Tod du Fröhliche. Martin Cordemann

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Tod du Fröhliche - Martin Cordemann

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sagte Horstmann, der sich auf meinem Schreibtisch niedergelassen hatte, dort, wo eigentlich meine Füße hingehörten, „aber Ihre Methoden sind an der Grenze zum Kriminellen. Verstehen Sie: Wir sind die Polizei! Wir gehen streng nach Vorschrift vor, ob uns das passt oder nicht! Ihre Methode mag ja schneller sein, und wirkungsvoller, aber es ist uns leider untersagt, so vorzugehen. Tut mir leid.“

      „Naja, ist ja nicht Ihre Schuld. Also... streng nach Vorschrift?“ Horstmann nickte. „Wie langweilig!“

      „Das mag sein, aber das ist nun mal das Leben! Und da ist noch etwas: Sie arbeiten für mich! Also bin ich der Boss, oder?“

      Ich stimmte ihm zögerlich zu.

      „Gut, dass Sie wenigstens das einsehen. Weiß und ich machen jetzt Mittag und Sie werden hier auf das Büro“-das-keins-war-und-auch-bei-besten-Willen-nie-eins-sein-würde „aufpassen. Also, bis dann!“

      Er lächelte und die beiden gingen und ließen mich allein zurück. Ich legte meine Beine auf den Schreibtisch und döste vor mich hin, die Tür zum Gang weit offen, um etwas Frischluft hereinzulassen. Es war ein ruhiger Tag, kein Lüftchen regte sich, alles war still. So still, dass man auf dem Gang die Stimme eines Kollegen hören konnte, die sagte: „Das Vermisstendezernat ist die letzte Tür auf diesem Gang.“

      Ich öffnete langsam ein Auge und sah den Gang hinunter. Dort stand neben dem Polizisten ein junges Ehepaar, das nun seinerseits meine wenig Aktivität ausstrahlende Gestalt ausmachte.

      „Der junge Mann ist zuständig?“ fragte die Frau, die kaum älter war als ich, vielleicht aber doch. Absolutes Missvertrauen lag in ihrer Stimme.

      „Lassen Sie sich nicht von seinem Aussehen täuschen“, meinte der Kollege, der damals mit dabei gewesen war, als ich... dabei war, in die Mühlen der Justiz zu rutschen und als Polizist zu enden, da, wo ich jetzt war, verschwitzt und kein Vertrauen ausstrahlend, „das ist einer der fähigsten Männer auf seinem Gebiet!“

      Damit hatte er Recht; gut war nur, dass er sich nicht auf irgendein Gebiet hatte festnageln lassen. Aber das Ehepaar war damit zufrieden und kam nun neuen Mutes auf mich zu. Was mochten sie wohl zu suchen haben? Einen Hamster? Einen elektrischen Fisch? Ein aufblasbares Cabriolet?

      Ich richtete mich auf, nahm meine Füße vom Schreibtisch, bzw. umgekehrt, weil ich in dieser Reihenfolge wahrscheinlich derbe auf die Fresse geknallt wäre, und sah den beiden entgegen. „Guten Tag.“

      „Guten Tag, Herr...“

      „Rhode!“

      „Guten Tag, Herr Rhode. Ich bin Johannes Ueter und das ist meine Frau Katja.“

      „Freut mich. Was kann ich für Sie tun?“

      Beide wirkten unruhig.

      „Es geht um unseren Sohn“, platzte Frau Ueter heraus. „Er ist verschwunden!“

      Ich setzte mein mitfühlendes Gesicht auf, während sich in meinem Magen etwas zusammenballte. „Wie alt ist Ihr Sohn?“

      „Anderthalb Jahre.“

      Mist! Überall begannen die Alarmglocken zu schlagen, Rotlicht flammte auf und in meinen Ohren begann es zu dröhnen. Das war eine ganz beschissene Ausgangssituation.

      „Ähm, seit wann ist Ihr Sohn denn verschwunden?“

      „Seit gestern Abend. Wir sind ausgegangen und als wir wieder nach Hause kamen, war Albert nicht...“ Sie schluchzte und kämpfte mit einem Taschentuch gegen die aufsteigenden Tränen an.

      „Sie haben ihn alleingelassen?“

      „Als wir gingen, spielte er im Garten. Wir hatten es eilig, aber weil doch in ein paar Minuten unser Babysitter kommen sollte, dachten wir...“

      Da hatten sie sich wohl geirrt. Aber ein anderthalbjähriges Kind geht nicht einfach abends aus und kommt erst spät am nächsten Tag wieder. Das tun anderthalbjährige Kinder nicht. Jedenfalls meines Wissens nicht!

      „Wir haben alle unsere Bekannten und Nachbarn angerufen, aber er ist nirgendwo. Und... er ist doch Bluter!“

      „Haben Sie die Umgebung abgesucht? Den Keller? Vielleicht versteckt er sich irgendwo, oder... hat versucht auf einen Baum zu klettern oder sowas?“

      „Wir haben überall nachgesehen. Albert ist verschwunden!“

      „Okay...“ Ich veranlasste alles nötige, um schnell eine Suchmeldung rausgeben zu können. Wann würde nur endlich mein Chef wiederkommen? „Haben Sie ein Photo Ihres Sohnes bei sich?“

      Frau Ueter förderte eines aus ihrer Handtasche zu Tage.

      „Vielen Dank. Und dann brauche ich noch Namen und Anschrift Ihres Babysitters.“

      Ich bekam die gewünschten Informationen.

      „Ähm, Ihr Kind... hat das nicht schon öfter gemacht, oder? Ich meine, dass es einfach durch die Umgebung streift...“

      Anderthalbjährige Kinder streifen nicht einfach so durch die Umgebung!

      „Haben Sie noch andere Kinder?“

      So jung wie sie waren konnten sie höchstens welche adoptiert haben – und die wären dann älter gewesen als sie selbst!

      „Gut, ich... ich werde mich darum kümmern.“

      „Herr Rhode“, sagte Frau Ueter eindringlich, „ich möchte Sie bitten, nach meinem Kind zu suchen! Bitte, bitte finden Sie unseren Kleinen!“

      Ich nickte. Sie warfen mir noch einen flehentlichen Blick zu, dann verließen sie mein das-ist-weder-mein-noch-überhaupt-ein-Büro. Da saß ich nun, auf meinem Schreibtisch lag eine Suchmeldung, vor der sich jeder im Vermisstendezernat mit Grauen abwenden würde, wusste nicht genau was ich tun sollte und wartete auf meinen Chef. Ich hielt es ganze 20 Sekunden ruhig aus, dann ließ ich das Photo vervielfältigen, schickte eine Suchmeldung mit dem Vermerk DRINGEND raus, sah mich noch einmal um, ob mein Chef wieder zurück war und machte mich auf den Weg.

      Zuerst fuhr ich zu den Ueters. Die schienen überrascht zu sein, mich schon so bald wieder zu sehen, aber ich wollte mir mal den „Tatort“ anschauen. Wie ich erwartet hatte, hatte sich ihr kleiner Albert inzwischen nicht wieder von selbst eingefunden. Ich sah mich ein bisschen um. Einer der Sträucher im Garten war etwas lädiert, so, als wäre jemand darüber gestiegen. Der gesamte Garten wurde von einer hüfthohen Hecke umgeben, ein Teil dieser Hecke machte den Eindruck, als wäre jemand beim Drüberspringen drübergestreift. Das konnte jeder gewesen sein – abgesehen vom kleinen Albert selbst. Der konnte genau so gut in den Händen von Kindesentführern sein, wie in denen von Lustmördern. Tolle Ausgangssituation, wirklich! Ich hatte das Gefühl, dass ich solche Fälle hasste! Im Garten fanden sich keine weiteren Spuren, jedenfalls soweit ich das beurteilen konnte. Ich rief im Präsidium an und ließ die Spurensicherung kommen.

      „Glauben Sie...“ Ich wusste ziemlich genau, was Frau Ueter mich fragen wollte. Ich hob die Schultern.

      „Wir müssen alles in Betracht ziehen.“ Eine Politikerantwort! Auch das hasste ich!

      Mit der Spurensicherung tauchte auch mein Chef auf, in dessen Begleitung sich der Mann befand, dem ich überhaupt

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