Vom Winde verweht. Margaret Mitchell
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»Du meine Güte, nein, Kapitän Butler! Das Lazarettkomitee brauchte uns im letzten Augenblick für diese Bude ... ein Kissenbezug gefällig? Hier ist ein sehr schöner, mit einer Flagge darauf.« Sie wandte sich an drei Kavalleristen, die vor ihrer Auslage auftauchten. Einen Augenblick schoß es Melanie durch den Sinn, wie nett Kapitän Butler doch sei. Dann kam ihr der Wunsch dazwischen, es möchte eine festere Schutzwand als der dünne Dekorationsstoff zwischen ihrem Rock und dem Spucknapf sein, der gerade an der Außenseite ihrer Bude stand: mit ihrem bernsteinfarbenen Tabaksaft zielten die Reiter nicht immer so unfehlbar wie mit ihren langen Sattelpistolen. Dann vergaß sie den Kapitän, Scarlett und den Spucknapf über anderen Kunden, die sich herandrängten. Scarlett saß still auf ihrem Hocker und wagte nicht aufzublicken. Sie wünschte Butler zurück an das Deck seines Schiffes, wohin er gehörte.
»Ist Ihr Mann schon lange tot?« »0 ja, schon fast ein Jahr.« »Das ist ja ein Aon!«
Scarlett wußte nicht, was ein Aon sei. Aber der Spott ihres Peinigers war nicht mißzuverstehen. Sie schwieg.
»Waren Sie lange verheiratet? Verzeihen Sie meine Frage, aber ich war so lange nicht in dieser Gegend.«
»ZweiMonate«, antwortete Scarlett widerwillig.
»Darum ist es nicht minder traurig«, fuhr er beharrlich fort.
»Hol ihn der Teufel!« dachte sie zornig. »Wäre er ein anderer, so könnte ich ihn einfach eiskalt behandeln und wegschicken. Aber er weiß von Ashley, und daß ich Charlie nicht geliebt habe.« Sie sagte nichts und blickte auf ihren Fächer nieder.
»Sie sind heute zum erstenmal wieder in Gesellschaft?«
»Ich weiß, es sieht etwas sonderbar aus«, fiel sie rasch ein, »aber die Mädchen, die diese Bude übernehmen sollten, mußten plötzlich abreisen, und es war niemand zum Ersatz da. Deshalb haben Melanie und ich ...«
»Kein 0pfer ist zu groß für die gerechte Sache.«
Das hatte auch Mrs. Elsing gesagt, aber da hatte es ganz anders geklungen. Hitzige Worte wollten ihr über die Lippen, aber sie schluckte sie wieder hinunter.
»Ich habe immer gefunden«, sagte er nachdenklich, »daß die ganze Art, wie die Witwen für den Rest ihres Lebens eingekerkert werden, ebenso barbarisch ist wie die Sati der Hindus.«
»Die Sage?«
Er lachte, und sie errötete über ihre Unwissenheit. Wer Worte gebrauchte, die sie nicht verstand, war ihr unausstehlich.
»Wenn in Indien ein Mann stirbt, wird er nicht begraben, sondern verbrannt, und dann steigt seine Frau zu ihm auf den Scheiterhaufen und läßt sich mitverbrennen.«
»Wie schrecklich! Aber warum tun sie das, und sieht die Polizei da ruhig zu?«
»Eine Frau, die sich nicht verbrennen ließe, wäre eine Ausgestoßene. Alle ehrbaren Hindumatronen würden über sie reden, daß sie sich nicht benehme wie eine wohlerzogene Dame. Genau wie jene ehrbaren Matronen in der Ecke dort drüben über Sie reden würden, wenn Sie heute abend in Rot erschienen wären und einen Walzer tanzen wollten. Mir persönlich kommt die Witwenverbrennung viel barmherziger vor als unsere hiesige Sitte, die Witwen lebendig zu begraben.«
»Wie können Sie sich unterstehen zu behaupten, ich sei lebendig begraben!«
»Wie doch die Frauen an ihren Ketten hängen! Sie finden die Sitte der Hindus barbarisch, aber ob Sie wohl den Mut gehabt hätten, heute abend zu erscheinen, wenn nicht das Vaterland Sie gerade gebraucht hätte?«
Solche Schlußfolgerungen verwirrten Scarlett immer, und diese ganz besonders, weil ihr dämmerte, daß Wahrheit darin enthalten war. Es wurde Zeit, ihm eins auf den Mund zu geben.
»Auf keinen Fall wäre ich gekommen. Es wäre ... eine Kränkung für ... es sähe so aus, als hätte ich Charles nicht ...«
Seine Augen hingen in zynischer Belustigung an ihren Lippen. Sie konnte nicht fortfahren. Er wußte, daß sie Charles nicht geliebt hatte, und all die schönen und edlen Gefühle, die auszudrücken sie sich anschickte, würden bei ihm nicht verfangen. Wie schrecklich war es doch, mit jemandem zu tun zu haben, der kein Gentleman war! Ein Gentleman tat immer, als schenke er einer Dame Glauben, auch wenn er wußte, daß sie log. Das war die Ritterlichkeit des Südens. Dieser Mann hingegen genoß es sichtlich, an peinliche Dinge zu rühren.
»Ich warte in großer Spannung.«
»Sie sind abscheulich«, sagte sie hilflos und schlug die Augen nieder.
Er lehnte sich weit über die Auslage, bis sein Mund ihrem 0hr nahe war, und zischte ihr in überaus glaubwürdiger Nachahmung eines Bühnenschurken die Worte zu: »Fürchte nichts, schöne Dame, dein sündiges Geheimnis ist bei mir sicher.«
»Wie können Sie nur so etwas sagen?« flüsterte sie fiebernd.
»Ich wollte nur Ihr Gemüt erleichtern, was hätte ich sonst sagen sollen? Vielleicht: >Sei mein, schönes Weib, oder ich bringe alles an den Tag<?« Wider Willen begegnete ihr Blick dem seinen, und sie sah den Schalk darin wie bei einem kleinen Jungen. Da lachte sie plötzlich auf. Schließlich war es doch eine gar zu alberne Situation. Er lachte auch, so laut, daß mehrere Chaperons aus der Ecke herüberschauten. Als sie bemerkten, wie gut die Witwe Charles Hamiltons sich mit einem Fremden unterhielt, steckten sie die Köpfe mißbilligend zusammen.
In diesem Augenblick erscholl ein Trommelwirbel. Viele Stimmen zischten, Ruhe heischend, als Dr. Meade auf das Podium trat und mit erhobenem ArmumGehör ersuchte.
»Wir sind den liebenswürdigen Damen den größten Dank dafür schuldig«, hub er an, »daß ihre unermüdliche Arbeit für das Vaterland diese Veranstaltung nicht nur zu einem finanziellen Erfolg gemacht, sondern obendrein diese unwirtliche Halle in einen festlichen Garten verwandelt hat, in den die reizenden Rosenknospen, die ich hier um mich sehe, so recht hineinpasse n.«
Alles klatschte Beifall.
»Die Damen haben ihr Bestes an Zeit und Mühe hergegeben, und alle die schönen Dinge in diesen Buden sind doppelt schön, weil die feinen Hände unserer reizenden Frauen aus demSüden sie verfertigt haben.«
Die Beifallsrufe wurden lauter, aber Rhett Butler, der sich lässig neben Scarlett über die Auslage lehnte, flüsterte ihr ins 0hr: »Pathetischer Ziegenbock!« Erschrocken über diese Majestätsbeleidigung - Dr. Meade war doch Atlantas beliebtester Bürger starrte sie ihn an. Aber tatsächlich sah der Doktor mit seinem grauen Kinnbart, der heftig hin und her wackelte, wie ein Ziegenbock aus, und nur mit Mühe unterdrückte Scarlett ein Kichern.
»Aber das ist noch nicht alles. Die guten Damen des Lazarettkomitees, deren kühle Hände mancher Leidensstirn so wohlgetan und manchen Braven, der sein Blut für die gute Sache vergossen hat, dem Rachen des Todes entrissen haben, kennen unsere Bedürfnisse. Ich will sie nicht aufzählen. Wir brauchen mehr Geld, um Arzneien aus England zu kaufe n, und in unserem Kreise befindet sich heute abend der verwegene Kapitän, der schon ein Jahr lang immer wieder die Blockade durchbrochen hat und es auch künftig tun wird, um uns die notwendigen Arzneien zu verschaffen: Kapitän Rhett Butler!«
Das kam unerwartet. Der Blockadebrecher machte eine anmutige Verbeugung - allzu anmutig, fand Scarlett und versuchte zu deuten, was er