Seefahrerportraits und Erlebnisberichte von See. Jürgen Ruszkowski

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Seefahrerportraits und Erlebnisberichte von See - Jürgen Ruszkowski

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waren 1949 und 1950 sehr heiße Sommer und der Rhein führte wenig Wasser, so dass wir das Schiff nicht voll beladen konnten. Normalerweise hat der Rhein auf 100 m einen Meter Gefälle. Im Binger Loch beträgt das Gefälle jedoch auf zehn Meter einen Meter. Da wurde der Schleppzug aus etwa sechs Schiffen geteilt, oder wir bekamen einen zweiten Dampfer als Vorspann. In die zwei Felsbarrieren beim Mäuseturm am Binger Loch hat man für die Bergfahrt zwei Löcher von 10 m Breite gesprengt. Die Talfahrt ging nebenan durch das „Neue Fahrwasser“, wegen der besseren Steuerungsmöglichkeit immer mit vier Schiffen gleichzeitig, jeweils zwei parallel aneinander vertäut. Einmal hatte sich das Schiff vor uns losgerissen, weil sich ein Seil in unsichtbaren Brückentürmen verfangen hatte. Unser Kahn bekam am Bug eine Beule und musste für mehrere Wochen in eine Werft. Im Winter hatten wir immer genug Kohle zum Brennen an Bord. Manchmal tauschten wir auch welche bei Winzern gegen Wein ein. Neujahr lagen wir in Gernsheim, und ein Matrose von einem anderen Schiff unseres Reeders nahm mich mit zu sich nach Hause. Dort gab es Wellwurst und jungen Wein, dessen Wirkung ich noch nicht kannte. Es ist mir heute noch ein Rätsel, wie ich die schmale Planke ohne Geländer wieder heil an Bord gekommen bin. Da wir wegen des Eisgangs nicht fahren konnten, musste ich draußen bei 10° Kälte Rost klopfen. Ich lebte sehr sparsam und wollte mir endlich meinen ersten Anzug kaufen. Da das Geld aber nicht reichte, gab mir der Schiffsmann einen Vorschuss, den ersten in meinem Leben. Ich hatte zeitweilig auch einen Hund zu versorgen, der mir zugelaufen war, aber eines Tages auch wieder verschwand. Bei einem Gespräch mit dem Schiffer eines in Duisburg neben unserem liegenden Schiffes bot der mir höheren Lohn an. Der Schiffer der HELENE meinte, ich müsse erst noch die Reise bis Ludwigshafen mitmachen, weil er so schnell keinen Ersatz bekomme. Von Ludwigshafen aus bin ich dann mit dem Zug nach Duisburg zurückgefahren und musste auch noch für meinen Hund den halben Fahrpreis entrichten. Dort sagte mir dann jeder Schiffer, dass er mich nun so schnell doch noch nicht gebrauchen könne. Da stand ich nun ohne Wohnung und ohne Arbeit. Einige Nächte kam ich bei Verwandten eines Matrosen auf dem Sofa in der Küche unter. Dann lernte ich einen Matrosen kennen, der beschlagnahmte belgische Schiffe in einem abgelegenen Hafenbecken bewachte. Der bot mir an, dass ich auf einem dieser Schiffe übernachten könne, wenn ich ihm etwas bei seiner Arbeit hülfe. Ich ging jeden Tag zum Arbeitsamt und fragte nach einer freien Stelle.

      Eines Tages hatte ich Glück und konnte auf dem Hafendampfer „LUISE“ von Ruhrort anfangen, einem schon reichlich betagten Schiff von etwa 80 Jahren. Es gehörte dem Reeder Hermann Kawater. Der stand den ganzen Tag zusammen mit anderen Reedern vor dem Haus des Schifferbetriebsverbandes und wartete auf eine Schleppfahrt. Vorne im Schiff war die Kapitänskajüte des Kapitäns Laux. Er benutzte sie aber nur zur Mittagsruhe, da er nachts zu Hause schlief und jeden Morgen mit dicker Aktentasche an Bord kam. In der Tasche hatte er sein Kochgeschirr und die Brote für den Tag. Man nannte diese Sorte Schiffsführer immer etwas herablassend „Henkelmannkapitäne“. Ansonsten saß er fast den ganzen Tag zusammen mit anderen Kapitänen in einem der Steuerhäuser und diskutierte. Wir beide hatten öfter Meinungsverschiedenheiten, da mir sein herablassender Kommisston nicht gefiel. Mit dem Maschinisten Grundmann verstand ich mich gut. Er war früher auf großen Dampfern in der ganzen Welt herumgekommen und konnte spannend erzählen. Er wohnte außerhalb von Duisburg und kam jeden Tag mit einem Moped zur Arbeit. Am Markttag hatte er einen Anhänger mit Gemüse dahinter und brachte auch seine Frau mit, denn sie hatten zu Hause eine Gärtnerei. Der Maschinist erklärte mir die vielen Leitungen und Ventile, und einmal haben wir eine Nacht lang die ganze Dampfmaschine auseinandergenommen, weil ein Lager erneuert werden sollte. Am nächsten Tage musste das Schiff ja wieder fahrbereit sein. Meine Aufgabe war es, die Kohle zu beiden Seiten des Kessels vorzuholen und ins Feuerloch zu werfen, damit immer genug Dampf vorhanden war. Eine Toilette gab es auf der LUISE nicht. Das Geschäft wurde auf der Kohlenschippe erledigt und dann ins Feuer geworfen. Wenn wir im Hafen lagen, musste ich das Schiff mit Schrubber und Wassereimer waschen oder mit Teer oder Farbe streichen. Wenn wir schleppten, musste ich die Schleppseile einhängen, beim Steuern helfen und vor den Brücken den Schornstein schnell umlegen und anschließend wieder hochziehen, damit nicht zu viel Rauch ins Steuerhaus kam. Viel zu fahren gab es in den ersten Nachkriegsjahren nicht, gelegentlich mal ein Kiesschiff von der anderen Rheinseite oder ein Kohleschiff aus den Rheinhäfen. Unseren größten Auftrag hatten wir in Wesel, so wir den Engländern beim Manöver halfen, als sie eine Pontonbrücke über den Rhein bauten. Als an einem Sonntag die Arbeit ruhte, packte mich die Abenteuerlust, und ich bin über den Rhein geschwommen, der hier bei Wesel ziemlich breit war und eine starke Strömung hatte. Bei Mainz hatte ich den Rhein schon einmal schwimmend überquert. Die Abende alleine an Bord waren ziemlich öde für mich. Ich bin dann manchmal nach Duisburg gelaufen und habe mir Schaufenster angesehen und mir ein Bier getrunken.

      Nach einem Jahr Arbeit auf Rheinschiffen ging ich per Fahrrad auf die Walz und fand nach einer Rundfahrt durch den Norden Deutschlands eine Stelle als Tischler in Altenhagen I im Südhannoverschen. Nach einem Unfall wurde ich entlassen und diente danach vorübergehend Vater Staat als Kostgänger.

       Seefahrt

      Die kurze Zeit meiner Seefahrt vom 19.03.1952 bis zum 22.07.1952 reichte aus, um mich zum Altersrentner der Seekasse zu machen. Das kam so:

      Eines Tages verspürte ich mal wieder Fernweh und sattelte meinen Drahtesel. Es sollte nach Bremen gehen, das ich noch nicht kannte. Die Stadt war schwer zerstört, aber schon wieder gut aufgeräumt. Ich suchte mir eine Unterkunft in der Jugendherberge, die damals auf dem Segelschulschiff DEUTSCHLAND im Europahafen untergebracht war. Ich sah, dass an Bord viele Leute rumwerkelten, einige auch in richtigen Matrosenanzügen, wie ich sie als kleiner Junge getragen hatte. Ich fragte dann Kapitän Hattendorf, ob er mich nicht auch als Schiffszimmermann gebrauchen könne. Er meinte dann, dass es wohl etwas zu hoch gegriffen sei, aber als Schiffsjunge könne ich anfangen. So ging ich zum Amtsarzt, machte die nötigen Untersuchungen durch und holte mir vom Seemannsamt mein Seefahrtbuch. Soweit ich mich erinnern kann, bekam ich neben Unterkunft und Verpflegung 50 DM im Monat. Die Verpflegung erhielten wir zusammen mit den Jugendherbergsgästen, mal mehr, mal weniger. Da mussten dann immer Tische und Bänke aufgestellt und wieder weggeräumt werden. Nachts wurde der Raum als Schlafsaal benutzt, wozu die Hängematten an der Decke befestigt wurden. Manchmal kamen auch größere Gruppen zu Gast, und auch wir Schiffsjungen erhielten Zuwachs, einmal vier Kadetten vom Norddeutschen Lloyd, die bei uns Seemannsbeine bekommen sollten.

      Die Stammbesatzung bestand aus Kapitän Hattendorf, der aber zu Hause bei seiner Frau wohnte und an Bord den Salon und die Kapitänskajüte im Achterschiff hatte, alles in feinstem Mahagoniholz getäfelt. Außerdem gehörten zur Stammbesatzung noch der Segelmacher, ein Freiherr von Kieseritzky, der in seiner Jugend von seinem polnischen Gut getürmt war und schon viele Fahrten der DEUTSCHLAND mitgemacht hatte, die 1927 bei Blohm & Voss erbaut worden war. Da gab es noch den Maschinisten Gerdes aus der Braker Gegend, der für Technik und Elektrik zuständig war. Da das Schiff mit einem Elektroaggregat für 110-Volt-Spannung eingerichtet war, wir aber den Strom vom Elektrizitätswerk von Land mit 220-Volt-Spannung bekamen, musste man bei den elektrischen Geräten immer aufpassen, wenn umgeschaltet wurde. Außerdem war da noch der Bootsmann, der aus Cuxhaven stammte und die Köchin für die Jugendherberge, eine Kriegerwitwe mit ihrem Sohn. Sie alle wohnten im Achterschiff in den Offizierskammern.

      Wir Jungen konnten jetzt in die sogenannten Unteroffizierskammern mit mehreren doppelstöckigen Kojen in einem Raum im Vorderschiff einziehen. Zu unserer Gruppe gehörten Pidder, der Maler, ein Hilfsarbeiter und die vier Kadetten vom Norddeutschen Lloyd. Neben mir gab es noch einen Tischler, Dietmar Wolff, der aber zu Hause in der Neustadt wohnte.

      Wir hatten eine kleine Werkstatt mit Hobelbank und führten kleinere Holzreparaturen durch. Wir beiden Tischler haben uns gut verstanden. Dietmar hat später noch ein Studium aufgenommen und wurde Geschäftsführer der Handwerkskammer in Hoya und später in Wiesbaden.

      Gelegentlich musste ich zusammen mit den Kadetten bei der Decksarbeit helfen. Da mussten wir mit Ziegelsteinen,

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