Preis des aufrechten Gangs. Prodosh Aich

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Preis des aufrechten Gangs - Prodosh Aich

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müßte, als dies in den „Seminaren“ möglich ist, sollte aus dem „Unesco–Projekt“ eine wissenschaftliche Untersuchung werden. In den Seminaren werden nicht eigene Untersuchungen herangezogen. Warum? Weil die Lehrenden selbst keine Untersuchungen durchgeführt hatten. Statt also in den Methodenseminaren zu sitzen, lese ich selbst, um ein optimales Untersuchungsinstrument zu konstruieren. Die intensiven Diskussionen mit meiner Frau sind dabei hilfreicher als Gespräche mit den Mitarbeitern von König. Ich habe 1959 überhaupt viel lesen müssen.

      Der Anfrage von Otto Blume über eine Zusammenarbeit mit Weisser folgt dann eine Einladung Weissers. Er bestellt mich an einem Samstag- Nachmittag ins Hotel Dresen in Bad Godesberg. Unsere erste Begegnung. Ich habe nur Gutes über ihn gehört. Ich bin gespannt und natürlich aufgeregt. Das Gespräch ist eine Mischung aus Informationsübermittlung und Prüfung. Er fragt mich aus, ohne eine Atmosphäre einer Prüfung aufkommen zu lassen. Jetzt erst begreife ich, warum Weisser für das Gespräch ein Hotel ausgewählt und mich nicht in sein Arbeitszimmer bestellt hat. Ich erfahre auch, daß er intensiv über die Grundprobleme der Wirtschaftsordnung in den „Entwicklungsländern“ nachdenkt. Ja, damals hießen diese Länder schon so. Davor hießen sie „Unterentwickelte Länder“. Er würde gern genau wissen wollen, wie der Diskussionsstand über dieses Problem im englischen Sprachraum ist. Er denkt auch über eventuelle Veröffentlichungen seiner Gedanken in diesem Bereich nach. Ich bestehe die Prüfung. Im Juli 1959 trete ich die Stelle an. Ich beginne also auch noch Sozioökonomie auf Englisch zu lesen und fertige fleißig deutsche Zusammenfassungen an.

      Meine Frau meint, daß es mit den Zusammenfassungen nicht getan wäre. Ich müßte eigentlich Aufsatzentwürfe vorlegen und sie nach der Besprechung mit Weisser dann auch ins Englische übersetzen, wenn ich die Stelle behalten wollte. Jeder deutsche Mitarbeiter würde das wissen. Ich bin zum „ghost writing“ nicht bereit.

      Weisser lädt regelmäßig seine Mitarbeiter zum „Jour fixe“ ein. Die Ehefrauen der Mitarbeiter auch. Es ist eine nette und nützliche Einrichtung. Nach einem solchen Treffen fragt mich meine Frau auf dem Nachhauseweg, was denn zwischen Weisser und mir vorgefallen sei, daß Weisser sich veranlaßt gesehen hat, ihr zu sagen, daß ich ein wildes Fohlen sei, er aber mich schon noch zähmen würde.

      Eigentlich war nichts Direktes vorgefallen. Aber möglicherweise mittelbar doch. Als Stipendiat ohne monatliches Stipendium der Friedrich–Ebert–Stiftung war ich zu einer Großveranstaltung in der Heimvolkshochschule in Bergneustadt eingeladen. Auch Politiker und Journalisten. Die Heimvolkshochschule in Bergneustadt liegt abgeschieden vom Ort. Abends sitzt man deshalb, nach getaner Arbeit in der hauseigenen Kellerbar. Diskutiert werden dabei meist andere aktuelle Fragen. Der Leiter der staatsbürgerlichen Erziehung der Stiftung, Günter Grunwald – ein Intimus des SPD–Schatzmeisters Alfred Nau, wie ich später leidvoll erfahren werde –, ist in der Kellerbar mitteilungsbedürftig. Er ist gerade aus Indien zurück. Dienstreise, versteht sich. Auch Dienstreiseeindrücke sind bekanntlich trügerisch. Das ist ja auch nicht weiter schlimm. Schon gar nicht in der Kellerbar einer Heimvolkshochschule. Aber Grunwald will seine Eindrücke von mir bestätigt haben. Ich bin genervt. Als er auch noch die herumkriechenden Schlangen zum Thema machte, die er während seines kurzen Aufenthaltes gesehen haben wollte, und ich noch die Gefährlichkeit der „frei umherlaufenden Schlangen“ bestätigen sollte, rutscht mir heraus, daß er – was das Antreffen von Schlangen angeht – eigentlich mehr Glück gehabt hätte als ich in meinem 22jährigen Leben in Indien. Schallendes Gelächter in der Runde. Rotangelaufenes Gesicht bei Günter Grunwald. Das Thema ist beendet, aber ich habe mir einen dauerhaften Feind geschaffen. Und wie schon erwähnt, Gerhard Weisser ist Vorsitzender der Stiftung.

      Es könnte auch das mehrtägige „Berlinseminar“ Anlaß für die Bemerkung Weissers gewesen sein. Aber ein mittelbarer Anlaß. Es war mein erstes Stipendiatenseminar. Es war grauenvoll. Kalter Krieg pur und plump. Jeder Stipendiat ist verpflichtet, einen Seminar– und Erfahrungsbericht an den Leiter der staatsbürgerlichen Erziehung zu schicken. Eher zufällig unterhalte ich mich über das primitive Niveau des Seminarprogramms mit Otto Blume, dem Vertrauensdozenten für die Stipendiaten in Köln. Er möchte gern meinen Seminarbericht lesen, bevor ich ihn nach Bonn schicke. Er liest ihn und ermahnt mich, den Bericht nicht so abzuschicken, selbst wenn meine Kritik zutreffen sollte. Nun, ich würde die Kritik nicht so formuliert haben, wenn ich selbst nicht davon überzeugt gewesen wäre. Auch ich habe meine Vorstellung von demokratischer Erziehung und Meinungsfreiheit. Ich schicke den Bericht ohne „diplomatische“ Korrekturen. Und wie gesagt, Gerhard Weisser ist Vorsitzender der Stiftung.

      Wie auch immer. Die Finanzierung der Stelle läuft aus. Die Friedrich–Ebert–Stiftung hat angeblich dafür nach 10 Monaten keine Mittel mehr zur Verfügung. Ich habe für Weisser nie schreiben müssen. Ich habe für ihn nie geschrieben. Er hat nie Kritik an meiner Arbeit geäußert. Nur das Verhältnis der Friedrich–Ebert–Stiftung zu mir ist vergiftet. Das ist sicherlich keine uninteressante, aber vielleicht an anderem Ort zu erzählende, Geschichte. Ich habe nicht häufig das monatliche Stipendiumsgeld in Anspruch nehmen müssen. Dennoch hat es regen Schriftverkehr gegeben. Zunächst mit Grünwald, später nur mit Nau, Weisser und Willi Eichier. Am 28. März 1961 wurde mein Stipendium wieder einmal storniert. Nicht endgültig. Endgültig eigentlich am 4. Mai 1961. Die Begründung von Nau bei der Stornierung:

      „ich darf hierbei noch erwähnen, daß die Mitglieder des Prüfungsausschusses einstimmig die Ansicht vertreten haben, daß Sie bis zu diesem Zeitpunkt Ihre schon seit längerer Zeit in Arbeit befindliche Dissertation zum Abschluß gebracht haben können.“

      Dies ist bisher die allerletzte Äußerung seitens dieser Stiftung mir gegenüber gewesen. Ich stehe offensichtlich noch heute auf einer sicherlich nicht existenten „schwarze Liste“ der Stiftung. Ich bin dennoch der Stiftung dankbar. Die Stiftung hat mir viel gegeben. Ohne die Stiftung würde ich wahrscheinlich Carlo Schmid, Fritz Erler, Heinz Kühn, Willy Eichler und Hans–Jürgen Wischnewski nicht gekannt haben.

      1959 beginnt auch meine publizistische Laufbahn in der Monatsschrift „Geist und Tat“. Herausgegeben von Willy Eichler. Thema: Sozialisten in Indien. 1959 beginnt auch meine Vortragstätigkeit. Das wichtigste Ereignis ist aber, daß der Fragebogen für die Untersuchung über die Situation der afrikanischen und asiatischen Studierenden in Deutschland nach Voruntersuchungen endgültig fertig ist. Daß meine Frau keine Arbeitsstelle in Bonn findet, kommt diesem Projekt zugute. Unbezahlte Mitarbeit, versteht sich. Sie ist mir eine unschätzbare Hilfe. Der Bundesvorstand des ISSF und die Unesco, Paris, ist mit dieser Entwicklung einverstanden. König billigt das Projekt inhaltlich und bescheinigt, daß das Projekt unter seiner Aufsicht läuft. Doch ist das Projekt auch ein finanzielles Abenteuer. König hat sicherlich bei Zeiten geahnt, daß 5000,- US-$ nicht ausreichen würden, die Sachkosten für eine Untersuchung an den Universitäten in Berlin, Hamburg, Heidelberg, München und Tübingen mit lnterviewerausbildung und Interviewhonoraren abzudecken. Aber er sagt nichts. Er schreibt aber die notwendigen Briefe an die entsprechenden Universitäten. Er will offensichtlich abwarten, wie die Feldarbeit tatsächlich an– und abläuft.

      Wir wissen genau, daß es knapp werden würde, die Erhebung zum Abschluß zu bringen. An eine Aufwandsentschädigung unserer Arbeit war nicht zu denken. Im Februar 1960 lagern 386 ordentlich ausgeführte Interviewbögen von einem Sample von 479 in unserer kleinen Bleibe in Bonn, Weberstraße 96. Studierende aus Ägypten, Indien, Indonesien, Jordanien, Ghana, Nigeria und Norwegen. Norwegen als eine Kontrollgruppe. Aber das Geld ist fast alle. Es reicht nur noch für die Lochkarten und für die Leihgebühr für einen mechanischen IBM–Handlocher aus der 1. Generation.

      *****

      Im 2. Semester in Köln habe ich die Zahl meiner Veranstaltungsbesuche radikal gekürzt, obwohl ich für das 1. Semester 100 % Gebührenerlaß bekommen habe. Fleißprüfung. Später habe ich keine Studiengebühren mehr entrichten müssen. Ich besuche nur die Hauptseminare und Hauptvorlesungen in Ethnologie, Philosophie und Soziologie. Die Veranstaltungen haben wenig gebracht und viel Zeit gekostet.

      Noch

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