Seefahrerportraits und Erlebnisberichte von See. Jürgen Ruszkowski

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Seefahrerportraits und Erlebnisberichte von See - Jürgen Ruszkowski

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des Schiffes zu verbessern, da je nach Drehrichtung der Schraube das Schiff nach Backbord oder Steuerbord ausschlägt. Dazu laufen unentwegt die Dieseldynamos, die den Strom für Licht und Heizung und für die Funkstation und die Hilfsmaschinen liefern. Hier muss die Kühlmaschine gewartet werden, die den Proviant frisch hält, da laufen immer einige Pumpen für Trink-, Spül- und Klosettwasser und für Kühlwasser der Motoren. Erstes Gebot ist, dass alle technischen Anlagen klar bleiben. Die Skylights, die Maschinenoberlichter, sind des Seegangs wegen wasserdicht verschlossen, aber durch die Luftschächte dringt Spritzwasser, und jedes Mal flucht der wachhabende Ingenieur, der Zweite, Griguzzies, oder der Dritte, Bogasge, oder Kuschke, der Vierte, denn auf den blanken Maschinenteilen hinterlässt das Salzwasser hässliche Rostflecke, und da muss wieder gewienert werden.

      Was es wohl für eine Sylvesterfeier wird? Alle warten auf die langsam näherkommenden Bergungsschlepper. Aber die Stimmung ist ausgezeichnet!

      Kapitän Wiese bleibt unverwüstlich, obgleich seine Augen tief in den Höhlen liegen. „Ach was, winkt er immer wieder ab. – Wenn ich nicht durchhalte, wer soll es denn?“ Und dann klingelt er wieder seinem Steward nach einer Mug heißen Kaffee – wir kommen ja aus Norfolk, aus den U.S.A., wo die Einheitsdosen mit gemahlenem Kaffee billig sind!

      In der Neujahrsnacht wird es dramatisch. 300 Seemeilen, fast 500 Kilometer ist das Schiff mit seinen grauen Notsegeln wie ein Freibeuter in fünf Tagen und Nächten vor dem Sturm hergeritten, ein gewaltiges Wegstück, auch im Atlantik! Wenn es auch nur zwei Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit oder wenig mehr bedeutet. Aber in dieser Nacht müssen sie endlich in Sicht kommen: WOTAN und SEEFALKE. Niemand kann der beiden Schlepper wegen schlafen. Heinen kommt auch gerade mal wieder mit einer Neuigkeit aus der Funkbude: „Nicht weit von uns ist noch ein Steamer durch diesen Kuhsturm zur Hilflosigkeit verdammt, die FLYING ENTERPRISE. Der Amerikaner hat einen Riss über Deck bekommen. Er macht tüchtig Wasser in die vorderen Laderäume und hat schon vorgestern Passagiere und Besatzung auf ein anderes Schiff abgegeben. Jetzt wartet der auch auf Bergungsschlepper.“

      Die Offiziere schweigen. Sie stehen gespannt auf der Brücke und stieren mit ihren Gläsern in die Dunkelheit voraus, in das Tosen der im Meeresleuchten schwach sichtbaren schäumenden Wellenkämme. „Wie ist die Peilung zu WOTAN und SEEFALKE? Dass sie uns nur nicht vorbeilaufen!“ „Liegt an, genau auf Kurs, Kapitän.“ Langsam geht es wieder einmal in die frühen Morgenstunden hinein, in denen die Müdigkeit schon fast schmerzhaft wirkt, wie fiebriges Kranksein, nach dieser maßlos anstrengenden Woche. Plötzlich aber, zwei haben es zugleich entdeckt! – sind ganz schwach die erwarteten Lichter auszumachen, verschwinden gleich wieder hinter Wellenbergen, gehen für längere Zeit verloren und sind wieder da.

      „Fast wie im Kriege auf Beutejagd, ebenso spannend. Nur dass man jetzt weiß, dass sie nicht auf uns schießen.“ „Prost Neujahr, meine Herren! Wir haben sie – sie haben uns“, spottet Wiese, „aber noch nicht im Hafen.“ „Hafen, die kommen doch aus der Heimat, Mensch, direkt ein Neujahrsgruß von zu Hause.“ In Windeseile jagt die Nachricht durchs Schiff. Langsam, nur zeitweise auf den Wellenkämmen sichtbar, tauchen die Schlepper aus der Dämmerung auf. Mit Tageshelle sind sie nahe. Unentwegt blinken die Morselampen von Schiff zu Schiff Verständigung über die Maßnahmen, die für die Übernahme der Schlepptrossen notwendig sind. – Viele Stunden später ist das Schwerste geschafft.

      Tag um Tag, Woche um Woche lasten die unverminderten Anstrengungen auf den Besatzungen der ADOLF LEONHARDT und der Schlepper. Nur vorübergehend flaut das Unwetter ab. Dann bringt es mit neuer Gewalt Windstärken kaum unter 9 und 10.

      Langsam kommt das Schleppgespann in das Seegebiet des Kanals, die Wellenlängen nehmen ab. Im dicken Nebel drohen Zusammenstöße. Bei dem schwerfälligen Schleppzug ist an Ausweichen nicht zu denken. Kapitän Wiese verlässt fast nie die Brücke. Nach kurzen Ruhepausen steht er wieder oben. Dann auf der Höhe von Dover passiert es: Die Schlepptrosse sitzt plötzlich auf dem flachen Meeresboden fest, verfangen in einem der vielen Wracks, die dort überall liegen. Wenn das Schleppseil an den scharfen Kanten rostzerfressener Aufbauten festhakt, zerreist, die ADOLF LEONHARDT frei und führungslos auf den Felsen treibt? Diesmal ist es gut ausgegangen, aber dreimal ist es bereits gerissen, noch auf dem Atlantik.

      Fast drei Wochen pendelt das ohnmächtige Schiff hinter den Schleppern her. Fast drei Wochen lebt die Besatzung unter äußerster Anspannung ihrer Willenskraft. Von vielen havarierten Schiffen kommen Nachrichten. Täglich hört man neue Namen. Von der ADOLF LEONHARDT hört man nichts. „Erst zu Hause sein, erst alles geschafft haben, vorher erfährt niemand, was hier los ist“, hört man häufig aus dem Munde des Kapitäns. Man kann doch nicht die ganze Welt mit seinen Sorgen in Bewegung halten, und bei Norderney buddelt einem noch der Untersatz unter den Füßen ab, was? Immer langsam, aber eisern!

      Schnell ist allen die letzte Nacht vergangen, fast schon ein Gefühl des Geborgenseins, als das Feuer von Wangerooge voraus an Steuerbord ausgemacht wird, dann die Feuerschiffe AUSSENJADE und WESER, das Aufflammen vom Rotesand-Leuchtturm. Als der Lotse die Jacobsleiter aufentert, werden kaum mehr Worte gewechselt als gewöhnlich, wortkarg ist dieser Beruf – jeder Satz muss sein Gewicht behalten. Aber der Händedruck, der ist fest, herzlicher als sonst. Kaum dümpeln die Schiffe noch, das Wasser wird gelb und mit jeder Minute ruhiger in der breiten Wesermündung. Immer mehr verkürzen die Schlepper ihre Leinen, schließlich, als im Watt das Fahrwasser zwischen den roten und grünen Tonnen enger wird, gehen die beiden Schlepper längsseits, SEEFALKE macht an Steuerbord fest, WOTAN an Backbord. So dampfen sie nach 1.350 Seemeilen Schleppfahrt auf Bremerhaven-Reede. Und dann setzt sich noch der Schlepper TITAN vor den Bug und hilft die Weser flussaufwärts bis Bremen, unter die wartenden Kohlengreifer, in den sicheren, spiegelglatten Hafen.

      Alles ist heil geblieben: Besatzung, Ladung, ja auch das Schiff. Nur ein paar Schrammen, Beulen, Splitter – und kein Ruder.

      Als die Ankunft am 17. Januar 1952 bekannt wird, überfallen Besucher das Schiff. Alle wollen Glück wünschen, alle wollen hören, was geschah. Doch Kapitän J. Wiese, der 22 Tage und Nächte kaum geschlafen hat, winkt ab: „Für mich gibt es jetzt nur eines“, zuckt es spöttisch um seinen Mund – „schlafen!“

      Es folgte 1952/53 ein weiterer Schulbesuch. Ab 20.05.1953 begann der Dienst als 1. Nautischer Offizier auf der BERND LEONHARDT, wieder auf der ADOLF LEONHARDT, auf der LUISE LEONHARDT, der INGRID LEONHARDT und der KLAUS LEONHARDT.

      Ab 25.06.1955 fuhr Wolfgang Schmidt als Kapitän auf der KLAUS LEONHARDT und bis 1965 auf etlichen weiteren Schiffen der Reederei Leonhardt & Blumberg. Mit dem Neubau WALTER LEONHARDT, den er als Kapitän führte, und der für zwei Jahre nach Brasilien verchartert war, hielt er sich längere Zeit in dem südamerikanischen Land auf, wohin ihm auch vorübergehend seine Frau und die Kinder folgten.

      Von 1965 bis 1985 war er beim Verein Hamburger Assecuradeure als Havarieexperte tätig. Am 1. Juli 1992 verstarb Wolfgang Schmidt nach einer schweren Erkrankung, die ihn 1978 zum Frührentner machte, im Alter von fast 66 Jahren.

      http://seeleute.klack.org/seite12.html

       Vier Monate Stippvisite in der Seefahrt

      Karlheinz Franke berichtet über sich: „Am 6.4.1930 wurde ich in Frankfurt an der Oder geboren. Wie meine Mutter immer wieder betonte, war ich ein Sonntagskind, sollte also besonders viel Glück im Leben zu erwarten haben.

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