Vom Winde verweht. Margaret Mitchell

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Vom Winde verweht - Margaret Mitchell

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für das Lazarett einnehmen will. Aber ich fürchte, einige von den Damen werden Anstoß daran nehmen.« Er hielt inne und zupfte an seinem grauen Spitzbart.

      »Was denn, was? Bitte erzählen!«

      »Nein, ich glaube, ich lasse es euch lieber raten, ihr werdet schon sehen. Aber ihr Mädchen müßt für mich eintreten, wenn die Kirchenvorstände mich deshalb aus der Stadt jagen wollen.« Feierlich schritt er auf eine Gruppe Chaperons in einer Ecke zu, und gerade, als die beiden Mädchen die Köpfe zusammengesteckt hatten, um herauszubekommen, was er wohl vorhaben könnte, kamen zwei ausgelassene alte Herren schnurstracks auf die Bude zu und verlangten mit lauter Stimme zehn Ellen Spitzen. Scarlett begann abzumessen und ließ es geschehen, daß man sie unters Kinn faßte. Dann zogen die beiden ab, und hin und wieder nahm ein anderer ihren Platz vor der Auslage ein. So viel Kunden hatten sie nicht wie die andern Buden, wo Maybelle Merriwethers gurrendes Lachen und Fanny Elsings Kicher n erklang und die schlagfertigen Antworten der Whitingschen Mädchen allgemeine Lustigkeit erregten. Ruhig und gelassen wie ein Ladenbesitzer verkaufte Melly unnützes Zeug an Männer, die nie irgendeinen Gebrauch davon machen konnten, und Scarlett suchte es ihr gleichzutun. Einige Male erzählten Käufer, daß sie mit Ashley auf der Universität gewesen waren und was für ein ausgezeichneter Soldat er sei, oder sie sprachen voller Hochachtung von Charles, und welchen Verlust sein Tod für Atlanta bedeute. Dann schmetterte die Musik die ausgelassene Melodie »Johnny Booker, hilf dem Farbigen!«. Scarlett hätte schreien mögen. Sie wollte tanzen! Sie blickte über den Tanzboden hin und klopfte mit dem Fuß den Takt. Ihre grünen Augen schillerten lebenshungrig. Auf der andern Seite des Saales bemerkte ein Mann, der soeben in die Tür getreten war, den Blick dieser schrägen Augen in dem rebellischen Gesicht, erkannte sie und stutzte. Dann lächelte er vor sich hin, denn er entzifferte in ihnen, was jedes männliche Wesen sofort zu entziffern vermag.

      Er war hochgewachsen, trug einen eleganten schwarzen Tuchanzug und überragte alle Umstehenden. Seine Schultern waren von gewaltiger Breite, aber nach der Taille zu wurde er immer schlanker bis hinunter zu den auffallend kleinen Füßen in Lackstiefeln. Seine gepflegte Kleidung stach wunderlich von der Strenge seiner ganzen Erscheinung und besonders seines Gesichtes ab. Das war die Kleidung eines Dandys auf einem Athletenkörper. Er hatte kohlschwarzes Haar und einen kurzgeschnittenen Schnurrbart, der neben den martialischen Schnauzbärten der Kavallerieoffiziere fast fremdartig anmutete. Er trug eine gelassene, überlegene Unverschämtheit zur Schau. In dem frechen Blick, mit dem er Scarlett ansah, funkelte es boshaft, bis sie den Blick endlich spürte und zu ihm hinblickte. Einen Augenblick lang konnte sie sich nicht darauf besinnen, wer er war. Als er sich verbeugte, grüßte sie wieder, aber als er sich mit seinem eigentümlich geschmeidigen, indianerhaften Gang zu ihr aufmachte, fuhr die Hand vor Entsetzen zum Mund. Sie wußte nun, wer er war, und stand wie vom Blitz getroffen, während er sich durch die Menge Bahn brach. Dann machte sie blindlings kehrt und wollte in die Erfrischungsräume entfliehen, aber ihr Rock verfing sich an einem Nagel. Wütend riß sie sich los, da stand er schon neben ihr.

      »Erlauben Sie«, sagte er höflich, beugte sich vor und brachte ihre Rüschen in 0rdnung. »Ich hatte kaum gehofft, Miß 0'Hara, daß Sie mich wiedererkennen würden.«

      Es war die schön modulierende Stimme eines Gentleman, klangvoll und doch belegt, in der trägen, verschliffenen Mundart Charlestons. Sie war ihrem 0hr eigentümlich angenehm. Hochrot vor Scham über ihr letztes Zusammentreffen blickte sie zu ihm auf und sah die kohlschwarzen Augen in erbarmungsloser Lustigkeit sprühen. Daß unter allen Menschen gerade dieser hier auftauchen mußte, der Zeuge ihrer Demütigung gewesen war, der abscheuliche Lump, der Mädchen zugrunde richtete und bei anständigen Leuten nicht empfangen wurde! Der verächtliche Kerl, der ihr - mit Recht - gesagt hatte, sie sei keine Dame.

      Beim Klang seiner Stimme wandte Melanie sich um, und zum ersten Male in ihrem Leben dankte Scarlett Gott für die Existenz ihrer Schwägerin. »Aber ist das nicht Mr. Rhett Butler?« sagte Melanie und streckte läc helnd die Hand aus. »Ich sah Sie ...«

      »... an dem frohen Abend, als Ihre Verlobung verkündet wurde«, vollendete er und beugte sich über ihre Hand. »Es ist sehr liebenswürdig, daß Sie sich meiner entsinnen.«

      »Und was machen Sie so weit von Charleston entfernt, Mr. Butler?«

      »Langweilige Geschäfte, Mrs. Wilkes. Aber ich werde jetzt öfter in dieser Stadt ein und aus gehen. Es hat sich herausgestellt, daß ich die Ware nicht nur hereinbringen, sondern mich auch darum kümmern muß, was weiterhin damit geschieht.«

      »Hereinbringen ...?« Melly zog die Stirn kraus. Aber dann strahlte sie auf: »Was, Sie müssen ja der berühmte Kapitän Butler sein, der Blockadebrecher, von dem wir soviel gehört haben! Jedes Mädchen trägt ja ein Kleid, das Sie hereingebracht haben. Scarlett, ist das nicht interessant? ... Aber was ist dir denn? Ist dir nicht wohl?«

      Scarlett sank auf den Hocker. Ihr Herz klopfte rasch. Daß etwas so Schreckliches ihr widerfahren mußte! Sie hatte gehofft, den Mann nie wiederzusehen. Er ergriff ihren schwarzen Fächer und begann, sie mit ernstem Gesicht, aber immer noch funkelnden Augen zu fächeln. »Es ist recht warm hier drinnen«, sagte er, »kein Wunder, daß Miß 0'Hara sich nicht wohl fühlt. Darf ich Sie ans Fenster führen?«

      »Nein!« sagte Scarlett so abweisend, daß Melly große Augen machte.

      »Sie ist nicht mehr Miß 0'Hara«, sagte Melly. »Sie heißt Mrs. Hamilton und ist meine Schwester.«

      Scarlett hatte das Gefühl, als lege sich der Ausdruck in Kapitän Butlers wettergebräuntem Piratengesicht wie eine Klammer umihren Hals.

      »Damit haben zwei reizende Damen gewiß sehr viel gewonnen.« Das war eine der üblichen Bemerkungen, die alle Herren machten; die Art aber, in der er es sagte, ließ es ihr so klingen, als meine er das Gegenteil.

      »Ihre Gatten sind doch heute bei einem so glücklichen Anlaß zugegen? Es würde mir eine Freude sein, meine Bekanntschaft mit ihnen zu erneuern.«

      »Mein Mann ist in Virginia.« Melly hob stolz den Kopf. »Aber Charles ...«

      »Er ist im Ausbildungslager gestorben«, sagte Scarlett nüchtern, bei nahe barsch. Wollte denn der Mensch nicht wieder fortgehen? Melly sah sie betroffen an, und der Kapitän erwiderte mit einer Miene aufrichtigen Bedauerns: »Meine lieben, verehrten Damen, wie konnte ich nur ...! Verzeihen Sie mir; doch erlauben Sie einem Fremden, Ihnen zum Trost zu sagen, daß der Tod fürs Vaterland ewiges Leben verheißt.«

      Melanie lächelte ihm durch schimmernde Tränen zu, aber in Scarletts Innern nagte ohnmächtiger Haß. Wieder harte er eine höfliche Bemerkung gemacht, wie jeder Gentleman sie machen konnte, aber sie wußte, daß er sie dabei verhöhnte. Ihm war ja bekannt, daß sie Charles nicht geliebt hatte. Melly war zum Glück dumm genug, ihn nicht zu durchschauen. Gott mochte verhüten, daß ihn jemals jemand durchschaute! 0b er wohl ausplauderte, was er wußte? Er war ja kein Gentleman! Sie sah, daß seine Mundwinkel in spöttischem Mitgefühl herabgezogen waren, während er ihr immer noch zufächelte. In einer Aufwallung des Abscheus riß sie ihm den Fächer aus der Hand.

      »Mir ist sehr wohl«, sagte sie, »Sie brauchen mir nicht das Haar in Unordnung zu bringen.«

      »Scarlett, Liebling! Kapitän Butler, Sie müssen ihr verzeihen, sie ist nicht mehr sie selbst, sobald von dem armen Charlie die Rede ist. Wir hätten beide heute abend nicht herkommen sollen. Sehen Sie, wir sind noch in Trauer, und all die Lustigkeit und die Musik strengt das arme Kind sehr an.«

      »Ich verstehe vollkommen«, sagte er mit betonter Zurückhaltung. Als er aber auf Melanie einen forschenden Blick warf und ihren klaren Augen bis auf den Grund schaute, verwandelte sich sein Ausdruck. Verhaltene Achtung und

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