Die Pueblo-Kulturen. Werner-Wolf Turski

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Die Pueblo-Kulturen - Werner-Wolf Turski

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Chichimeken durch zivilisatorische Herrschaft zu Azteken, Tolteken oder anderen mit Lokalnamen belegten Volksgruppen machtpolitisch „hochgearbeitet“ hatten und einen Platz in der Geschichte (nicht nur in der Völkerkunde) einnehmen konnten.

      Viele dieser „ursprünglichen“ Barbaren waren, bevor sie ins mexikanische Hochtal kamen, nach einigen Quellen bereits „halbwegs zivilisiert“ (Was immer das auch heißen mag? Wahrscheinlich bezog sich dieses „halbwegs“ auf die von der „Zivilisation“ nutzbare Fähigkeit bodenbauerischer Aktivitäten der Immigranten.). Mehr oder weniger nomadische und/oder halbnomadische Chichimeken-Gruppen (Sammler/Jäger und Bodenbauer) lebten auch weiter bis zur spanischen Eroberung im Norden Mexikos unabhängig von den Zivilisationen.

      „Chichimeken“ ist eine Sammelbezeichnung für Menschengruppen – ich vermeide bewusst die oft genutzte Bezeichnung „Stämme“ – die aus dem Norden und Nordwesten Mexikos in die Zivilisationsbereiche des Hochtals von Mexiko einwanderten. Diese Einwanderung ist mit Konflikten vielfältigster Art mit den Menschen im Einwanderungsgebiet verbunden. Der Druck in ihrer nördlichen Heimat muss aber groß genug gewesen sein, sich den zu erwartenden Konflikten und ihren sicher oft auch harten Konfliktlösungen zu stellen. Die Ursachen der Abwanderung aus dem Norden dürften ökologisch-ökonomische Wurzeln haben.

      Klimatische Veränderungen kleineren und größeren Ausmaßes, in ihrer Wirksamkeit differenziert durch sehr unterschiedliche lokale Bedingungen, können für kleinere und größere Menschengruppen existenzielle Gefährdungen in ihrer Subsistenzwirtschaft bewirkt haben, denen man nur noch durch ausweichende Mobilität/Flucht begegnen konnte.

      Die Abwanderungsrichtung folgte nicht einer abstrakten, ggf. spirituell wichtigen Himmelsrichtung, sondern nach natürlichen Wegen, auf oder an denen während des Wanderzuges Wasser und Nahrungsstoffe zu finden waren, denn das „Reisegepäck“ war mit Sicherheit sehr beschränkt. Bevorzugte Wanderwege waren orientierungssichere Flussläufe und Täler, die nach Überwindung schmaler Wasserscheiden zum nächsten orientierungssicheren Fluss- und Talsystem führten. Das weitverzweigte Flusstalsystem des Südwestens bot selbst in Trockenzeiten ohne aktiven Wasserlauf noch die besten Möglichkeiten zur Erlangung von Nahrungsstoffen, Brennholz oder zur Jagd des von dort wachsenden Pflanzen lebenden Wildes. Benötigtes Trinkwasser konnte durch Grabung einfacher Brunnen noch erreicht werden. Das Ziel der Wanderung waren immer Orte, wo man zumindest kurzfristig oder möglichst längerfristig ausreichend Nahrung fand oder produzieren konnte. Die gesicherte Trinkwasserversorgung war das Hauptkriterium für einen Niederlassungsort. Das nutzbare „Wegenetz“ und die Standortkriterien gestalteten die Wanderrichtungen über die Zeit chaotisch und kaum nachvollziehbar irregulär.

      Es gab relativ spontane Abwanderungen/Standortaufgaben, bei denen, zur Freude der Archäologen, aus Transportgründen größere Mengen Artefakte an den verlassenen Stätten zurückblieben. Es gab aber auch durch sich langfristig verschärfende ökologische Bedingungen „planmäßige“ Preisgaben von dann weitgehend artefaktfreien Standorten, deren Wanderungszielgebiete oft schon von Kundschaftertrupps erkundet und für die Neuankömmlinge eventuell vorbereitet worden waren. Kommunikation und Information waren für diese wandernden Gruppen lebensnotwendig.

      Vom Grundsatz her haben sie mit Sicherheit auch gewusst, dass es im Süden ihres bisherigen und nun etwas lebensfeindlicher gewordenen Gebietes Nahrungsmittel und vielleicht speziell Mais in für sie unvorstellbaren Mengen gibt. Die Nomaden-Fabel vom gelobten Land, vom Paradies, wo reichlich Mais, Bohnen und Kürbis wachsen, wird sicher auch bei diesen Menschen existiert haben. Und so setzte eine ganz allgemeine Süddrift ein. Das waren keine hunderttausend Mann starken Stammesabteilungen und/oder Kriegerkommandos, sondern – in Abhängigkeit von den Ursachen und der Intensität ihrer Wirkung – Wanderungswellen mit Wellenbergen und Wellentälern. Meist waren es wahrscheinlich nur kleine, in Mesoamerika „einsickernde“ Gruppen mit bescheidenen Ansprüchen und einer hohen Anpassungsbereitschaft. Da das mittelamerikanische Gebiet recht weiträumig mit Nahua sprechenden Menschen/Volksgruppen besiedelt war, muss der Nahua sprechende Bevölkerungszustrom über längere Zeiträume auch mit einer zahlenmäßig spürbaren Größe in das vergleichsweise zum nordamerikanischen Südwesten bereits dicht besiedelte Gebiet von Mesoamerika erfolgt sein. Die Registrierung dieses Sachverhalts lag aber sicher nur im ethnologischen Bereich, während die „Wellen“ als Herrschaftsstrukturen/Machtergreifung einer Gruppe oder Gefährdung von Herrschaftsstrukturen erst von den Historikern registriert wurden.

      Diese Wellen konnten die Hochebenen weit und mit geringer Wirkung überspülen, sie konnten dort versickern, sie konnten erodierend wirken, aber wenn die Wellen höher waren und sich gar noch gravierende Hindernisse in Form von Machtbereichen ihr in den Weg stellten, dann traten sie auch als zerstörerische und grundsätzlich neu gestaltende Kraft/Macht auf.

      Von einigen dieser Nahua sprechenden Menschen sind nur wenige völkerkundliche Informationen aus spanischer Feder bekannt. Sie durchzogen in kleinen Gruppen die Täler, Grasländer und Steppen. Ihre Kleidung bestand aus Fell. Die Nahrung erhielten sie durch das Sammeln von Wurzeln, Früchten und Samen. Ergänzt wurde sie durch Honig. Für die Jagd verwendeten die Chichimeken Pfeil und Bogen. Sie kannten bereits die berauschende Wirkung des Peyotl-Kaktusses und verwendeten diese Droge bei ihren nächtlichen Tanzfesten in der Steppe. Diese Information ist auch der älteste historische Nachweis des Peyotl-Rituals der nördlichen mexikanischen Stämme.

      Die Chichimeken wurden als kriegerisch beschrieben (ab Wann, von Wem?). Dabei ist mit Sicherheit zwischen dem Zustand ihres Wanderungsbeginns und der allmählichen Durchdringung der „zivilisierten“ Bereiche zu unterscheiden. Die Nutzung des männlichen Menschenpotenzials darbender Subsistenznomaden, die Fähigkeiten der aufmerksamen und waffenfähigen Jäger, durch sich befehdende zivilisierte Machtstrukturen wird mit Sicherheit die kriegerische Komponente dieser Menschen erst eigennützlich eingesetzt und qualifiziert haben, bevor sie sich destruktiv gegen eben diese Machtstrukturen wandte. Auch die Chichimeken waren lern- und anpassungsfähig im weitesten Sinne. (Auch die Römer verlangten von germanischen Stämmen für die Überlassung von bebaubarem Boden Waffendienste für ihr Herrschaftssystem. Ein Teil dieser waffenfähigen Männer wurden als Leibwache der Herrscher sogar „Profis“, führende Beamte und zum Schluss sogar selbst Herrscher.)

      Die erste von Historikern registrierte uto-aztekische Chichimeken- oder Nahua-Welle (= historisch wirksam) wird als Welle kriegerischer Menschen/Menschengruppen/Stämme angesehen, da ihr u.a. die um 750 u.Z. erfolgte Zerstörung und Plünderung von Teotihuacan zugeschrieben wird. Diese Stadt, die als offene Stadt angelegt worden war, war sicher auch nur noch ein wirtschaftlicher und religiöser Schatten ihrer früheren Größe, deren Zenit bereits um 650 u.Z. überschritten war. Wie viel „Kriegskraft“ dann für eine zweifellos zerstörend wirkende Plünderung erforderlich ist, will ich offen lassen. Diese Plünderer übernahmen außer dem materiellem Beutegut (was war das außer Nahrungsmitteln? Stoffkleidung, Luxuskleidung (für wen?), profaner und/oder sakraler Schmuck (was für welcher?, für wen?, für welche ihnen fremde Religion/Zeremonien/Zeremonialleiter = Priester), sakrale Gegenstände (für wen? Wofür? Oder war diese Beute als Tauschgut bestimmt?). Wer hatte ein Interesse an der Plünderung und der Luxusbeute – schon eine Führungsschicht unter den Chichimeken-Plünderern oder war diese Zerstörung/Plünderung nur ein Auftragswerk von bereits traditionellen Lokalherrschern, die spirituell nicht mit Teotihuacan verbundene Nahua-Barbaren bewusst zur Liquidierung der zwar weitgehend machtlosen, aber religiös immer noch stark wirkenden Ritualstätte einsetzten, die auf Grund ihrer traditionellen religiösen Gravitationskraft noch viele materielle Güter anzog, die die o.g. Lokalherrscher lieber auf sich und ihre Zentren gelenkt hätten?

      Für diese letzte Version spricht die Information, dass bei diesen Chichimeken-Nahua-Barbaren, die sich in der Folgezeit später einmal nach einer Vermischung mit anderen Völkern (z.B. Nonoalca aus der südlichen Golfregion um Vera Cruz) als Tolteken bezeichneten oder die von anderen als solche bezeichnet wurden, einige der führenden/vornehmen

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