Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das Vermächtnis aus der Vergangenheit - Sabine von der Wellen страница 16
Ich will darüber lieber nicht nachdenken. Der Gedanke verunsichert mich zu sehr.
Für immer und ewig?
Eigentlich wollte ich Marcel, statt Tim, anrufen und nun bin ich nicht mehr in der Stimmung. Der Streit mit Tim wirft mich unglaublich aus der Bahn. Warum tun wir uns das an? Wie konnte aus einer unglaublich starken Liebe erst nur Freundschaft und dann sogar Feindschaft werden?
Ich beschließe erst einmal einen Gang ins Badezimmer anzutreten und mich bettfertig zu machen.
Als ich unten an der geschlossenen Wohnzimmertür vorbeikomme, höre ich meinen Vater schimpfen: „Und was soll das heißen? Dass sie jetzt bei dem einzieht? Das kann sie vergessen. Sie ist noch nicht achtzehn!“
Ich bleibe stehen und lausche. Meine Mutter höre ich nur undeutlich. „Niklas, wir können nichts daran ändern, dass Carolin ihren eigenen Weg gehen wird. Wir treiben nur einen noch größeren Keil zwischen sie und uns, wenn wir versuchen, sie aufzuhalten.“
Dass meine Mutter sich so für mich ins Zeug legt, finde ich wirklich toll. Aber es erschreckt mich ein wenig, dass sie so tut, als hätte ich mit ihnen Stress. Bisher hatten sie mir wenige Vorschriften gemacht. Oder waren diese Vorschriften meines Vaters nur bis zu meiner Mutter vorgedrungen und sie hatte sie nicht in seinem Sinne weitergeleitet? Zumindest wird mir klar, dass mein Vater kein Fan mehr von Marcel ist. Warum auch immer.
Ich setze meinen Weg ins Badezimmer fort. Mir ist egal, was mein Vater über Marcel denkt. Ich gehöre zu ihm und fertig.
Es ist schon nach zweiundzwanzig Uhr, als ich mich erneut entschließe Marcel anzurufen. Ich finde, ich habe lange genug gewartet.
Sofort nimmt er ab und ruft mit schuldbewusster Stimme: „Oh Mann, Süße! Tut mir leid. Aber ich bin so im Stress! Drei Mal bin ich jetzt von zu Hause nach Bramsche gefahren und habe alles rüber geschafft, was ich nur konnte. Meine Eltern hatten heute die Absicht, mir mein Vorhaben mit der Wohnung auszureden und ich habe ihnen erklärt, dass ich auf alle Fälle nach Bramsche ziehe, weil das auch näher an deiner Schule ist. Nah, du kannst dir ja denken, wie dumm die geschaut haben. Als ich dann noch einen draufsetzte und ihnen mitteilte, dass wir wieder zusammen sind, meinten sie doch tatsächlich, sie könnten mir noch irgendetwas verbieten. Das hat das Fass zum Überlaufen gebracht und ich habe angefangen alle meine Sachen abzutransportieren. Ich habe die Schnauze so was von voll.“
Er redet sich richtig in Rage. Scheinbar gibt es nichts und niemanden auf dieser Welt, der mit unserer neugezimmerten Liebe einverstanden ist.
Traurig darüber sage ich: „Ich habe meiner Mutter auch mitgeteilt, dass ich wohl ab und an bei dir bleiben werde. Eigentlich hatte sie sich erst noch gefreut, dass wir wieder zusammen sind. Allerdings nur, weil sie meinte, dass ich mich dann nicht mehr so viel in Osnabrück aufhalte und wir wieder hauptsächlich hier sein werden. Ich habe ihr den Zahn aber gleich gezogen. Du hättest sie sehen sollen, als ich ihr sagte, dass ich vorhabe, viel Zeit mit dir in deiner neuen Wohnung zu verbringen und dass ich natürlich auch viel in Osnabrück bin. Schon wegen Ellen. Jetzt hängt auch hier der Haussegen schief.“
Es ist still am anderen Ende und ich bin etwas verwirrt, ob ich Marcel vielleicht mit der Aussage, dass ich viel bei ihm sein will, zu viel zumute.
„Hallo Marcel?“, frage ich vorsichtig: „Stimmt etwas nicht?“
Er scheint sich am anderen Ende der Leitung langsam zu fangen. „Doch, schon! Aber …“ Er ist sich wohl nicht sicher, ob er das wirklich anbringen soll, was in seinem Kopf herumspukt.
„Aber?“, hake ich etwas ängstlich nach. Hat er sich das Ganze anders überlegt und mich nur vor seinen Eltern vorgeschoben? Wieder einmal.
„Das mit dem vielen in Osnabrück bleiben … darüber müssen wir noch einmal reden. Ich möchte das eigentlich nicht. Das ist nicht gut für dich. Du hast doch gesehen, wie es dir ergehen kann, und ich kann nicht immer da sein und dich retten“, raunt er, sich wahrscheinlich schon sicher, dass das abermals in Streit ausarten wird.
„Das habe ich auch gar nicht so vor, wie es sich anhört“, beruhige ich ihn. „Aber ich gehe dort nun mal zur Schule und habe da meine Freundinnen. Außerdem will ich Ellen nicht hängen lassen. Ich mag sie wirklich gerne. Du musst dir aber keine Sorgen machen. Ich werde jetzt besser auf mich aufpassen.“
Marcel brummt nur etwas und ich muss lachen. „Du klingst wie mein Vater.“
Mich darum bemühend, ihn auf ein anderes Thema einzuschwören, frage ich ihn, was ihm in seiner Wohnung noch fehlt und was er schon alles geholt hat. So schaffe ich es, ihn von dem leidigen Thema abzulenken.
Marcel macht Pläne für die kommende Woche. Er hat Spätschicht und will die Vormittage nutzen, um einen Kleiderschrank und ein Bettgestell zu organisieren und erzählt mir von seiner Liste, die er sich zusammenschreibt, um einen Überblick zu haben, was er noch unbedingt braucht. Das erinnert mich an die Liste, die ich mit Tim für seine Wohnung zusammengestellt hatte. Es versetzt mir einen kleinen Stich. Tim hasst mich jetzt und ich bin für ihn Geschichte.
„Leider kann ich dir diese Woche nicht helfen. Aber wenn du nächste Woche Frühschicht hast, können wir uns nachmittags zusammen um das eine oder andere kümmern, wenn du willst“, sage ich und spüre schon wieder die Sehnsucht nach ihm durch meine Adern kriechen. Aber ich muss mich zusammenreißen. Unsere Liebe steht noch auf zu wackligen Beinen, als dass ich schon zu viele Ansprüche stellen darf.
Zu meinem Erstaunen raunt Marcel im nächsten Moment: „Carolin!“ Seine Stimme klingt so sehnsuchtsvoll, wie ich mich fühle. „Kann ich dich morgen Abend abholen? Schläfst du bei mir? Ich bringe dich auch am nächsten Morgen pünktlich zur Schule. Versprochen!“
Wie er das anbringt, berührt mich und ich will nichts lieber als das.
„Natürlich komme ich mit zu dir. Aber ich befürchte mein Vater macht einen Aufstand, wenn ich so spät noch wegwill. Der ist so schon nicht gut auf alles zu sprechen.“
„Kann ich denn zu dir kommen?“, fragt Marcel und es tut mir leid, dass ich auch das ausschlagen muss. Aber ich habe eine bessere Idee.
„Ich gehe morgen nach der Schule noch mit den Mädels lernen und fahre dann mit dem Zug um Zehn. Dann bin um halb elf bei dir. Das müsste doch passen, oder?“
Nicht gerade glücklich über diese Planung, raunt er: „Okay, gut. Aber musst du denn schon wieder …?“ Weiter kommt er nicht.
„Marcel, hatten wir uns nicht darauf geeinigt, dass du mir ein wenig die Möglichkeit gibst, mich meinen Weg finden zu lassen. Ich möchte auf keinen Fall den Anschluss an die Klasse verlieren, wie ich das in meiner alten Klasse hatte.“
Mit unsicherer Stimme fragte er: „Wie, den Anschluss verlieren? War das in der alten Klasse denn so?“
Ich will eigentlich nicht mehr daran denken und schon gar nicht darüber reden. Aber ich muss wohl Rede und Antwort stehen. „Leider. In meiner alten Klasse war ich zwei Jahre lang der Außenseiter. Darum war ich auch immer mit Christiane und den anderen aus der Realschule zusammen. In meiner Klasse hielten sie mich für etwas verrückt.“ Ich versuche ein Lachen erklingen zu lassen, was mir auch mehr schlecht als recht gelingt. Marcel wusste davon genauso wenig wie meine Eltern.
„Okay, es ist natürlich klar, dass