Kadett – Offizier der Kaiserlichen Marine – Briefe von Bord – 1895 – 1901. Willi Franck
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Читать онлайн книгу Kadett – Offizier der Kaiserlichen Marine – Briefe von Bord – 1895 – 1901 - Willi Franck страница 6
Ich will jetzt etwas über unsere Vereidigung erzählen. Vergangenen Sonnabend (vor acht Tagen ist wohl irrig, wird am 4. Mai gewesen sein) durften und mußten wir zum ersten Mal in Uniform ausgehen, weil wir vereidigt werden sollten. Am Tage vorher waren uns die Kriegsartikel verlesen und sonstige Instruktionen gegeben worden, und nun zogen wir geschlossen zur Kirche. Dort waren die sämmtlichen dienstfreien Offiziere zugegen aber keine Civilpersonen. Es wurden verschiedene Lieder gesungen, und dann hielt der Marinepfarrer eine recht hübsche, jedoch sehr, vielleicht zu sehr, militärische Ansprache. Darauf wurde der Eid auf die Kriegsflagge geleistet, indem ein Offizier die einzelnen Sätze vorlas, und wir sie nachsprachen. Mittags fand ein großes diner statt; von den Blumen, die die Tafel schmückten, habe ich mehrere aufbewahrt zur Erinnerung an den Tag. Nächsten Dienstag findet die Inspizierung des Infanterie-Dienstes für uns Kadetten statt; am 15. ds Mts geht es dann an Bord. Was wir dann unternehmen werden, darüber kursieren die verschiedensten Gerüchte, ich will lieber nichts Ungewisses berichten.
Am Tage meiner Vereidigung habe ich mich photographieren lassen, und zwar bei Billström (Kniebild). Mama hatte schon Sorge darüber, daß ich mich bei dem teueren Fotografen aufnehmen lassen würde. Ich habe das nicht gethan schon deswegen, weil ich gerne selbst bezahlen möchte.
Für das Schachspiel, das du mir schicken willst, danke ich vielmals; falls es noch nicht gekauft ist, suche mir bitte ein solches aus, das nicht zu groß und überhaupt für den Raum auf den Schiffen berechnet ist.
Ich schicke mit diesem Briefe einen Bogen Soldatenbriefmarken (Soldatenbriefmarken: Freimarken für Soldaten), die Mama wohl ganz angenehm sein werden.
Kiel, den 18. Mai 1895
Liebe Eltern!
Ich will Euch heute abend noch schnell einige Worte schreiben und den Brief mit 3 von meinen Photographien absenden. Eine, dachte ich sollte Oma erhalten und die beiden anderen stelle ich Euch zur Verfügung, vielleicht braucht Ihr noch eine zweite. Mittwoch sind wir an Bord gekommen und haben mit unserem Infanteriedienst im allgemeinen fertig, ganz allerdings noch nicht; heute morgen hatten wir zum Beispiel wieder Infanteriedienst, doch nicht mehr den eigentlichen Rekruten-Dienst, sondern die interessanteren Dienstübungen.
Ich habe diesen Brief gestern abend abbrechen müssen, da wir Messe räumen mußten. In 20 Minuten haben wir wieder Dienst, bis dahin noch einige Worte. Heute morgen war reinigen des ganzen Schiffes so daß man uns nirgends gebrauchen konnte und uns für 2 ½ Stunden in die Toppen entfernen mussten, dort habe ich den einliegenden Brief an Ingeborg geschrieben.
Herzliche Grüße für Euch liebe Eltern und die große Schwester
Euer Euch liebender
Sohn Willi.
Der einliegende Brief an WFs Schwester Ingeborg ist in krakeliger Bleistiftschrift geschrieben:
Kiel den 18. Mai 1895
an Bord SMS „STOSCH“ Oberbramraa (Dachstübchen des Mastes)
Liebe Ingeborg!
Ich habe mir für Dich den Spaß ausgedacht von hier hoch oben viele Meter über dem Wasserspiegel mit herrlicher Aussicht über die Landschaft weithin, einen Brief zu schreiben. Unter mir wird emsig das Schiff gescheuert, es ist heute ja Sonnabend, da hat man uns Kadetten die man nicht gebrauchen kann auf die Masten geschickt. Hier setze ich also, schreibe, esse und unterhalte mich otherwise. Über Deinen Brief habe ich mich sehr gefreut, auch darüber, daß der Papagei endlich vernünftig werden will. Sooft ich bei Tante Wanda bin, freue ich mich über deren Papageien und muss dabei an Deinen denken. Wie geht es eigentlich in Cöln? Ist der Birnbaum schon verblüht? Und wie sieht es überhaupt im Garten aus? Giebt es dies Jahr Aprikosen? Es giebt hier vieles Interessantes was ich schon an die Eltern geschrieben habe oder noch schreiben werde. Hier oben ist es sehr windig, und da ich gerade in den Wind sehen muss, so thränen mir die Augen etwas. Lebe also wohl und entschuldige Schrift und Unsauberkeit, ich bin ja den ganzen Mast aufgeentert.
Herzlichen Gruß u. Kuß von Deinem Bruder
Willi.
Pinneberg, den 1. Juni 1895
Liebe Eltern!
Hier von Pinneberg aus sende ich Euch und den Schwestern herzliche Pfingstgrüße und wünsche Euch recht schöne Feiertage. Nun will ich etwas aus der letzten Zeit, wo wir uns in der Nähe von Kiel herumtrieben, erzählen. Wir fuhren vergangenen Dienstag aus dem Kieler Hafen und ankerten nicht weit davor, bei dem „STOLLENGRUND FEUERSCHIFF“. Dann gingen wir nach Eckernförde, machten am Mittwoch nachmittag einen kleinen Ausflug nach der Stadt und der Umgegend. In der Bucht von E. trafen wir auch mit der „STEIN“ zusammen; wir fuhren dann noch die Meile ab (zum Messen der Fahrgeschwindigkeit) und kehrten dann nach Kiel zurück. Wie wir Kiel verließen, sahen wir auch daß der türkische Avisio (AVISIO: kleines, schnelles Schiff zur Befehlsübermittlung vom Typ der Kleinen Kreuzer. Der türkische Aviso „FUAD“ mit Vizeadmiral Arif Pascha an Bord nahm als letztes Schiffan der Flottenparade zur Eröffnung des Kaiser-Wilhelm-Kanals teil. Als die Begrüßungskapelle merkte, dass ihr die Noten der türkischen Hymne fehlten, spielte sie kurzentschlossen „Guter Mond, du gehst so stille...“) ohne Schornstein in den Kieler Hafen geschleppt wurde; wir konnten uns das ganze Unglück schon denken.
Das Schachbrett habe ich erhalten, leider ist die ganze Geschichte aus dem Leim gegangen, doch ist nichts eigentlich entzwei gegangen. Ich danke dir vielmals dafür, lieber Papa, und Anna für ihren Brief. Ich muß jetzt schließen, denn in 1 Stunde soll ich auf der Bahn sitzen und vorher noch essen. Lebt also wohl liebe Eltern, nochmals herzliche Grüße sendet Euer
Euch liebender
Jüngster
Führungszeugnis von der infanteristischen Ausbildung (Führung: sehr gut)
Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Kanals
Kaiseryacht „HOHENZOLLERN“
Kiel, den 25. Juni 1895
a. B. S.M.S. „STOSCH“
Liebe Eltern!
Es wird mir wohl schwerlich möglich sein, die Beschreibung vom Kanalfeste so ausführlich fortzusetzen, wie ich begonnen habe. Denn einerseits ist schon ziemlich viel Zeit seit dem letzten Briefe verflossen, andererseits haben wir verhältnismäßig