Kadett – Offizier der Kaiserlichen Marine – Briefe von Bord – 1895 – 1901. Willi Franck
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Kadett – Offizier der Kaiserlichen Marine – Briefe von Bord – 1895 – 1901 - Willi Franck страница 4
Heute haben wir zum ersten Male wirklich strammen Dienst gehabt; dazu kommt noch, daß ich mit einigen anderen Kameraden einen nur sehr kurzen Urlaub hatte um unsere Uniformen bzw. Anzüge anzupassen, sodaß der Urlaub eigentlich nur in einem ununterbrochenen Dauerlauf ausartete. Nun bin ich auch fürchterlich müde, wenigstens in den Beinen. Nun noch etwas über unseren heutigen Dienst, der im allgemeinen der Routine entspricht. Um 6.30 ist Wecken, 7 Appell, dann Morgenbrot und von da an Exerzieren bis 4.30, mit einer Frühstücks- und einer Mittagspause. Heute mußten wir unsere Gewehre aus der Kaserne in Kiel holen, bis 6 Uhr; deshalb fiel der Instruktionsunterricht von 5 – 6 Uhr aus. Morgen wird der Dienst wohl noch etwas strammer werden, wegen der Gewehre u. Seiten-Gewehre; er dauert dann aber nicht so lange wie heute. Gestern wurden wir geimpft, einige Ohnmächte und zahlreiches Unwohlsein gab es natürlich auch dabei. Am 12. Mai, ich glaube wenigstens im Mai ist es (es steht im Tagesbefehl „Zwölfter des Monats“ und vorher war vom Mai die Rede) werden wir vereidigt werden. Übrigens ist unsere Verpflegung hier, wie Ihr ja von Kurt (Kurt Franck war WFs älterer Bruder und ebenfalls in der Ausbildung zum Marineoffizier.) her wißt ganz ausgezeichnet, wenigstens schmeckt es mir nach dem Exerzieren vortrefflich. Auf meinem Quartier ist es ziemlich feucht, mein Revolver fängt wieder an zu rosten, ich muß ihn wohl tüchtig putzen.
Heute habe ich meine Besuchskarten erhalten. Mit Bartling habe ich gesprochen, er meint, er könne einen Anzug nicht zurücknehmen, da er getragen sei, außerdem müsse das Maß nicht richtig angegeben sein, ich habe also einen neuen Anzug dafür bestellt; auch das Taschenmesser muss vorschriftsmäßig sein, niemand darf seins weiter benutzen.
Soll ich meines zurückschicken oder Heini ein Geschenk damit machen? Ebenso mit dem Serge Anzug (Serge: feines, hochwertiges Wollgewebe). Ich freue mich sehr, daß unser Kadettenoffizier von der „STOSCH“, Herr Lieutenant zur See v. Reuter, wie ich glaube, bis jetzt ganz zufrieden mit mir ist, ebenso der Unteroffizier, der uns „eindrillt“, ein urkomischer Mensch, der ununterbrochen über uns wettert, aber niemals Ernst macht, und dabei von unserem Leutnant Hasse offenbar sehr gelobt wird. Gestern und heute übten wir Parademarsch, morgen also mit Waffen. Herr Kapitän-Lieutenant v. Crosick dankt für Papas Empfehlung, er ist mir, überhaupt allen, gegenüber furchtbar freundlich, ich sagte Papa ja schon wie er uns allen im Examen geholfen hat (Günther v. Krosigk, war später als Konteradmiral Chef des Ostasiengeschwaders).
Leider sind die meisten, von denen ich bis jetzt etwas halte, auf „STEIN“ gekommen: Rebensburg, Schnell, der Kölner Pfeiffer, und ein Neffe des bekannten Kapitäns der „ELBE“, von Gössel (Kurt v. Gössel (1852-1895) war als Kapitän des Passagierdampfers „ELBE“ nach einer Kollision am 30.01.1895 in der Nordsee mit seinem Schiff und der Mehrzahl der Passagiere untergegangen.) auf „STEIN“ gekommen. Auf „STOCHS“ ist nur Dietert (sagt Kurt bitte, er habe mir „du“ angeboten, ich habe es aber nicht angenommen). Heute hat sich hier im Hafen die „KAISERIN AUGUSTA“ (Panzerdeckkreuzer „KAISERIN AUGUSTA“: Bj. 1892, 6.000 t, 21 kn, Bes.: 430, 4 x 15 cm, 8 x 10,5 cm, 8 x 8,8 cm, machte 1895 die Reise ins Mittelmeer mit.) festgefahren, und ist bis jetzt noch nicht losgekommen.
„KAISERIN AUGUSTA“
Meine Wäsche darf ich übrigens nicht in Köln waschen lassen, solange ich nicht auf der Schule bin, also auch jetzt nicht. Eben ist Herr Leutnant Müller in unsere Messe gekommen, und dadurch ist verhältnismäßige Ruhe eingetreten, sonst wäre bei dem allgemeinen Lärm dieser Brief schwerlich bis hierher gediehen.
Gestern hatten wir, wie heute, nur 1 Stunde Urlaub; ich machte einige Besorgungen und sprach zum ersten Male nach meiner Einstellung bei Tante Wanda (Wanda v. Wasmer geb. Raczynska lebte in Kiel als Ehefrau des Sanitätsrats Dr. Carl J. C. v. Wasmer, WF besuchte sie häufig.) vor, aber nur ein paar Minuten, dann gings eilig zur Akademie zurück. Sonntag traf ich übrigens den Infanteristen Rebensburg und trank mit ihm und seinem Bruder einen Krug bei Holst, und dort trafen wir auch Herrn Pastor Mau und einen Sohn von ihm. Ich muss jetzt schließen, liebe Eltern, denn es ist Zeit zum zu Bett gehen.
Herr Kirchenrat Rocholl (Rudolf Rocholl (1827-1905), lutherischer Theologe und Kirchenhistoriker) sagte mir ich möchte einige von meinen Briefen an Euch auch ihm zukommen lassen, würdet ihr denn so freundlich sein und ihm diesen oder einen der nächsten Briefe übergeben? In der Voraussetzung, daß Herr Kirchenrat diesen Brief erhält u. liest, füge ich auch an ihn recht herzliche Grüße hinzu.
Im übrigen aber bleibe ich mit den herzlichsten Grüßen und Küssen an euch und die Geschwister Euer Euch lebender Willi.
NB Ostern werden wir einen großen Ausflug mit unserem Kadetten-Offizier machen, Pfingsten erhalten wir hoffentlich Urlaub.
Willi
Kiel, den 14. April 1895
Liebe Eltern!
Für den Osterbrief danke ich Euch und den Geschwistern vielmals, und jetzt will ich in meiner Freizeit noch etwas schreiben. Heute morgen waren wir „STOSCH“-Kadetten zur Kirche, vereidigt sind wir noch nicht, ich hörte die Vereidigung solle heute in acht Tagen stattfinden, ich vermute, weil wir dann eingekleidet sein werden. Meine Wäsche habe ich (bis auf drei Oberhemden) vollständig; ferner habe ich Handschuhe und Mütze schon bekommen. Einen Serge-Anzug hat Bartling mir zu eng gemacht, ich werde ihn also zurückgeben. Für meinen Bleifederhalter habe ich keine Blei-Einlage mehr; hier konnte ich keine neue bekommen, sie war entweder zu dick oder sie war zu dünn. Würdet Ihr mir sie in Köln besorgen können, wo sie gekauft ist?
Zugleich mit diesem Briefe erhaltet Ihr meine Wäsche, die ich nicht mehr gebrauche. Den Bleistift kann ich ja mitschicken, ebenso ein Hemd und eine Unterhose von Kurt, müssen jedoch in Köln gewaschen werden. Auch meinen Havelock (Havelock: Herrenmantel mit Armlöchern aber ohne Ärmel) schicke ich mit zurück. Den Anzug schicke ich also nach Pinneberg. Gestern Abend saß unser Kadetten-Offizier bei uns, und sagte uns u. a., daß wir voraussichtlich vor nächsten Ostern überhaupt keinen Urlaub erhalten würden, vielleicht nur die, welche ganz nahe wohnten, auf Pfingsten. Wir sind, wie ich schon schrieb, geimpft worden; bei mir sind die Pocken so sehr angegangen, daß mein linker Arm vollständig schlapp ist; der Arzt gab mir das Prädikat zehn; andere haben sich sogar krankgemeldet. Die augenblickliche Ruhe ist uns daher sehr angenehm.
Levensauer-Hochbrücke
Einen Ausflug haben wir damals nicht gemacht, vielmehr nur eine Fahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal (Bei der Einweihung im Juni 1895 benannte Kaiser Wilhelm II. den zunächst noch „Nord-Ostsee-Kanal“ bezeichneten Wasserweg nach seinem Großvater in „Kaiser-Wilhelm-Kanal“ um.), durch die Levensauer-Brücke und noch bedeutend weiter, die Brücke bestiegen wir; leider war an dem Tage sehr schlechtes Wetter, es hagelte unaufhörlich. Am folgenden Tage unternahmen Rebensburg, von Gössel, Müller und ich in einem Boote, Rebensburgs Bruder und zwei Söhne von Pastor Mau in einem zweiten eine Segelpartie. Wir hatten einen Bootsmann mit, jene nicht.
Bei Holtenau fuhren sie sich bei starkem Winde fest und konnten nicht wieder aus dem Eingang zum Nord-Ostsee-Kanal herauskommen. Wir waren noch über Friedrichsort herausgefahren, und auf der Rückfahrt machte unser Bootsmann auch das andere Boot wieder flott. Kaum war es los, da segelte es in den Klüverbaum eines dort ankernden Evers (Klüverbaum: Rundholz, das über das Vorschiff eines Segelschiffes hinausragt. Ewer: kleines Segelschiff mit flachem Kiel.). Jetzt waren ihre Segel unbrauchbar geworden, und sie mußten von uns ins Schlepptau genommen werden.