Mein Lieber Sohn und Kamerad. Eberhard Schiel

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Mein Lieber Sohn und Kamerad - Eberhard Schiel

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alle gesund? Grüße bitte alle Vereinsbrüder und Herrn Diete! Gottbefohlen Dein Willy

      Kommt ein junger Offizier, spricht, wir sind verloren, alle jungen Musketier, sind im Schnee erfroren.

      AN WILLI PUCHERT (16)

      Stralsund, 8.10.1914

      Lieber Willi!

      Deinen Brief vom 4/10 habe ich erhalten. Als Du diesen geschrieben hast, hattest Du wohl meinen Brief noch nicht? Am 6/10 erhielt ich eine Karte von W. Neels aus Barhöft. Er ist beim Wachkommando. Am Sonntag beendeten wir unseren Kursus mit einer Prüfung vor Herrn Regierungspräsidenten. Zum Schluß sprach er seine Anerkennung aus über die schönen Leistungen unserer Kolonne und hoffte, daß diejenigen, die zur Etappe kommen, die an sie gestellten Anforderungen genügen würden. Jetzt haben wir wöchentlich 1 Übestunde. Im Verein las Herr Diete einen Brief von seinem Bruder und einen von dem jungen Ingenieur. Der Ingenieur ist durch eine Heldentat der Franzosen in Kriegsgefangenschaft geraten. Er wurde nämlich verwundet und samt einem ganzen Feldlazarett gefangengenommen und nach Toulouse gebracht. Jetzt hat er Herrn Diete über die Schweiz einen Brief gesandt. Danach geht es ihm ganz gut, und Fritze Schlamm ist nun wieder ins Feld. Otto Päglers Bruder ist hier als Verwundeter in Stralsund. Er hat eine Verletzung am Finger. Otto erzählte, daß er ein französisches Seitengewehr mitgebracht hatte, das er aber für 10 Mark verkaufte. Ich hätte es trotz der 10 Mark nicht getan. Leutnant Zülke hat das Eiserne Kreuz 2. Klasse erhalten. Die beiden Fliegerschuppen in Stralsund sind mit dem großen Sturm weggesegelt. Der Besuch der Kriegsgebetsstunde ist leider gering, da am Mittwoch Kriegsjugendwehr ist. Aber Herr Diete geht stets hin, und wenn wie neulich nur Walter Radüge mitkonnte. Es scheint, als ob wir verschiedene Mitglieder von den Konfirmanden erhalten werden. Der eine spielt schon mit unserer Hauskapelle Geige. Wie wär es, wenn ich durch Gerhard auf Deiner Mandoline spielen lernte? Der Röhrenmeister Wiedemann, aber auch leider der Herr Direktor Rauschenbach, sind zum 1. April gekündigt. Der Wiedemann empfing Damenbesuch. Um 10 Uhr habe ich ihn gesehen, als er mit seiner Dame aus seiner Wohnung kam. Seine Frau und Tochter sind ja schon längst bei Frau Wiedemanns Mutter in Stolp. Also, das wollte ein städtischer Beamter sein, der moralisch unter jedem Arbeiter steht? Daß aber Herrn Direktor gekündigt ist, tut mir leid, aber Wiedemann diente als Werkzeug der Inspektion, um Herrn Direktor fortzubringen. Nun, da es erreicht ist, wird auch dem W. gekündigt. Gestern erhielt ich von Alfred eine Karte. Ich antwortete sofort und teilte meine Freude über seine Karte mit. Auch schrieb ich, daß ich gern alles vergesse, was vorgefallen ist und bitte ihn nun, eine neue Freundschaft zu schließen, die übers Grab hinausgeht, so war uns Gott helfe. Am Montag versammelte Herr Diete uns vom Verein. Die Mitglieder der Jugendwehr sind in seinem Zimmer. Keiner wußte warum. Vorne mußten wir uns aufstellen, wie Herr Diete es verlas. Mir kam die ganze Sache immer noch rätselhaft vor. Dann sagte uns aber Herr Diete, daß wir alle uns zusammenschließen und treu zusammenhalten müßten. Als äußeres Zeichen schlägt er vor, daß möglichst jeder einen Wandervogel-Anzug trägt. Diese würden bei einem Geschäft für alle bestellt werden. Dann soll jeder seine Vereinsnadel tragen. Herr Diete liest uns die Leitsätze der Berliner Pfadfinder christlicher Vereine vor. Wir mußten ihm in die Augen sehen und die Hand geben, indem wir versprachen, jeder für sein Teil dazu beizutragen, daß wir treu zusammen arbeiten und vermeiden, daß jemand ohne triftige Gründe aus unserem Verein austritt. Dann verkündete er, daß wir nunmehr eine Abteilung der Pfadfinder des Vereins bilden. Sonnabend findet dann gleich die erste Veranstaltung statt, ein Nachtmarsch. Wenn ihr also am Sonnabend ins Feld geht, vergesse nie, auch wenn Strapazen kommen, Deinen Gott. Denke daran, daß auch ich für Dich bete! Und nun Waffenheil und gottbefohlen

      Dein Otto

      VON WILLI PUCHERT (17)

      Jüterbog, 10.10. 1914

      Lieber Otto!

      Heute abend erhielt ich Deinen Brief vom 8/10. Etwa 6 Stunden vor der Abreise. Heute Nacht um 12 Uhr geht es fort. Allem Anschein nach Richtung Antwerpen. Feldmarschmäßig ist schon alles. Tornister ist fertig gepackt. Er hat eine anständige Schwere. Als Liebesgaben erhielten wir 1 Hemd, 1 Unterhose, Pulswärmer, 1 Magenbinde, Kopfwärmer und 3 Paar Strümpfe. Dazu die eigenen Sachen, die eiserne Portion, bestehend aus Erbskonserven, Fleischkonserven, 1 Brot, 2 Beutel Zwieback, 2 Dosen Kaffee, 1 Dose Salz, 1 Beutel Reis, die Schnürschuhe. Alles in allem eine ganze Menge. Du kannst Dir wohl vorstellen, was das zusammen wiegt. Dazu 180 scharfe Patronen. Die Knarre und das Seitengewehr sowie Schanzzeug. "Mit Gott für König und Vaterland!" So ziehen auch wir hinaus in den Kampf für die Ehre und Freiheit unserer Deutschen Nation. Mit Gott! Er soll unser Führer und Leiter in den kommenden schweren Wochen sein. Auf ihn will ich mich verlassen. Er soll mein Schirmherr sein. Ob auch Tausend fallen zu meiner Rechten und Zehntausend an meiner Seite, so wird es mich nicht treffen. Wenn Strapazen kommen, will ich mich aufrichten in dem Gedenken an unseren Herrn und Heiland, der um unseretwillen den Tod erlitt. Mit ganzem Herzen teile ich Deine Freude über Alfred Meißners Verhalten. Hoffen wir, daß die Freundschaft, neu gestärkt und geschmiedet, noch reiche Früchte tragen wird. Das Soldatenleben und der Krieg edelt den Charakter; er wird auch Alfred formen, daß er seine kleinen Fehler aufgibt. Auch ich hoffe, als Mann wiederzukommen. Nun zu Deinen Neuigkeiten. Also eine Pfadfindergruppe habt ihr gegründet. Es wird gut sein. Der Wert dieser Truppe wird sich ja bei längerem Bestehen herausstellen. Der Krach mit dem Röhrenmeister ist ja was Dolles. Den Vers, den ich schrieb, könnt ihr singen, wo und an welcher Stelle ihr es für richtig haltet. Besonders gut ist er nicht. Wenn Du lernen möchtest, Mandoline zu spielen, so wird es mir eine Freude sein. Mein Instrument stelle ich Dir gerne zur Verfügung. Werdet ihr im kommenden Winter wieder Elternabende veranstalten? Liebe Grüße an Deine Eltern und Geschwister.

      Nun Gottbefohlen und auf Wiedersehen

      Dein Willy

      AN WILLI PUCHERT (18)

      Stralsund, 13.10.1914

      Lieber Freund!

      Herzlichen Dank für Deinen erhaltenen Brief. Es war der schönste von denen, die ich bisher erhielt. Wenn Du meinen Brief bekommst, werdet ihr doch schon in Feindesland sein, denn Dein Brief ist doch während der Fahrt dorthin abgesandt. Neustadt liegt an der Bahn Berlin-Hamburg, etwa 70 km von Berlin, nicht wahr? Daß das Regiment 209 reichlich mit Wollsachen versehen ist, las ich in der Zeitung. Es ist ja sehr erfreulich, daß ihr so viel an eiserner Ration erhalten habt. Jedenfalls werden Dir die Konserven einmal besser schmecken als den Russen der Sand, der sich in ihren Dosen befand. Wegen des Regens wurde der geplante Nachtmarsch nichts. Wir versammelten uns im Heim zu einer gemütlichen Tafel. Es wurde Kakao eingeschenkt und Kuchen gereicht. Unsere Hauskapelle spielte auf und wir unterhielten uns sehr nett. Die zwölften Schläge der Kirchturmuhr waren eben verhallt, als Herr Diete sich erhob und wir nun eigentlich erst den Grund unseres langen Zusammenseins erfuhren. Herm. Wulff hatte gestern Geburtstag, und der Tag seiner Geburt begann für R. Will eben nach Zwölf. Wir beglückwünschten beide und erfuhren auch, daß beide die Kosten des Abends trugen. Sonntagmorgen sitze ich zu Hause mit unserem Telephon, da kommt ein Kamerad (Barnekow) von der Sanitätskolonne und teilt mir mit, um 1/2 11 Uhr antreten, es kommen 150 Verwundete. Ich renne nun los, denn es ist bald an der Zeit. Der Bahnhof ist von Menschen umlagert. Auf dem Bahnsteig erfahren wir, daß Franzosen und Belgier ankommen. Pünktlich läuft der Zug ein. Was sehe ich da: Rothosen, waschechte Rothosen mit blauem Frack und rotem Käppi. Aber dies ist lange nicht alles. Es war eine richtige Völkerschau: Franzosen, Belgier, Engländer, ja sogar Turkos und Zuaven. Auch französische Offiziere habe ich gesehen. Diese machten gar keinen schlechten Eindruck. Die Turkos sehen jämmerlich aus und haben gefroren. Sie haben blaue Pluderhosen und Jacken mit Goldborte besetzt. Dazu schwarze Tuchgamaschen und Schnürstiefel (mit Nägel beschlagen). Der Gesichtsausdruck ist schrecklich. Die Franzosen müßten sich schämen, solche Elemente auf den europäischen Kriegsschauplatz zu führen. Wir trugen Franzosen von der Bahn zum Krankenhaus. (Städtisches) Hier fünf Treppen hoch. Dann nahmen wir

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