Seefahrerportraits und Erlebnisberichte von See. Jürgen Ruszkowski
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Ich sprach mit Kapitän Hattendorf darüber, zu dem ich ein gutes Verhältnis hatte, das auch später noch viele Jahrzehnte anhielt, als er Werftkapitän bei Stülken in Hamburg war und ich im Rauhen Haus studierte und als er Geschäftsführer des Deutschen Schulschiffsvereins wurde und ich wenige Straßen weiter beim Diakonischen Werk in Bremen arbeitete. Der Kapitän versprach mir, dass er sich mal umhören wolle, denn es gab damals nur eine Handvoll deutscher Schiffe.
Nicht weit von uns entfernt lag die PAMIR, ein stolzer Viermaster. Ich hatte gehört, dass dort ein zweiter Schiffszimmermann gesucht werde. Aber als ich nachfragte, war die Stelle gerade zwei Stunden vorher besetzt worden und mein Traum zerplatzt. Später dachte ich manchmal daran, wozu es gut war, denn es war die letzte Fahrt der PAMIR und nur wenige der Besatzung haben überlebt.
Eines Tages rief mich Kapitän Hattendorf und sagte zu mir: „Seemann, ich habe ein Schiff für dich, du musst dich aber beeilen, die wollen bald auslaufen.“ Es war die „ANTON WILHELM“, ein fast neues Küstenmotorschiff mit 500 BRT und fünf Mann Besatzung im Vorschiff. Im Achterschiff wohnten der Eigner und Kapitän Wilhelm Boyksen sowie der Steuermann. Ich war mit 22 Jahren der „jüngste Moses“, da ich noch keine Fahrzeiten in meinem Seefahrtbuch hatte, obwohl ich älter war als die anderen Schiffsjungen und Matrosen. So wurde ich erst mal in die Kombüse geschickt und sollte für die Besatzung kochen. Der Steuermann hatte Buttermilchsuppe angeordnet, aber die zerrann und wollte nicht dick werden. Als er zur Kontrolle kam, hat er sie über Bord gegossen, und ich musste zusehen, wie er so etwas kochte.
Das Schiff wurde von einem Kran mit Paletten voller Kartons mit Becksbierdosen beladen, die für die belgischen Kolonien bestimmt waren. Die Ladearbeiten verrichteten die Schauerleute. Wir mussten nur aufpassen, dass keine Schäden am Schiff entstanden.
Mit ablaufendem Wasser ging die Fahrt weserabwärts und dann nach Antwerpen, wo die Fracht in große belgische Schiffe umgeladen wurde. Da pulsierte das Leben im Hafen. Leider bin ich aber nicht in die Stadt gekommen. Ganz in unserer Nähe lag das katholische Seemannsheim „Stella Maris“, wo man ein Bier trinken und auch nach Schallplattenmusik mit den Mädchen tanzen konnte. Leider wurde die nette Stimmung durch einen betrunkenen norwegischen Seemann gestört, der unbedingt eine Schlägerei anfangen wollte, als er hörte, dass wir deutsch sprachen. Es war schon spät geworden, und ich hatte mich im Hafen verlaufen. Da sah ich an der gegenüberliegenden Kaimauer unser Schiff liegen. Da ich nicht noch einmal das ganze Hafenbecken zurücklaufen wollte, zog ich mich aus, nahm meine Kleidung als Bündel über den Kopf und schwamm auf die andere Seite.
Leider war in Antwerpen keine Fracht zu bekommen, und so fuhren wir mit dem leeren Schiff nach Hamburg. Unterwegs gerieten wir in einen schweren Sturm mit Windstärke 10. Da hat sogar der Kapitän die Fische gefüttert. Ich musste dann hinterher alles aufwischen, obwohl mir selber hundeübel war. Ich bekam allerhand Ratschläge gegen die Seekrankheit, wie z. B. Brot mit Rum. Als wir die Elbe hochfuhren, sagte ich zum Kapitän, dass es wohl doch nicht der richtige Beruf für mich sei, wofür er auch Verständnis hatte. Die anderen Besatzungsmitglieder sagten etwas traurig zu mir: „Du hast wenigsten schon einen richtigen Beruf, in dem du an Land Arbeit findest, aber wir müssen auf Gedeih und Verderb durchhalten.“
Ich brachte meine Seekiste, die ich mir auf der DEUTSCHLAND gebaut hatte, mit meinem Werkzeug zum Güterbahnhof und fuhr mit dem Rad wieder in mein Zuhause nach Altenhagen I und meldete mich tags darauf wieder beim Arbeitsamt.
„Gott ist Sonne und Wind, doch das Steuern, dass ihr den Hafen gewinnt, ist euer!“
Als sich später herausstellte, dass es nicht mehr genügend deutsche Seeleute gibt, die den Bestand der Seekasse als Rentenversicherungsträger garantieren können, wurden alle Leute, die irgend wann, wenn auch nur kurz, einmal zur See gefahren waren, in die Zuständigkeit der SBG gegeben, so dass ich heute von dort mein Altersruhegeld beziehe und dadurch immer wieder an meine kurze viermonatige Seefahrtzeit erinnert werde.
Weitere Stationen meines Lebens waren Arbeit im Zentralheizungsbau und im Kohlebergbau unter Tage. Auf Umwegen kam ich dann nach Hermannsburg in der Lüneburger Heide an die evangelische Volkshochschule. Hier bekam mein Leben eine christliche Prägung, und ich wurde sogar mit 10 Jahren Verspätung konfirmiert. So wuchs in mir der Entschluss, zur Diakonenausbildung ins Rauhe Haus einzutreten. Bevor ich aber den Schritt in die vierjährige Ehelosigkeit und Armut auf Zeit tat, lieferte ich meine Ersparnisse anlässlich einer Abschlussreise der Kursteilnehmer der Volkshochschule nach Venedig in den Kunsttempeln Italiens ab. Von dieser Reise habe ich mir ein lebendiges Andenken mitgebracht, das mir auch in der Zukunft treu bleiben sollte, meine spätere liebe Frau. Per Anhalter und ohne Geld traf ich am 9.04.1954 im Rauhen Haus ein.“
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Karlheinz Frankes weitere Lebensweg: Praktikum auf dem Brüderhof, einer landwirtschaftlichen Zweigeinrichtung des Rauhen Hauses, im Lehrlingsheim in Cuxhaven und bei der Flussschiffermission in Hamburg. Unterrichtsbeginn im Rauhen Haus am 22.8.1955. 23. März 1956: „schulwissenschaftliche“ Prüfung, die statt des Mittelschulabschlusses die Fachschulreife bescheinigte. Am 18. März 1958 bestand Karl-Heinz Franke das Wohlfahrtspflegerexamen im Hauptfach Jugendwohlfahrtspflege und Sozialpädagogik, am 2. März 1959 das Diakonenexamen. Nach der Diakonenausbildung heiratete er Ilse Cohrs, mit der er drei Kinder großzog.
Ab 1959 war er zunächst als Hausvater im Lehrlingsheim der Evangelischen Kirchengemeinde Schwelm in Westfalen, später als Heimleiter in einem Mütter- und Kindererholungsheim in Bad Rothenfelde, in Altersheimen in Hamburg-Rahlstedt, in Boppard am Rhein, und in Wildeshausen tätig. Seine letzte Stelle als Diakon und Sozialarbeiter beim Diakonischen Werk in Bremen beendete er 1990 mit Eintritt in den Ruhestand. Am 24.11.1989 verwitwete Karlheinz Franke. Jetzt verlebt er seit Jahren als Rentner der Seekasse seinen Lebensabend in seinem eigenen Haus in Wildeshausen.
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Die ausführliche Autobiographie des Karlheinz Franke ist als 108-Seiten-Extraband beim Herausgeber dieses Buches zu beziehen. – Siehe letzte Seite!
Karlheinz Franke zusammen mit dem Herausgeber Jürgen Ruszkowski
http://rauheshausbruder.klack.org/seite2.html
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