Winnetou Band 1. Karl May

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Winnetou Band 1 - Karl May Winnetou

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»Habe keine Lust dazu.«

       »Aber Ihr seid doch wohl gekommen, um Geschäftliches mit ihm zu besprechen!«

       »Allerdings. Doch kann ich Euch das auch sagen. Bei Euch findet es sogar besseres Verständnis als bei

       ihm. Vor allen Dingen wollte ich ihn vor den Roten warnen.«

       »Habt Ihr welche gesehen?«

       »Nicht direkt, sondern nur ihre Fährten. Es ist jetzt die Zeit, in welcher die wilden Mustangs und Büffel

       südwärts ziehen; da verlassen die Roten ihre Dörfer, um zu jagen und Fleisch zu machen. Die Kiowas

       sind nicht zu fürchten, denn mit ihnen haben wir uns wegen der Bahn geeinigt; die Komanchen und

       Apachen aber wissen noch nichts davon, und so dürfen wir uns vor ihnen ja nicht sehen lassen. Was mich

       betrifft, so bin ich mit meiner Sektion fertig und verlasse diese Gegend. Macht, daß Ihr auch zu Ende

       kommt! Der hiesige Boden wird von Tag zu Tag gefährlicher für Euch. Sattelt jetzt Euer Pferd und fragt

       Sam Hawkens, ob er Lust hat, mitzukommen.«

       Natürlich hatte Sam Lust.

       Eigentlich hatte ich heut arbeiten wollen; aber es war Sonntag, der Tag des Herrn, an welchem jeder

       Christ, selbst wenn er sich in der Wildnis befindet, sich sammeln und mit seinen geistlichen Pflichten

       beschäftigen soll. Dazu hatte ich wohl einmal einen Ruhetag verdient. Ich ging also zu Bancroft in das

       Zelt und sagte ihm, daß ich heut nicht arbeiten, sondern White mit Sam Hawkens ein Stück begleiten

       würde.

       »Geht in des Teufels Namen, und laßt euch von ihm die Hälse brechen!« antwortete er, und ich dachte

       nicht, daß dieser rohe Wunsch in kurzer Zeit beinahe in Erfüllung gehen würde.

       Ich war seit einigen Tagen nicht in den Sattel gekommen, und mein Rotschimmel wieherte freudig auf,

       als ich ihm das Zeug auflegte. Er hatte sich als ein vortreffliches Pferd bewährt, und ich freute mich schon

       im voraus darauf, dies meinem alten »Gunsmith« Henry sagen zu dürfen.

       Wir ritten munter in den schönen Herbstmorgen hinein, sprachen über das geplante, großartige

       Bahnunternehmen und über alles, was uns auf dem Herzen lag. White gab mir die nötigen Winke, welche

       sich auf den Anschluß an seine Sektion bezogen, und zu Mittag machten wir an einem Wasser Halt, um

       ein frugales Mahl zu genießen. Dann ritt White mit seinem Scout weiter, und wir blieben noch ein

       Weilchen liegen, um uns über religiöse Dinge zu unterhalten.

       Hawkens war nämlich ein frommer Mensch, wenn er dies auch gegen Andere nicht zutage treten ließ.

       Kurz, bevor wir aufbrachen, um zurückzukehren, bückte ich mich zum Wasser nieder, um mit der Hand

       zu schöpfen und zu trinken. Da sah ich durch die kristallhelle Flüssigkeit auf dem Boden einen Eindruck,

       welcher von einem Fuße herzurühren schien. Natürlich machte ich Sam darauf aufmerksam. Er

       betrachtete den Eindruck aufmerksam und sagte dann:

       »Dieser Mr. White hatte ganz recht, als er uns vor den Indianern warnte.«

       »Meint Ihr, Sam, daß diese Spur von einem Indianer herrührt?«

       »Ja, von einem indianischen Mokassin. Wie wird Euch dabei zu Mute, Sir?«

       »Gar nicht.«

       »Fi! Ihr müßt doch etwas denken oder fühlen?«

       »Was soll ich anderes denken, als daß ein Roter hier gewesen ist?«

       »Also habt Ihr keine Angst?«

       »Fällt mir nicht ein!«

       »Wenigstens Sorge?«

       »Auch nicht.«

       [Illustration Nr. 4: Entdeckung im Wasser]

       »Ja, Ihr kennt die Roten nicht!«

       »Hoffe sie aber kennen zu lernen. Sie werden wohl grad so wie andere Menschen sein, nämlich die

       Feinde ihrer Feinde und die Freunde ihrer Freunde. Und da es nicht meine Absicht ist, sie feindlich zu

       behandeln, so nehme ich an, daß ich nichts von ihnen zu befürchten habe.«

       »Ihr seid eben ein Greenhorn und werdet es ewig bleiben.

       Nehmt Euch noch so fest vor, wie Ihr die Roten behandeln wollt, es wird doch ganz, ganz anders

       kommen. Die Ereignisse sind doch nicht von Eurem Willen abhängig. Ihr werdet das erfahren, und ich

       will wünschen, daß diese Erfahrung Euch nicht einen tüchtigen Fetzen Menschenfleisch aus Eurem

       eigenen Leib oder gar das Leben kostet.«

       »Wann mag dieser Indsman hier gewesen sein?«

       »Vor ungefähr zwei Tagen. Wir würden seine Spuren hier im Grase sehen, wenn es sich nicht während

       der Zeit wieder aufgerichtet hätte.«

       »Ein Kundschafter wohl?«

       »Ein Kundschafter auf Büffelfleisch, ja; denn da jetzt Friede zwischen den hiesigen Stämmen herrscht,

       kann es kein Kriegskundschafter gewesen sein. Der Kerl war außerordentlich unvorsichtig, also sehr

       wahrscheinlich jung.«

       »Wieso?«

       »Ein erfahrener Krieger tritt nicht mit dem Fuße in ein Wasser wie dieses hier, wo die Spur auf dem

       seichten Grunde zurückbleibt und noch lange gesehen werden kann. So eine Dummheit kann nur von

       einem Dummkopfe begangen werden, der gerade so ein rotes Greenhorn ist, wie Ihr ein weißes seid,

       hihihihi. Und weiße Greenhorns pflegen sogar noch viel dümmer zu sein als rote. Könnt Euch das mit

       merken, Sir!«

       Er kicherte leise in sich hinein und stand dann auf, um sein Pferd zu besteigen. Der gute Sam liebte es

       eben, mir seine herzliche Zuneigung dadurch zu verstehen zu geben, daß er mich für dumm erklärte.

       Wir hätten auf dem Wege, den wir gekommen waren, zurückkehren können; aber als Surveyor war es

       meine Aufgabe, unsere Strecke kennen zu lernen; darum bogen wir erst

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