Vom Winde verweht. Margaret Mitchell
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Für einen Augenblick blickte sie angewidert und voller Hochmut auf das Treiben rings um sie her. Ihre Bude war unauffällig gelegen, selten nur kam jemand daran vorbei, und Scarlett konnte nichts anderes tun als den fro hen Schwarm von weitem betrachten. Melanie, die ihre Mißstimmung bemerkte, sie aber der Sehnsucht nach Charlie zuschrieb, beschäftigte sich damit, die Waren in ihrer Auslage schöner zu verteilen, während Scarlett mürrisch in den Saal blickte und sogar an den vielen Blumen unter den Bildern von Davis und Stephens nichts als Mißfallen fand. »Wie ein Altar sieht es aus«, dachte sie abfällig. »Die beiden könnten fast Gott, Vater und Sohn, darstellen!« Erschrocken über ihren eigenen Einfall bekreuzigte sie sich verstohlen, verfolgte den Gedanken aber doch weiter. Die Leute machten so viel Wesens von den beiden, als seien sie Heilige, und dabei waren es doch nur Menschen, und sie sahen nicht einmal gut aus. Natürlich konnte Stephens nicht dafür, daß er sein Leben lang krank gewesen war; aber Davis' stolzes Gesicht mit den reinen, scharfgeschnittenen Zügen verdroß sie wegen seines Ziegenbartes, und sie sah nicht darin die klare kalte Intelligenz, die die Bürde einer neuen Nation trug. Scarlett fühlte sich nicht glücklich, denn niemand achtete ihrer. Sie war hier die einzige junge, nicht verheiratete Frau, die keinen Verehrer hatte. Sie war siebzehn Jahre alt, ihre Füße wollten tanzen und springen. Sie hatte einen Mann auf dem Friedhof von 0akland liegen und ein kleines Kind in der Wiege bei Tante Pittypat, und jeder meinte, sie könnte mit ihrem Los zufrieden sein, und es half ihr nichts, daß ihre Brust weißer, ihre Taille schlanker, ihre Füße zierlicher waren als bei irgendeinem anderen Mädchen. Sie war nicht alt genug, um Witwe zu sein, und doch mußte sie hier in vorbildlicher Witwenwürde sitzen und ihre Stimme dämpfen und ihre Augen verschämt niederschlagen, wenn Herren an ihre Bude traten. Sie kam sich in dem heißen schwarzen Taft, der kaum ihre Handgelenke freiließ und bis ans Kinn zugeknöpft war, wie eine Krähe vor und mußte geduldig zusehen, wie so viele unscheinbare Mädchen sich gutaussehenden Männern an den Arm hängten. Und alles, weil Charles die Masern gehabt hatte. Nicht einmal den Heldentod in der Schlacht war er gestorben, womit sie wenigstens noch hätte prahlen können. Gereizt stützte sie die Ellbogen auf den Auslagentisch und sah herausfordernd in die Menge. Was scherte es sie, daß Mammy sie so oft ermahnt hatte, die Ellbogen nicht aufzustützen, damit sie nicht runzlig würden! Was lag daran, wenn sie häßlich würden? Wahrscheinlich bekam sie doch nie wieder Gelegenheit, sie zu zeigen. Begehrlich betrachtete sie die Menge. Maybelle Merriwether ging am Arm des Zuaven an der nächsten Bude vorbei. Sie trug ein apfelgrünes Tarlatankleid, übersät von elfenbeinfarbenen Chantillyspitzen, die mit dem letzten Blockadezug aus Charleston gekommen waren, und protzte so damit, als hätte sie selbst und nicht der berühmte Kapitän Butler die Blockade durchbrochen.
»Wie süß müßte ich darin aussehen! Sie hat eine Taille wie eine Kuh. Das Grün ist meine Farbe, meine Augen würden darin ... Warum versuchen Blondinen überhaupt, diese Farbe zu tragen! Ihre Haut sieht darin grün wie Käse aus. Ach, wenn ich denke, daß ich die Farbe nie wieder tragen darf, selbst dann nicht, wenn die Trauer vorüber ist! Dann werde ich altes, verstaubtes Grau und Braun und Lila tragen müssen. War es nicht ein furchtbarer Unsinn, die ganze Mädchenzeit hindurch zu lernen, wie man Männer gewinnt, und seine Fähigkeiten dann nur ein oder zwei Jahre gebrauchen zu dürfen?« Wenn sie über ihre Erziehung unter Ellens und Mammys Augen nachdachte, so wußte sie, daß sie gründlich und gut gewesen war, denn der Erfolg war nie ausgeblieben. Wie unfehlbar und zuverlässig waren die festen Regeln dieser Erziehung! Mit alten Damen war man lieb und arglos und schlicht, um ihre scharfen, mißtrauischen Blicke zu entwaffnen. Mit alten Herren mußte man schlagfertig und keck sein und schon fast ein wenig liebäugeln, doch nur so viel, daß es ihre Eitelkeit kitzelte. Dann fühlten sie sich wieder jung und kniffen einen in die Wangen. Natürlich mußte man alsdann erröten, sonst taten sie es ärger als schicklich war und erzählten ihren Söhnen, man sei flott. Mit jungen Mädchen floß man über vor Liebe und küßte sie jedesmal, wenn man sie sah, und wäre es zwanzigmal am Tag. Man bewunderte unterschiedslos ihre neuen Kleider, neckte sie wegen ihrer Verehrer und sagte nie, was man wirklich dachte. Die Männer anderer Frauen ließ man gänzlich ungeschoren, um nicht ins Gerede zu kommen. Aber mit den jungen unverheirateten Männern war das eine andere Sache! Ihnen konnte man leise zulachen, mit den Augen konnte man viel Aufregendes versprechen, bis der Mann Himmel und Erde in Bewegung setzte, um mit einem allein zu sein. War man aber allein, so konnte man tiefgekränkt oder sehr böse sein, wenn er zu küssen versuchte. Man konnte ihn dann dazu bringen, sich zu entschuldigen, daß er sich wie ein Schuft benommen habe, und ihm so lieb verzeihen, daß es ihm den Kopf vollends verdrehte. Manchmal ließ man sich auch küssen. Dann weinte man hernach und behauptete, nicht zu wissen, was über einen gekommen sei, und nun könne er wohl nie wieder Achtung vor einem haben. Dann trocknete er einem die nassen Augen und machte meistens einen Heiratsantrag, um so seine Achtung gleich zu beweisen. 0h, wieviel ließ sich doch mit Junggesellen anfangen! Und Scarlett beherrschte alle Schattierungen des Seitenblicks und des halben Lächelns, des Wiegens in den Hüften, sie beherrschte die Tränen, die Ausgelassenheit, die Schmeichelei, das süße Mitgefühl. Sie beherrschte sie alle, die Künste und Kniffe, die nie versagten - außer bei Ashley.
Sie wurde in ihren Träumen unterbrochen, als die Menge sich gegen die Wände zu drängen begann. Scarlett hob sich auf die Zehenspitzen und sah über die Köpfe hinweg den Hauptmann des Landsturms auf das 0rchesterpodium steigen. Er rief einige Kommandos in den Saal, und eine halbe Kompanie trat an. Dann gab es einige Minuten scharfen Drill zu sehen, der den Männern den Schweiß in die Stirnen trieb und bei den Zuhörern Beifall und Hochrufe erntete. Auch Scarlett klatschte pflichtschuldigst in die Hände, und als die Soldaten nach dem Wegtreten zu den Punschund Limonadenbuden drängten, wandte sie sich an Melanie: »Wie schön sie aussahen, nicht wahr?«
Melanie machte sich an ihren Strickwaren in der Auslage zu schaffen und antwortete, ohne sich die Mühe zu machen, ihre Stimme zu dämpfen: »Die meisten würden sich in Virginia und in grauer Uniform noch sehr viel schöner ausmachen.«
Mehrere stolze Mütter von Landsturmleuten standen ganz in der Nähe und hörten die Bemerkung. Mrs. Guinan wurde purpurrot und dann bleich. Ihr fünfundzwanzigjähriger Willie war bei der Kompanie.
Scarlett war entgeistert, solche Worte aus Mellys Mund zu hören. »Aber Melly!«
»Du weißt, Scarlett, daß es wahr ist. Ich meine nicht die kleinen Jungens und die alten Herren, aber eine Menge Landsturmleute sind sehr wohl in der Lage, ein Gewehr zu tragen, und sollten es auf der Stelle tun.«
»Aber ... aber ...«, fing Scarlett an, die noch nie darüber nachgedacht hatte. »Jemand muß doch zu Hause bleiben, um ...« Was hatte ihr Willie Guinan doch noch erzählt, um seine Anwesenheit in Atlanta zu entschuldigen? »Jemand muß doch zu Hause bleiben, um den Staat vor feindlichen Einfallen zu schützen.«
»Kein Feind fällt bei uns ein«, sagte Melly kühl und schaute zu ein paar Landsturmleuten hinüber. »Die beste Art, die Grenzen zu schützen, ist, nach Virginia zu gehen und dort die Yankees zu schlagen. Und all das Gerede, der Landsturm müsse hierbleiben, um einen Aufstand der Farbigen zu verhüten, nun, das ist der größte Unsinn, den ich je gehört habe. Das ist nur eine Ausrede für Feiglinge. Ich wette, wir würden mit den Yankees in einem Monat fertig, wenn der Landsturm aller Staaten nach Virginia ginge!«
»Aber Melly!« Scarlett sah sie noch immer fassungslos an. In Mellys sanften Augen blitzte es zornig auf.
»Mein Mann hatte keine Angst hinauszugehen, und auch deiner nicht. Mir wäre lieber, beide wären tot, als hier zu Hause ... Ach, Liebling, sei nicht böse. Wie gedankenlos von mir!« Bittend strich sie Scarlett, die sie groß ansah, über den Arm. Scarlett dachte gar nicht an Charlie, sie dachte an Ashley. Wenn er nun auch stürbe? Rasch wandte sie sich um und lächelte mechanisch, als Dr. Meade auf ihre Bude zugeschritten kam.
»Na, ihr Mädel«, begrüßte er sie, »schön, daß ihr gekommen