Seefahrerportraits und Erlebnisberichte von See. Jürgen Ruszkowski

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Seefahrerportraits und Erlebnisberichte von See - Jürgen Ruszkowski

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wollte, oder wenn er Spaß haben wollte, dann stellte er sich dusselig und verfiel in diesen breiten Jargon: „Das ham wer auf de Prejeldampfer vun Allnstein nach Inschterburg alln nich jehabt. Wenn der Damp just war, war da een jriene Lamp, sonst een roode. Abbä hier“ – und mit traurigem Blick auf die Manometer – „de vielen Uhren. De eene schteht uff halb neine, de annere uff dreeviertel zwee. – Man weeß jar ooch nich.“ Er war ein Schlitzohr erster Klasse und konnte seine Unlust so herzerfrischend ostpreußisch vorführen, dass man ihm lachend nicht böse sein konnte. Wir nannten ihn ‚Antek’ oder ‚Erbarmung’ oder sonst wie passend. Aber sein richtiger Name will mir trotzdem nicht einfallen.

      Der dritte im Bunde kam völlig ohne Gepäck an. Ein Kerl wie ein Baum mit Händen wie Ballastschaufeln oder Klosettdeckel. Seine Holzschuhe kennzeichneten ihn als ehemaligen Kohlenheizer. Aber der dunkle Anzug über der Athletenstaude machte ihn eher wie einen Bediensteten eines Beerdigungsinstituts aussehen. Sein Schweißtuch hatte er sich als Schmucktuch in die Brusttasche eingesteckt, und dahinter konnte man die Reste einer Zahnbürste erkennen. Er war offensichtlich völlig abgebrannt.

      Ich stand gerade mit dem Chief vor der Kombüse an Deck, als er kam. Freundlich stellte er sich dem Chief vor und beantwortete alle Fragen nach dem Woher usw. ohne Umschweife, betonte aber, dass er keine schwere Arbeit (wie z.B. ‚Kurbel kloppen’) machen könne. Für seine Figur könne er nichts. Er sei gelernter Tapezierer, was vor allem wegen seiner Hände etwas verwunderlich war. Es dauerte denn auch nicht lange, bis es kleinlaut herauskam: Er war angelernter Landstraßentapezierer, also Straßenbauer oder Steinsetzer gewesen. Er war sehr ruhig in seinen Bewegungen, machte aber alle Arbeiten mit Verstand. Er war zu gebrauchen. Bei uns hieß er Heizer-Joe.

      Warum schildere ich die Charaktere? Weil sie, oder einer von ihnen, eine raffinierte Idee hatten und sie umsetzten, ohne dass es sonst jemand merkte.

      Bei dem Umbau auf Ölfeuerung wurden die Kohlenbunker ja nicht mehr benötigt. Und Öl nimmt auch noch weniger Platz bei gleicher Heizleistung ein. Wir erhielten zwei Deeptanks und zwei Hochtanks jeweils aus den Seitenbunkern. Das Sparedeck (fast alle sagen aber nur Sparrdeck) wurde frei, und es gab noch einen schmalen Hohlraum zwischen den beiden Hochtanks auf halber Höhe mit dem einzigen Einstieg vom Heizraum. In diesem, sagen wir Locker, fanden wir eine 8“-Rohrleitung von Tankwand zu Tankwand mit einem Schieber in der Mitte. In den Plänen war aber keine Verbindungsleitung vorgesehen. Da auch kein Pumpenanschluss vorhanden war, gab mir der Chief daher Order, vorsichtig den Schieber auszubauen, um zu sehen, ob die Leitung in den Hochtanks weitergeführt sei, oder ob die beiden Hochtanks nur einfach damit verbunden waren, denn dann könnte es eine Ausgleichs- oder Überlaufleitung sein.

      Die Verblüffung war allerdings groß, als sich nach Ausbau des Schiebers auf beiden Seiten nur eine Holzscheibe vom Rohrdurchmesser am Band herausziehen ließ und die Tankwände unversehrt waren. Das ideale Schmuggelversteck! Aber es stand kein Name dabei.

      So sind die Heizer. Klok sünd se all, aber plietsch mutt man sien!

      Der Lebenslauf des Erzählers:

      Gerd Peters (Baujahr 1934) ist nicht nur ‚gebürtiger’ Hamburger, sondern sogar ‚geborener’, d. h. auch seine Eltern erblickten schon in Hamburg das Licht der Welt. Er wuchs im Stadtteil Eimsbüttel auf, ging aber schon mit drei Jahren auf eigene Faust auf Entdeckungstouren. Zweisprachig - plattdeutsch und hochdeutsch - ging es in der Familie zu. „Inhaltlich gut, stilistisch stellenweise unmöglich“, stand meistens unter seinen Aufsätzen. Deshalb übt er auch heute noch in beiden Sprachen.

      Verschiedene Gründe hinderten ihn daran, seinen ersten Berufswunsch (Gewerbelehrer im Chemiefach) zu verwirklichen. So begann er, obwohl der Berufseignungstest "völlig ungeeignet für technische Berufe" ergeben hatte, eine Maschinenschlosserlehre bei Barthels & Lüders auf Steinwärder (heute mit e), um Schiffsingenieur zu werden. Dieses war einer der wenigen Berufe, der es ermöglichte, das Studium selbst zu finanzieren.

      Nach nicht ganz drei Jahren schloss er die Lehre in der Schiffsreparatur, Maschinenfabrik, Kupferschmiede, Kesselschmiede und Rohrleitungsbau mit gutem Ergebnis ab und fuhr als Assi bei der Orion zur See. Auf dem Dampfer BELLATRIX wäre er gern länger als 16 Monate geblieben, aber es fehlte für den Schulbesuch noch Motorfahrzeit. Zwischenfahrzeit auf MS BERLIN, Bauaufsicht und Garantiezeit auf MS CAROLA REITH schlossen sich an.

      Da er für den Schulbesuch zwar die Bedingungen erfüllte, wegen des Ansturms aber nicht die nötige Punktzahl erreichte, erwarb er zunächst ein "Holzhackerpatent" (Kleinmaschinist C2D) und fuhr auf D HERMAM SAUBER (IV) als 3. und diensttuender 2. Maschinist.

      Zwar nicht zugelassen und 14 Tage verspätet, durfte er sich mit selbstorganisiertem Stuhl als Achtunddreißigster in die C5d des späteren Schulleiters "Krischan" Thomsen (Moby Dick) setzen. Dies geschah in der Hoffnung, dass bis zur Versetzung nicht mehr als 32 noch anwesend waren. Das gelang. Am 5. Februar 1960 waren C5 abgeschlossen, C4 ausgehändigt, Ersparnisse nach Heirat, Wohnungseinrichtung und Nachwuchsankunft erschöpft, und es ging wieder auf See. Eine Reise auf TS CAPRELLA und dann TS CAPSA bei der Deutschen Shell waren die nächsten Stationen als 3. Ing. Die Aufstiegsprognosen waren dort zwar nicht düster, aber grau.

      Ein Zwischenspiel auf MS EDDA CORDTS (Bremen) als 2. Ing. war in 9 Tagen überwunden. Dann ging es als 2. Ing. für 14 Monate auf D DITMAR KOEL bei der "Hanseatischen".

      Der Schulbesuch zum C6 gestaltete sich ähnlich wie beim C5. Der Abschluss war am 30.01.1963.

      Zwei Tage später begann seine Dienstzeit als Montage- und Garantieingenieur bei der Wahodag (Wagner-Hochdruck-Dampfturbinen-Gesellschaft). Die Antriebsanlagen (Kessel und Turbinen) der Zerstörer der "Hamburg"-Klasse, der Mittelanlage des Schulschiffs DEUTSCHLAND, der Technischen Marineschule Kiel wurden montiert und erprobt und einige Sonderaufgaben (z. B. die Inbetriebnahme der Kesselanlage des Tonnenlegers KAPITÄN MEYER - heute Museumsschiff) wurden bewältigt.

      Für eine angestrebte Lehrtätigkeit an der Schiffsingenieur- und Seemaschinistenschule waren damit die Bedingungen zwar fast erfüllt, aber es fehlte noch das (ausgefahrene) Befähigungszeugnis C6. So blieb nur die erneute aktive Seefahrt. Zunächst fuhr er als 2. Ing. auf MS KLAUS SCHOKE wieder bei der Hanseatischen und dann als Ltd. Ing. auf MS ADRIAMARE (Reederei Schüssler) - ein Kapitel für sich.

      Leider konnte wegen der damaligen Rezession die für ihn vorgesehene Stelle an der Schiffsingenieurschule in Hamburg nicht mit ihm besetzt werden. So ging er dann zunächst zum Amt für Arbeitsschutz in die damalige "Aufsicht über Dampfkessel und Maschinen". Mit anderen Worten: Er wurde Kesselkriecher. Nebenbei durfte er sich in der Schulung von Kesselwärtern üben, die freie Mitarbeit zum Einfahren von Dampfanlagen bei Blohm & Voss beibehalten und seine gutachterliche Tätigkeit zum Betrieb von Anlagen weiterführen. 1968 erwarb er zur Selbstbestätigung durch eine Reihe von Prüfungen auch die volle Hochschulreife.

      1971 bewarb er sich erneut um die Lehrtätigkeit in Hamburg und wurde angenommen. Als sogenannter Zehnkämpfer versuchte er vor allem Dampftechnik und Wärmewirtschaft verständlich zu machen und die ganzheitliche Sicht von Arbeitsplatz, Arbeit und Gesundheit zu fördern.

      So entstanden neben der schulischen Arbeit zahlreiche Gutachten, Vorträge und Veröffentlichungen zum Betrieb von Anlagen, zum Arbeits- und Umweltschutz (auch Forschungsvorhaben), so wurden Seminare für verschiedene Träger entwickelt und durchgeführt und nicht zuletzt die Ausbildung von Fachkräften für Arbeitssicherheit bei der See-BG mitgestaltet. Die aktive Seefahrt wurde allerdings von Amts wegen eingeschränkt, so dass er zuletzt 1973 als Urlaubsvertreter für den Chief auf MS MAIN EXPRESS (Ahrenkiel) fuhr.

      1979 wurde er zum stellvertretenden Sprecher des Fachbereichs gewählt. Jahrelang war er auch amtierender

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