Kadett – Offizier der Kaiserlichen Marine – Briefe von Bord – 1895 – 1901. Willi Franck
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Jedoch war der Anblick der fremden und deutschen Schiffe, die hier im Hafen lagen, ein großartiger Anblick und die Illumination aller dieser Schiffe ein Schauspiel wie man wohl nicht so bald eines wieder sehen wird. Auch die Stadt Kiel bot einen höchst interessanten Anblick in seinen Hauptstraßen. Jedoch hatte ich geglaubt, daß die Stadt, in Anbetracht der zukünftigen Wichtigkeit des Kanals, noch bedeutend großartiger würde geschmückt werden. Das dagegen muß man zugeben, daß der Hafen sowie die Gegend bei Holtenau so prachtvoll aussahen, wie man sich nur denken kann. Das Feuerwerk war wunderschön; ich habe es vom Meister unseres Schiffes aus sehr gut gesehen; leider hat es auch mehrere Menschen Leben gekostet.
In den letzten Tagen entfernen sich nun die fremden Schiffe, und es liegen nur noch die Amerikaner, Spanier, Rumänen, der Portugiese und der Türke im Hafen: ein trauriges, ödes Bild nach der Fülle von Schiffen von vor nur kurzer Zeit. So liegen wir jetzt völlig allein vor Friedrichsort, weit draußen in der Bucht. (Eben geht auch der Türke, ein Raddampfer, heraus.) Am Sonnabend und Sonntag war ich auf Urlaub, Sonnabend bei Tante Wanda, das letztere Mal bei Kurt in der Marineschule. Morgen ist Blumen Korso, hoffentlich darf ich ihn in Kurts Boot mit Wasmers und Schaubs zusammen mitmachen. Sonnabend gehen wir also in See, zunächst, wie es heißt, nach Wilhelmshafen (Die Schreibweise mit „v“ entspricht der früheren niederdeutschen, sie wurde zur Einweihung des Kriegshafens 1869 von Kaiser Wilhelm I. verfügt. WF schwankt darin mehrfach.), dann nach Schottland.
Herzliche Grüße an Euch alle
Euer Willi
26. u. 27.6.1895
Kanalfeiern
Das Hafenbild wird von Stunde zu Stunde bunter und interessanter. Bälle und Festlichkeiten sind schon in vollem Gange. Auf den Tennisplätzen der Marineakademie errichtet man einen gewaltigen gedeckten Tanzplatz. 4.300 Personen wird er fassen müssen, 1.000 mehr als man gerechnet hatte; denn auf so viel Absagen hatte man gehofft, aber kein Mensch hat abgesagt. Zahlreiche große Tribünen werden errichtet, zahllose Buden gebaut. – Kiel ist thatsächlich ein großer Jahrmarkt –. Beachtung verdient aber die große Festhalle zu Holtenau, die sich in Gestalt eines gewaltigen Schiffes, der vergrößerten „NIOBE“, dort erhebt. Die Untermasten der alten „NIOBE“ sind beim Bau verwand (SMS „NIOBE“ war eine für die Royal Navy gebaute und 1862 von Preußen gekaufte hölzerne Segelfregatte. Sie war bis 1890 in der Kaiserlichen Marine als Schulschiff genutzt worden und wurde als „Mutter der Marine“ bezeichnet. Für die Einweihungsfeier des KWK war in Holtenau ein gewaltiger Nachbau der „NIOBE“ als Festsaal gebaut worden.).
Unsere „STOSCH“ ist, wie alle anderen Schiffe, schön in Stand gesetzt, sodaß ich mich jetzt doppelt gemütlich an Bord fühle.
Die Zahl der bisher schon erschienenen Schiffe kann man vielleicht am besten daraus erkennen, daß wir Kadetten fast ausnahmslos vom Hurrahrufen heiser sind, und doch sind noch lange nicht alle Schiffe hier. Ich schreibe jetzt aus dem Logbuch das Interessanteste, nicht genau, aber dem Sinn gemäß ab. Ich hatte bisher geglaubt die portugiesische Seemacht sei nicht unbedeutend, doch jetzt erfahre ich das Gegenteil. Der Kreuzer läuft nur 13 Seemeilen. Das kann die „STOSCH“ auch; sie ist zwar nicht gepanzert, aber die Armierung dafür beinahe gleich.
Eben ist Flaggenparade. Ich habe aus dem Fenster gesehen, und es war interessant zu sehen, wie die vielen Flaggen sich senkten unter den verschiedenen Melodien, die dabei gespielt wurden. Die Italiener spielten „Heil Dir im Siegerkranz“ (Die Kaiserhymne „Heil dir im Siegerkranz“ wurde zu vaterländischen Anlässen mit Bezug zum Kaiser gespielt bzw. gesungen.).
Doch nun wieder zu den Schiffen. Auf den Portugiesen folgte bald der dänische Kreuzer „GEISER“, ein ganz neues Schiff von 1892, 17,1 sm Geschwindigkeit. Stärkste Geschütze sind 15 cm Geschütze.
Mit dem Dänen zugleich erschien der niederländische Kreuzer „ATJEH“, ein Segelschiff mit sechs 17 cm Geschützen und acht 12 cm Geschützen. Die Niederländer haben die alte Sitte, beim Salutieren den Klüver zu heißen, was früher allgemein war, beibehalten.
Nun erschien das englische Geschwader! Die beiden Flaggschiffe
„ROYAL SOVEREIGN“ – 1891 – 18 sm
„EMPRESS OF INDIA” – 91 – 17,5
„REPULSE“ – 92 – 17,5
„RESOLUTION“ – 92 – 17,5
Der Gürtelpanzer dieser Schiffe ist 456 mm stark, Deckspanzer 76 mm, die Panzertürme 490 mm, die stärksten Geschütze 34 cm. Außerdem kamen der Kreuzer „BLENHEIM“ (benannt nach einem Dorf in Bayern, bei dem Marlborough einen Sieg davon trug), und der Torpedojäger „SPEEDY“.
Hierauf kamen die Russen mit den beiden Schiffen „CZAR ALEXANDER“ und „RURIK“, zwei ganz schöne Schiffe, und gleich darauf die Franzosen, deren beide Schiffe sind „HOCHE“ u. „DUPUIS DE LOME“.
Heute waren wir tatsächlich den ganzen Tag zur Begrüßung der fremden Schiffe in der Takelage. Nur 2 Stunden theoretischen Unterricht, und auch die kaum, hatten wir.
Zahlreiche Schiffe der verschiedensten Nationen liefen heute ein (An den Feierlichkeiten in Kiel nahmen 53 Kriegsschiffe anderer Nationen und 53 deutsche Kriegsschiffe teil – es handelte sich um die größte Flottenparade der Zeit.) und machten an den durch Flaggen der betreffenden Nationen kenntlich gemachten Bojen fest (die Bojen sind mit Ketten an gewaltigen Steinblöcken verankert die einen Würfel mit einer Seiten Länge von etwa 3 m bilden, und aus Sandstein sind). Zunächst erschien das portugiesische Panzerschiff „VASKO DE GAMA“ (zwei 26 cm Geschütze u. 2 15 cm G.)
Das alte portugiesische Küstenpanzerschiff „VASKO DA GAMA“
Die ersten Schiffe die zur Kanaleinweihung erschienen waren das österreichische Geschwader (11.4) es sind drei Schiffe hier, das Flaggschiff „MARIA THERESIA“, „KAISER FRANZ JOSEF“ und „KAISERIN ELISABETH“. Die Schiffe sehen in jeder Hinsicht gut aus und auch die Mannschaft soll tüchtig sein.
US-Kreuzer „COLUMBIA“ als Modell
Am 15. erschien Amerika, vertreten durch die drei prachtvollen Schiffe: „SAN FRANZISKO“ (Flaggschiff), „NEW YORK“ und „COLUMBIA“. Letzteres ist das größte Schiff hier, und, wenn ich nicht irre, aller Nationen; dabei hat es die gewaltige Schnelligkeit von 22 sm (USS „COLUMBIA“ war ein für den Handelskrieg entworfener schneller und leicht bewaffneter Kreuzer großer Reichweite. Den Weg zur Kanaleröffnung hatte er in der Rekordzeit von knapp 7 Tagen zurückgelegt.). Ich fürchte nur sie sind wenig kriegstüchtig. Jedenfalls haben sie das Aussehen von prunkvoll eingerichteten Salondampfern. Übrigens erhielten bei der Begrüßung die Amerikaner, Russen, und Franzosen nicht, wie die übrigen Nationen, den Titel „unsere Kameraden“, sie wurden nur durch Hurrah begrüßt.
Gestern, am 16. langten die Schweden an, „GÖTA“ Flaggschiff, und