ließ sie den Kranken vergessen. Sie faßte sich zuerst wieder.

      »Sehen Sie, Herr Ferrand, hier ist der arme Mensch! Wir hielten ihn schon einen Augenblick für tot ... Seit Amboise macht er uns viel Sorge und Angst, und ich habe soeben nach dem geweihten Öle geschickt ... Glauben Sie auch, daß es so schlimm mit ihm steht? Können Sie ihm nicht etwas Lebenskraft einflößen?«

      Der junge Arzt untersuchte ihn. Die Teilnahme der anderen Kranken, die in dem Wagen geblieben waren, wurde wach. Marie, der Schwester SaintFrançois die Tasse Bouillon gereicht hatte, hielt sie mit so heftig zitternder Hand, daß Pierre sie ihr wieder abnehmen und versuchen mußte, ihr den Trank einzuflößen. Aber sie konnte nicht trinken. Ihre Augen ruhten starr und in banger Erwartung auf dem Manne, gleich als ob es sich um ihr eigenes Leben gehandelt hätte.

      »Sagen Sie mir«, sagte Schwester Hyacinthe von neuem, »wie finden Sie ihn? Welche Krankheit hat er?«

      »Oh, welche Krankheit!« murmelte Ferrand. »Er hat alle möglichen.«

      Dann zog er ein kleines Fläschchen aus seiner Tasche und versuchte dem Kranken einige Tropfen durch die fest aufeinander gepreßten Zähne einzuflößen. Dieser stieß einen Seufzer aus, hob die Augenlider langsam in die Höhe und ließ sie gleich wieder niederfallen. Dies war alles, sonst gab er kein anderes Lebenszeichen.

      Schwester Hyacinthe, die so gefaßt war und niemals in Verzweiflung geriet, wurde ungeduldig.

      »Das ist schrecklich, und Schwester Claire des Anges kommt auch gar nicht zurück! Ich habe ihr doch ganz genau den Wagen des Paters Massias bezeichnet ... Mein Gott! was sollen wir nur machen?«

      Schwester SaintFrançois schickte sich an, in ihren Küchenwagen zurückzukehren, da sie sah, daß sie hier unnötig war. Vorher fragte sie jedoch, ob der Kranke nicht vielleicht nur vor Hunger stürbe. Das käme vor, und sie wäre nur hierhergekommen, um ihre Vorräte anzubieten. Als sie fortging, versprach sie, Schwester Claire des Anges zur Eile antreiben zu wollen, wenn sie ihr zufällig begegnen würde. Sie war noch nicht zwanzig Meter weit entfernt, als sie sich umdrehte und mit der Hand auf die Schwester wies, die mit kleinen und geräuschlosen Schritten zurückkehrte.

      An die Tür gelehnt rief Schwester Hyacinthe mit verstärkter, hastiger Stimme:

      »So beeilen Sie sich doch! So beeilen Sie sich doch ... Nun, und Pater Massias?«

      »Er ist nicht da!«

      »Wie? Er ist nicht da?«

      »Nein. Man kann unmöglich vorwärtskommen durch die Menschenmasse. Als ich endlich den Wagen erreichte, war Pater Massias schon ausgestiegen und vom Bahnhof weggegangen.«

      Der Pater müsse, wie man ihr erzählt habe, eine Zusammenkunft mit dem Kurat von SainteRadegonde verabredet haben. In den früheren Jahren hätte der nationale Pilgerzug hier einen Aufenthalt von vierundzwanzig Stunden gehabt. Man hatte die Kranken in das Hospital in der Stadt gebracht und sich in Prozession nach SainteRadegonde begeben. Dieses Jahr wäre jedoch ein Hindernis eingetreten, der Zug führe direkt bis Lourdes. Der Pater wäre sicher dort und spräche mit dem Kuraten, mit dem er etwas zu verhandeln hätte.

      »Man hat mir versprochen, ihm den Auftrag auszurichten und ihn mit dem geweihten Öle herzuschicken, sobald man ihn finden würde.«

      Das war ein wirkliches Unglück für Schwester Hyacinthe. Da die Wissenschaft nicht helfen konnte, so hätte vielleicht das geweihte Öl dem Kranken Erleichterung verschafft. Sie hatte das schon oft gesehen.

      »Oh, liebe Schwester, liebe Schwester! Was habe ich für Kummer und Sorge ... Würden Sie vielleicht so liebenswürdig sein und noch einmal hingehen und auf den Pater Massias warten, damit Sie ihn mir gleich bringen können, wenn er zurückkommt?«

      »Ja, liebe Schwester«, antwortete Schwester Claire bereitwillig und machte sich mit ihrer ernsten, geheimnisvollen Miene wieder auf den Weg, indem sie sich geschmeidig durch die Menschenmenge wand.

      Ferrand war untröstlich darüber, daß er der Schwester Hyacinthe nicht die Freude bereiten konnte, ihn wieder zu beleben. Als er sein Unvermögen durch eine bedauernde Geste zu erkennen gab, bat sie flehentlich:

      »Bleiben Sie bei mir, Herr Ferrand, warten Sie, bis der Pater kommt ... Ich werde dann etwas ruhiger sein.«

      Er blieb, er half ihr den Mann wieder in die Höhe richten, wenn er von der Bank herunterrutschen wollte. Das Warten zog sich lange hinaus unter dem Unbehagen der in dem Wagen zurückgebliebenen Kranken und der Neugierde derjenigen, die sich draußen anzusammeln begannen.

      Ein junges Mädchen drängte lebhaft durch die Menge und wendete sich, auf das Trittbrett steigend, an Frau von Jonquière:

      »Warum kommst du denn nicht, Mama? Die Damen warten mit dem Essen auf dich.«

      Es war

Скачать книгу