Seefahrerportraits und Erlebnisberichte von See. Jürgen Ruszkowski

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Seefahrerportraits und Erlebnisberichte von See - Jürgen Ruszkowski

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Filmen, Postkarten, Prospekten und Zeitungsausschnitten wieder gefunden: Relikte der Seefahrt aus den 1950er und 60er Jahren. Sie fielen seiner Zeit unter den Bannstrahl meiner Frau (mit der ich damals schon zusammen war), weil sie Angst hatte, dass unsere beiden Söhne auch Interesse an der Seefahrt finden könnten, wenn sie davon zu viel erzählt bekämen. Später fehlte mir die Zeit und vor allem die Muße, mich an diese Sammlungen zu erinnern. Auch heute noch, wenn wir mit Bekannten und Verwandten aus der Seefahrtbranche zusammen kommen, wird mir vorher die gelbe Karte gezeigt und die drohende Bitte geäußert: „Pack ja nicht wieder die Werkzeugkiste aus!“ Mir fallen dann spontan einige Treffen ein, wo nicht über Seefahrt gesprochen wurde. Aber ich bekenne freimütig: Leicht ist es mir nicht immer gefallen. Denn das Erleben bei der Seefahrt oder auch sonst im Beruf ist schon allein wegen der zeitlichen Länge gegenüber dem Familienleben während der Schaffensjahre intensiv und prägend. Also, wo, wenn nicht unter Kollegen kann man sich ausreichend an die berufsbezogene Vergangenheit erinnern? Nur noch beim Stöbern in alten Unterlagen. Und das Erzählen davon ist eine Art „oral history“, irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit.

      Seefahrt, das waren vor allem Lehrjahre, in denen man Verständnis für Fremde, deren Können und vor allem deren Unzulänglichkeiten im wahrsten Sinne des Wortes erfahren musste. Man erinnert sich mit einem Schmunzeln, auch wenn einem damals überhaupt nicht zum Lachen zumute war. Und Neptun möge mir vergeben, wenn ich heute nicht mehr alles so erinnere, wie es damals war.

      Ich war Maschinenschlosserlehrling bei „Boilermaker & Co“, einige sagten auch despektierlich „Buddel & Lutscher“, sprich Bartels & Lüders. Da ich schon etwas älter war, hatte ich daher Gelegenheit, ein Reparaturschiff von England mit zu holen: Kolbendampfmaschine, Kohlenfeuer. Der Zustand lässt sich am besten dadurch beschreiben, dass beim Anwärmen der Dampf schon aus dem Mitteldruckframe kam. Aber ich will nicht über die Arbeit klagen – und auch nicht über Kopfschmerzen und Magenverdrehung – denn ich lernte hier das Grundwissen des Kohleheizens. Dieses konnte ich nicht nur beim Maschinenkurs, abends bei Opa Oldenburg und anderen verwenden, sondern vor allem auf meinem ersten Schiff als Assi.

      Ich hatte am Freitagmittag die mündliche Prüfung in der Gewerbeschule bestanden, wanderte nach Erhalt des Assischeins bei Herrn Scharfenberg in der Ingenieurschule Richtung Lehrfirma durch die Stadt, und da ich vor wenigen Tagen auf der BETEIGEUZE gearbeitet hatte, schaute ich bei der Orion Schifffahrtsgesellschaft Reith & Co. in der Rosenstraße vorbei, um nach einem Dampfer zu fragen, denn mindestens sechs Monate Dampferfahrzeit waren vorgeschrieben. Montagmorgen könnte ich in Rotterdam auf der BELLATRIX einsteigen, wenn mich denn B & L noch 14 Tage vor Ablauf meiner vertraglichen Lehrzeit laufen lassen würde. Sie ließen! Das Seefahrtbuch gab es damals noch auf dem „Stall“ im „weißen Haus“, dem heutigen Hotel „Hafen Hamburg“ und die Gesundheitskarte im Zippelhaus. Beide Dokumente hatte ich schon.

      Mit dem damals üblichen Kurswagen (Sonntagabend kurz vor 24 Uhr ab Hamburg, Montagmorgen gegen 7 Uhr Rotterdam) kam ich mit schwerem Koffer (damals musste ich noch eigenes Bettzeug mitbringen) und einem bereits befahrenen Kollegen am Zielort an: Straßenbahn, Spido, Frans Swartouw – Vaalhaven.

      Der Empfang an Bord durch den Chief war herzlich und bestimmt: „Wo hast du gelernt? Dann kannst du nach dem Mittagessen in der Wendekammer Rohre walzen!“ Ich wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht, dass wegen starker Wasserverluste und einem völlig heruntergefahrenen Verdampfer der Mittelkessel zur Speisewasserzeugung genutzt wurde. Ich hatte also eine gute Lehrstelle – ein Arbeitsschiff – erwischt.

      Ich kam beim 2. Ing. auf 4/8-Wache, damit ich vormittags zutörnen konnte. Als mich wenige Wochen später Hans Edwin Reith fragte, ob ich Pauschale oder Einzelüberstunden bezahlt haben wolle, und ich mich für letzteres entschied, hatte ich mir eine große Sparbüchse eröffnet.

      Gute Ratgeber hatten mir empfohlen, mich als „Unteroffizier“ nicht von den Heizern, insbesondere vom Oberheizer rumkommandieren zu lassen. Bubi Witt war zwar nicht groß, aber untersetzt und ein unbestrittener Herrscher im Heizraum. Der 2. Ing. ging jedenfalls nicht ohne vorherige freundliche Anfrage „ob er dürfe“ in den Heizraum. Die Tagesform war dort entscheidend. Ich war ja noch nicht vorbelastet, ich durfte. Bereits während meiner zweiten Seewache rief Bubi mich in den Heizraum. Seltsamerweise waren alle Heizer und Trimmer anwesend, was mich aufmerksam machte, ohne mir etwas anmerken zu lassen. Er zeigte mir, wie man ein Feuer sauber macht und sparte nicht mit guten Ratschlägen. Er konnte ja nicht wissen, dass ich schon einige Griffe kannte. Dann kam der eigentliche Grund. „So, das hast du nun gesehen! Jetzt machst du das nächste Feuer sauber – und das jede Wache für mich, damit du das lernst und damit du kräftiger wirst!“ Zugegeben, ich war immer eher schmal, aber zäh. Bubis Art duldete keinen Widerspruch, aber ich wollte mich nicht unterwerfen. Ich fing also an, das gewünschte Feuer zu reinigen. Bubi stellte sich neben mich, um mich zu beobachten. Körperlich war ich zwar hoch gewachsen, aber ein Hänfling gegen ihn. Dennoch erinnerte ich mich an frühere Selbstverteidigungsübungen. Eine schnelle Drehung, Ausnutzung der Hebelkräfte, und Bubi saß zwischen den glühenden Schlacken. Ich konnte ihm noch wieder aufhelfen, eine Entschuldigung murmeln und ihn vor versammelter Heizraummannschaft anbrüllen, dass er seine und ich meine Arbeit machen müsse. Dann zog ich es vor, den Platz zu wechseln.

      Noch zwei Reisen hatten wir Kohlefeuerung, dann wurde auf Ölfeuerung umgebaut. Bubi Witt und einige andere wechselten, weil sie keine Ölheizer waren. Aber bis dahin sind wir sehr gut miteinander ausgekommen. Und ich habe viel von ihnen gelernt. Auch die zweite Prüfung, Kampftrinken in der Heizermesse, konnte ich damals noch erfolgreich überstehen. Als drohender Schnack mit hintergründigem Lachen blieb dann nur: „- oder wollen wir das Faustrecht proklamieren?“

      Heute kann sich Keiner solchen Einstieg ins Seefahrerleben mehr vorstellen. Mein Handeln ist mir schwergefallen, aber es war zur Erlangung und Erhaltung der Autorität unter den gegebenen Umständen überlebenswichtig.

       Klok sünd se all – plietsch mutt man sien

      Der Dampfer BELLATRIX war jetzt umgebaut auf Ölfeuerung. Und damit kam in den Heizraum eine völlig neue Besatzung. Die ‚reinen’ Kohlenheizer und Trimmer (oder Kohlenzieher) mit ihren Eigenarten gingen, und es kamen Heizer mit, wie sie behaupteten, Ölerfahrung. Aber originelle Typen waren auch sie. Es gab unter ihnen nicht nur, wie bei den Kohleheizern auch, die ‚normalen’ – aber was ist bei den Seefahrern schon normal? – sondern auch die skurrilen. Der Heizerberuf war wohl zu allen Zeiten ein Auffangberuf für Menschen mit besonderen Eigenarten. Vielleicht waren die Kohlenheizer etwas gröber. Jedenfalls waren die Eigenarten der neuen Leute teilweise feiner. Ja, wer es nicht erlebt hat, wird den Unterschied auch nicht spüren. Ich werde deshalb weitere Begebenheiten schildern und die Eigenarten der Beteiligten zur Kennzeichnung der Originale, die sie waren, beschreiben.

      In der Werft war noch reichlich Fluktuation. Nur der Oberheizer, der Donkeyman, Charly Voges, war von Anfang an dabei. Er war auch noch an Bord, als ich (einer der beiden Assis) mehr als ein Jahr später abmustern musste, um noch Motorerfahrung für den Schulbesuch zu sammeln. Charly Voges war ruhig, besonnen, etwas behäbig und ein zuverlässiger Donkeyman, also Nachtwachengänger im Hafen, denn auf diesem Schiff wurde zumindest einer der drei Kessel durchgängig betrieben, auch wenn kein Lade- und Löschbetrieb anstand. Er war früher schon auf diesem Schiff gefahren und hat mir viel über diese Zeit erzählt. Auch eine ganze Reihe Heizertricks habe ich von ihm erfahren. Und wenn ich etwas ausprobieren wollte, hat er mir geholfen. In meinen Augen war er gütig und ehrlich, kurz: Ich hätte ihn als Opa annehmen können. Auf See wechselte er in die 8/12-Wache, zu der auch ich bei dem neuen Chief, der auch schon früher auf diesem Schiff Dienst getan hatte, eingeteilt wurde. Die beiden kannten sich also.

      Dann kam noch einer, dessen Name mir entfallen ist. Ein quirliger Typ, der mehrere Sprachen beherrschte,

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