Mein Lieber Sohn und Kamerad. Eberhard Schiel
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AN ALFRED MEISSNER (38)
Stralsund, 10.12.1914
Lieber Alfred!
Endlich komme ich dazu, Dir für Deine Karte zu danken. Entschuldige bitte, wenn ich nicht bei Deiner Abreise auf dem Bahnhof war, aber es ging nicht. Da mein Direktor sich am Dienstag stellen mußte, sind am Montag die ganzen Arbeiten erledigt worden. Aus diesem Grunde konnte ich auch meinen Bahnhofsdienst nicht machen. Da ich in der Mittagszeit einen Vertreter suchen mußte, konnte ich leider nicht mehr in Deine Wohnung kommen, hätte Dich, da Du ja spazieren gingst, vielleicht gar nicht angetroffen. Am Dienstag fing ich an in der Stadt zu arbeiten. Weil die Petroleumnot schon ziemlich groß ist, haben wir sehr viel zu tun und wir verfügen über nicht genügend Leute. So kam denn ein Schlosser von der Gasanstalt zur Stadt, der mich als Helfer erhielt. Nun gibt`s die 8-stündige Arbeitszeit nicht mehr. Nun arbeitet man wieder 10 Stunden. Ja, am Sonntag arbeitete ich auch von 7 bis 1 Uhr. Also auch noch mal 6 Std. Nun habe ich also weniger freie Zeit und deshalb mußt Du entschuldigen, wenn ich erst heute schreibe. Willi Puchert liegt noch immer in Bochum. Daß Du nach seinem Befinden fragst und ihm gute Ratschläge gibst, habe ich Willi mitgeteilt. Warum schreibst Du nicht an ihn. Mir scheint es so, als ob Du seine Freundschaft suchtest. Also, wenn dem so ist, so schreib nur an: W. Puchert, Lazarett, Bochum 5. Den Brief muß ich erst noch erhalten und lesen .Heute erhielt ich eine Nachricht, auch W. Neels ist verwundet, und zwar am Arm, in den Kämpfen um Lods. Ein anderes Mal berichtet mehr
Dein allzeit getreuer Otto
Am Dienstag früh 1/2 4 Uhr war ich schon auf dem Bahnhof, es kamen 60 schwerverwundete Deutsche.
VON ALFRED MEISSNER (39)
Krekow, 24.12. 1914
Mein lieber Otto!
So ist`s denn heilig Abend geworden. Und ich kann nicht daheim sein. Wir haben hier Nüsse, Äpfel, Stollen u. Pfeffernüsse gekriegt. Ein Baum war auch aufgestellt und der Oberleutnant hielt eine kurze Ansprache. Doch was ist das schon gegen die Weihnacht daheim, wo man den Zauber dieser Stunde echt empfindet, wo man singt und Mutter betet. Ich gehe am liebsten hinaus in den Eckerburgener Wald in die schweigende Winterlandschaft. Hein hat mir "Menschen ohne Heimat" geschickt. Ein köstliches Buch, auch wie erschütternd, wenn man den ganzen Gedanken "heimatlose Menschen" erfaßt, die da in den Städten wohnen. (in den Mietskasernen) Heimatverwurzeltes, bodenständiges Volk brauchen wir. Doch da erhebt sich mir wieder die Frage: Wo ist Deine Heimat? Dort, wo du geboren bist, oder wo du dein Glück, deine Liebe gefunden hast? Noch ist mir die Antwort der Frage nicht vollständig klar. Aber heilig gelobt habe ich mir`s, mein Volk soll eine Heimat haben und ich will sie bauen helfen
.Lieber Otto! Ich bin Dir noch sehr dankbar, daß Du mir die Bilder von Christel gezeigt hast. Ich weiß, sie leuchtet mir wie ein Stern in der Nacht, in Kampf und Arbeit. Ich glaube an sie, und was das für mich heißt, magst du daran ermessen, daß ich an Dich erst geglaubt habe, nach dem wir uns getrennt hatten. Täglich schaue ich ihr Bild an und - warte. Glaube mir, es ist köstlich zu warten, zu warten auf ein Glück und zu wissen um die Liebe eines Mädchens. Still, ohne es ihr zu sagen. Darum, lieber Junge, sei nicht traurig, daß Dora nicht die Deine ist. Es ist nun mal ehernes Gesetz: Erste Liebe stirbt wie im Rauhreif die Frühlingsblume. Und meine erste Liebe ist Christel ja auch nicht. Leider war die meine viel zu früh. Sie hat mir ein Stück echter Jugend geraubt, daß ich erst wieder zu erlangen suche. - - -Es ist Weihnachtszeit, so einsam, nimm mir`s nicht übel, wenn ich so über Vieles mit Dir plaudere, was mir in dieser Stunde in den Kopf kommt. - Ich habe Dich einst gehaßt, als Du von mir gingst. Ich war so unendlich empört über Deinen gebrochenen Schwur. Ein Eid ist mir heilig, heiliger wie die heiligste Herzensregung. Ich habe gewürgt, getragen, an meinem Leid. Darum stieß ich auch Erich Rotbarth, Neels und Käding von mir. Ich wollte allein sein mir mir und Erich. Ich habe gelernt in den Wochen, doch was? Noch am Sylvestertage sagte ich mir, was ist aus dir geworden? Ein einsam-zornig kämpfender Mensch. Ich hätte Dir gern die Hand gereicht, doch eine Stimme sagte mir: "Das Schicksal führt Euch zur rechten Zeit zusammen." - Immer, wenn ich Rückschau halte, taucht Arbeit auf, große und schöne Arbeit, die Wehrloge. ..Geschwankt habe ich so manches Mal in meinem Gottesglauben. Einmal war der kriegerische, lichtgekrönte Odin mein Ideal, doch durch Nietsche und Schopenhauer rang ich mich hindurch zu dem ewigen Gott. Noch mochte ich aber den strengen Bibelglauben nicht. Da lernte ich in stillen Nächten auf der Seereise mit der "Valencia" Christus als den höchsten, den größten Helden kennen. Allerdings mit der Liebe, die er vergibt, heilt und lindert. In jener Bibelstunde hörte ich: "Ich will Euch nicht den Frieden bringen, sondern das Schwert". Das kam mir jetzt in den Sinn. Im Schlachtendonner erlebte ich diesen Gott, mit seinem gewaltigen Licht. Wohin wohl mit mit meiner Sorge, also hin zum Gebet zu diesem Heiland. Zu diesem Hinein hatte ich unbegrenztes Vertrauen. Als Narren erschienen mir diejenigen, die da sagten, es gibt keinen Gott. Ich habe mich doch freiwillig wieder ins Feld angemeldet, da meinte meine Tante, es tue ihr leid. Ich weiß aber, wofür ich kämpfe, für die Heimat und das sagt mir alles. Sterben kann man immer einmal, doch einen Heldentod sterben? Wenn Gott will, so komme ich lebend wieder und arbeite weiter. - Ein ander Mal mehr. Ich muß ins Bett. Gehst Du in die Wehrloge? Gehe bitte zur Weihnachtsfeier hin. Schreibe bitte bald wieder. Ich mag so gern mit Dir plaudern. Ich, ich weiß gar nicht, was ich alles sagen möchte. Aus der Ferne grüßt Alfred
AN ALFRED MEISSNER (40)
Stralsund, 29.12.1914
Mein lieber Alfred!
Dank, herzlichen Dank für Deinen lieben Brief. Ich sitze hier in unserem Zimmer der Roten Kreuz Wache. Eben habe ich Deinen Brief wieder gelesen und finde, daß Du möglichst bald eine Antwort erhalten möchtest. Leider kann ich eher Donnerstag keinen ausführlichen Brief schreiben. Hier auf dem Bahnhof fehlt mir die nötige Ruhe. Zur Weihnachtsfeier der Wehrloge war ich nicht, denn erstens kam dein Brief erst am 28. an, und zweitens erfuhr ich erst durch Erich, daß der Abend schon am 26. gewesen ist. Leo Zanke weilt in Stalsund. Er hat einen etwa 10 cm langen Streifschuß an der Schläfe. Von Willi Neels erhielt ich einen Brief. Danach geht es ihm gut. Am Donnerstag schreibe ich mehr.
Dein getreuer Otto
AN ALFRED MEISSNER (41)
Stralsund, 31.12.1914
Mein lieber Alfred!
Ich ergreife die Feder, um den versprochenen Brief zu schreiben. Inzwischen habe ich Deine liebe Karte erhalten. Du hast mich gebeten, in die Wehrloge einzutreten. Daß ich nun schon am nächsten Sonnabend in der Sitzung erscheinen würde, um Mitglied zu werden, wirst Du ja selbst nicht geglaubt haben. Nur so viel will ich Dir heute schreiben: mit der Ansicht vieler Guttempler, wenn alle Menschen das Trinken lassen, dann gibt`s Zufriedenheit, eine gesunde Menschheit, kurz, was man den idealen Menschen nennt, bin ich nicht einverstanden. Gibt es denn keine Abstinenzler, die spielen, ungläubig sind, usw. Fangen wir doch bei dem Einen an, die Menschheit muß wieder zu Gott geführt werden. Wer ein echter Christ ist, der wird wissen, wie weit er gehen darf. Der Gläubige kann alles mitmachen, aber er muß nachdem ebenso freudig beten können wie vorher. Wenn ich also in die W.L. eintrete, so tue ich es, weil sie ein gut Stück Jugendpflege treibt und für Deutschlands Jugend will ich ja gerne arbeiten. Ich wünsche auch wieder die Zeit herbei, in der deutsche