Von alten und neuen Bürowelten. Maik Marten

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Von alten und neuen Bürowelten - Maik Marten

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weiter. Man führte die alphabetische Ablage ein; stellte vermehrt Arbeitskräfte ein, die mit der Verwaltung der immer komplexer werdenden Systeme betraut wurden; man begann die Arbeit in Abteilungen zu organisieren, die sich auf bestimmte Funktionen spezialisierten und man mechanisierte im großen Stil die Arbeitsprozesse. Büromaschinen wie die 1874 von Remington entwickelte Schreibmaschine, das in den 1860er Jahren erfundene Telefon oder die Additionsmaschine aus den 1880er Jahren4 gehörten bereits zum üblichen Inventar. Aber erst mit dem im neuen Jahrhundert sprunghaft gewachsenen Bedarf an Dokumenten- und Zahlenverarbeitung und der steigenden Komplexität der Büroarbeit, war der Nährboden für einen flächendeckenden Einsatz einer ganzen Armada von Gerätschaften geschaffen worden. Arbeit erschuf Arbeit. Über die folgenden Jahrzehnte hinweg sollte ein riesiger Markt für Büromaschinen entstehen. Allein zwischen 1915 und 1921 kamen jährlich über hundert neue Büromaschinen auf den Markt. Nahezu jedes Büro besaß gleich mehrere Varianten einer Schreibmaschine und etwa jede dritte Bürokraft bediente zudem mindestens eine weitere Maschine. In den 1940er Jahren konnte man auf den einschlägigen Fachmessen bereits über 3000 Büromaschinen begutachten: Es gab Kollatoren, dessen dünne Metallfinger einzelne Papierseiten von Dokumentenstapeln aufnehmen konnten, um sie in einer vorgegebenen Reihenfolge zusammenzuheften; es gab Ticket- und Geldzählmaschinen, mechanische Radiergummies und Signaturgeräte. Maschinen konnten mechanisch Addieren, Subtrahieren und Multiplizieren. Man entwickelte Anlagen für das Eintüten von Briefen in Versandumschläge und das anschließende Abstempeln und Adressieren; und es gab Abrechnungsmaschinen, die große Stapel und Rollen von Rohpapier aufnehmen, zurechtschneiden, perforieren, zweifarbig bedrucken und adressieren konnten.

      Die Anschaffung und Pflege von Büromaschinen war sehr kostspielig. Um sie rentabel zu halten, musste man sie permanent mit riesigen Mengen an Dokumenten und Informationen füttern. Zudem war es ratsam, die Bürotätigkeiten zu zentralisieren und an die technischen Anforderungen der Maschinen anzupassen. In einer damaligen Richtlinie hieß es: „Bevor eine Produktionslinie eine maximale Wirksamkeit erreichen kann, müssen die Maschinen so angeordnet sein, dass der ungehinderte Fluss von Teilen oder Produkten von einer Station zur nächsten gewährleistet wird. Nur wenn alle die für die Papierproduktion benötigten Schreibmaschinen, Rechenmaschinen, Tabulatoren, Buchhaltungsmaschinen, Möbel und Büroausstattungen richtig ausgerichtet und abgestimmt sind, kann eine effiziente Büro-Produktionslinie entstehen.“5 Dann waren aber auch Produktivitätszuwächse von 25 bis 300 % im Vergleich zu manuell ausgeführten Tätigkeiten zu verzeichnen.6 Ein Vorteil, den vor allen Dingen Unternehmen, die über ausreichend große Mengen an gleichförmiger Arbeit verfügten, für sich verbuchen konnten. Auch in der Büroarbeit wirkte sich also das Prinzip economy of scales aus: Je mehr man die Büroarbeit rationalisierte und der Maschinenarbeit anglich, umso kostengünstiger die Stückkosten und damit die Rentabilität der Unternehmen. In den 1950er Jahren war das Angebot an Maschinen derart umfangreich und vielseitig geworden, dass C. Wright Mills zufolge 80 % aller damals ausgeübten Bürotätigkeiten hätten mechanisiert werden können.7 Dass es letztendlich dazu nicht kam, lag nicht etwa an der fehlenden Bereitschaft der Arbeitgeber, die menschliche Arbeitskraft durch Maschinen zu ersetzen, sondern am anhaltend starken Wachstum der Wirtschaft und dem damit verbundenen überproportionalen Bedarf an Büroarbeit, sodass unter dem Strich trotz zunehmender Automatisierung die Beschäftigungszahlen weiter stark anstiegen.

      Curtain Walls

       If your eyes could penetrate the opaque masses of the facades, they would see an incredible spectacle: three hundred thousand, five hundred thousand men and women, perhaps more, at work in a pool of space at the same time. A humanity having broken its millenary destiny which was to be attached to the ground, which is suspended between heaven and earth, going up and down at high speed in clusters of twenty and in sheaves of two hundred. Is it a new scene in purgatory?

       It is modern society experimenting on a grand scale with the machinery which will someday enable it to create the "radiant city," when everything will be well calculated, justly valued,

       exactly measured out.

       (Le Corbusier, When the Cathedrals Were White) 1

      In den 1930er Jahren besuchte der Architekt und Architekturkritiker Le Corbusier auf Einladung des MoMA, dem Museum of Modern Art, New York. Sofort war er völlig eingenommen von der imposanten Entwicklung in den Geschäftsvierteln der Stadt. Voller Neugier betrachtete er mit seinem städtebaulichen Blick die in den Himmel von Manhattan ragenden Riesen. Er trat in die Gebäude ein und inspizierte Konstruktion, Grundrisse, Materialien und das Interieur der modernen Büroetagen. Viel Lob fand er dort für die freundlichen, offenen und technisch vollausgestatteten Büros im Vergleich zu denen aus Europa:

      Office life, made intensely productive through mechanical rationalization: post office, telephone, telegraph, radio, pneumatic tubes, etc.... thus the benefit of excellent psycho-physiological conditions: luxury, perfection, quality in the whole building-halls, elevators, the offices themselves (quiet and pure air)…. Here I call to mind the business offices of Paris; ah! wretched, mediocre and miserable offices, an unsuspected degradation of the spirit of work-those entrances, those grotesque, ridiculous, idiotic elevators, those dark and bleak vestibules, and the series of dim rooms open on the hubbub of the street or on the dreariness of courts…. Here I wish to evoke the true splendor of the Cartesian skyscraper: the tonic spectacle, stimulating, cheering, radiant, which, from each office, appears through the transparent glass walls leading into space. Space! That response to the aspiration of the human being, that relaxation for breathing and for the beating heart, that outpouring of self in looking far, from a height, over a vast, infinite, unlimited expanse. Every bit of sun and fresh, pure air furnished mechanically.2

      Weitaus weniger angetan war er von der äußeren Gebäudeform. Besonders die nach oben hin gestuften Fassaden passten seiner Meinung nach so überhaupt nicht in eine hypermoderne Stadt wie New York. Die Gebäude erinnerten ihn an Zikkurate, die altertümlichen Tempeltürme, die man in Mesopotamien und Babylon vor mehreren Tausend Jahren errichtete und von denen es heute nur noch vereinzelt auf der Welt verstreute Ruinen gibt.3 Moderne Hochhäuser, so meinte er, müssten eine reduzierte und klare Formensprache sprechen. Die Form sollte sich nicht wie eine Kirche oder ein Tempel nach oben hin verjüngen, sondern schlicht, elegant und gradlinig in den Himmel wachsen.4 Auch störte er sich an den damals üblichen Fassaden aus Putz, Sichtbeton und Backstein. Viel zu wenig Sonnenlicht dringt so durch die kleinen Fenster ins Innere. Stattdessen empfahl er ganze Gebäudehüllen aus Glas: „The exterior of the skyscraper, the facade can be a film of glass, a skin of glas. Why repudiate richness itself: floods of light coming in.“5 Le Corbusier hoffte, dass die sich durchsetzende Skelettbauweise zu einem fundamental veränderten Stadtbild beitragen würde. Gigantische Hochhäuser sollten es bald ermöglichen, auf engsten Raum Tausende von Menschen zu konzentrieren. Damit ließe sich in den stark verdichteten Städten viel Platz sparen; Platz, den man dann für Gehwege, Straßen und vor allen Dingen, für Parks, übrig hätte. In seiner Vision von der Zukunft ragten nur einige wenige Wolkenkratzer vertikal wie autonome Stadtteile inmitten einer ansonsten sich flach ausdehnenden grünen Stadt empor: „The glass skyscrapers will rise up like crystals, clean and transparent in the midst of the foliage of the trees.“6

Seagram Building in New York City, eröffnet 1958, Architekten: Ludwig Mies van der Rohe, Philip Johnson

      Abb. 10: Seagram Building in New York City, eröffnet 1958, Architekten: Ludwig Mies van der Rohe, Philip Johnson; Quelle: Wikipedia

      Ganz so weit ist es schließlich nicht gekommen, aber die neue Fassadenbautechnik veränderte zumindest das äußere Erscheinungsbild moderner Hochhäuser. In den folgenden Jahrzehnten sollten Architekten wie Le Corbusier, Walter Gropius und Mies van der Rohe die Hochhausarchitektur in den europäischen und amerikanischen Städten

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