Das Vermächtnis aus der Vergangenheit. Sabine von der Wellen
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In Bramsche steige ich am Bahnhof aus. Ich versuche mich zu orientieren. Eigentlich muss ich nicht weit. Aber es ist Dunkel und die Straßenbeleuchtung irritiert mich. Ich kann nur hoffen, dass ich den richtigen Weg nehme.
Mein Handy klingelt. Ich sehe auf dem Display, dass es Marcel ist.
„Hi, Schatz! Ich bin unterwegs“, sage ich ohne Umschweife.
„Gut, das wollte ich nur hören. Ich kann dich auch abholen. Wo bist du denn?“
„Keine Ahnung. Aber ich denke, ich bin gleich bei dir. Das müsste die richtige Straße sein.“ Ich bin mir fast sicher, dass ich das Haus schon sehe.
„Soll ich mich an die Straße stellen?“, fragt Marcel.
„Nicht nötig! Ich habe es schon gefunden.“ Eine kleine Gartenpforte öffnend, betrete ich den verwilderten Garten. Wenn ich mal Zeit habe, werde ich hier etwas Ordnung schaffen. Die Grundlage dazu lerne ich schließlich jetzt in meiner Schule.
Die Tür fliegt auf und Marcel steht im Lichtkegel der Flurlampe, das Handy in der Hand und mich angrinsend.
Ich beende das Gespräch und stopfe mein Handy in meine Schultasche, die über den Nachmittag an Gewicht zugelegt haben muss. Sie fühlt sich tonnenschwer an. Oder kommt das, weil ich so müde bin?
„Hey, Süße! Endlich!“, raunt er mit seiner tiefen, sanften Stimme und zieht mich in den Flur.
Ich lasse die Tasche fallen und mich in Marcels Arme sinken.
Er nimmt mein Gesicht in beide Hände und küsst mich, was gleich ein Buschfeuer in mir entfacht und ich lasse meine Hände unter sein T-Shirt gleiten. Meine Müdigkeit scheint sich im Nullkommanix aufzulösen.
Marcel gibt der Tür einen Tritt und sie knallt hinter uns zu. Kurz lassen wir uns los und sehen uns an. In seinen Augen glüht die gleiche Begierde, wie ich sie in meinem Körper spüre. Ich ziehe an seinem T-Shirt und er lässt es sich über seine Arme ziehen, mir meines in der gleichen Weise ausziehend. Wir küssen uns erneut und in einer unausgesprochenen Einigkeit gehen wir, aneinandergedrängt und an unseren Lippen klebend, in sein provisorisches Schlafzimmer. Auf dem Weg dahin verliere ich meine Schuhe und Marcel seine Hose. Meine folgt vor dem Eisenbett, auf dem die Matratze liegt. Ich registriere kurz, dass wir nicht mehr auf der Erde schlafen. Aber nur ganz kurz. Marcels Hände auf meinem Körper, sein Körper an meinem und seine Zunge mit meiner spielend, lässt mich alles andere vergessen. Ich will ihn jetzt sofort! Und er will mich … auch sofort.
Als wir eng umschlungen in seinem Bett liegen, bin ich glücklich. Ich möchte nirgendswo anders sein und auch mit niemand anderem. Das ist meine Welt.
Irgendwo klingelt ein Handy, und ich sehe Marcel fragend an. Er schüttelt nur den Kopf. „Das muss deins sein.“
Ich springe aus dem Bett und laufe nackt durch die Wohnung zu meiner Tasche, greife mein Handy, das sich wie wild in meiner Hand gebärdet und flitze wieder zum Bett zurück, wo Marcel mir schon die Decke hochhält und mich in seine Arme zieht.
„Ja, Ellen!“ Ich bin etwas beunruhigt, weil Ellen mich so spät noch anruft. Ist etwas passiert?
„Hallo Carolin! Sag mal, warum hast du mir nicht gesagt, dass Erik dich heute Nachmittag angerufen hat?“ Sie klingt wütend.
„Ich wollte dich nicht beunruhigen“, sage ich und sehe Marcel an. Langsam setze ich mich auf und er entlässt mich nur widerwillig aus seiner Umarmung. „Warum?“
„Ich habe eben mit Daniel gesprochen. Erik wollte zu unserem Platz kommen. Deshalb hat er geschrieben, wir sollen verschwinden.“
Okay! Ich verstehe aber nicht ganz, wieso er uns warnte. Was hatte Erik seiner Meinung nach vor?
Ellen fährt fort: „Daniel sagte, dass Erik dich angerufen hat und du ihn wegen mir zusammengefaltet hast. Du hast zu ihm gesagt, dass er alles gefälligst mit dir selbst klären soll und das wollte er auf der Stelle tun. Wir hatten Glück, dass Daniel gerade bei ihm war und uns schreiben konnte.“
Ich bin sprachlos und beunruhigt. Hatte ich Erik zu sehr in Rage gebracht und er wollte sich an mir für meine große Klappe rächen? Oh Mann. Ein halbes Jahr Jugendknast für das Verprügeln von armen Mitmenschen hat er schon hinter sich. Und dass Erik kein „nettes“ Gespräch führen wollte wird klar, weil Daniel es für nötig hielt, uns zu warnen.
Aber vor Ellen und vor allem Marcel, der das Gespräch von meiner Seite her mitverfolgen kann, spiele ich die Coole.
„Mach dir keine Sorgen. Ich werde schon mit dem fertig.“
Ellen schreit ins Telefon: „Was? Bist du verrückt? Du sollst dem ganz fernbleiben! Ich weiß nie, was der gerade im Schilde führt. Der hat sich bestimmt eine neue teuflische Psychoscheiße überlegt. Ich wusste doch gleich, dass da etwas nicht stimmt, als er sich bei mir entschuldigt hat.“
Mir kommt etwas anderes in den Sinn. Es ist mehr ein seltsames Gefühl, dass sich in mir hocharbeitet. „Vielleicht meinte er das aber auch ernst und hat gar nicht vor irgendwelchen Stress zu machen. Mach dir mal keine Sorgen. Und um mich schon mal gar nicht. Ich habe schon andere Sachen überlebt.“
Ich grinse Marcel unsicher an, dessen Gesichtsausdruck sehr ernst wird.
Ellen scheint das Ganze auf sich wirken zu lassen. „Mir ist da nicht wohl bei. Schauen wir mal. Aber dann hatte ich recht, dass er sich deine Nummer aus meinem Handy geholt hat.“
„Ja, hattest du. Ist nicht schlimm!“, versuche ich sie zu beruhigen. „Lass uns morgen in der Schule weiterreden, okay? Ich muss jetzt ein wenig schlafen.“
Ellen murmelt: „Okay, dann bis morgen. Gute Nacht.“
„Bis morgen, Ellen.“ Ich lege auf und sehe in Marcels zusammengekniffenen Augen.
„Das war Ellen“, sage ich unnötigerweise.
„Hast du irgendwelche Probleme?“, fragt er lauernd.
Ich lache. „Blödsinn. Ellen hat Probleme. Ich nicht!“
Um weiteren Diskussionen zu entgehen, schiebe ich mich dicht an ihn heran und küsse ihn. Seine Arme legen sich wie Schraubstöcke um mich und ich schmiege seufzend meinen Kopf an seine Brust. „Ich bin todmüde. Die letzte Nacht ohne dich war nicht gerade der Hit. Heute schlafe ich bestimmt besser.“
„Und länger! Es reicht, wenn wir um halb sieben aufstehen, frühstücken und ich dich dann zur Schule bringe.“
„Hört sich das himmlisch an“, säusele ich noch und lasse meine Augen zufallen.
Marcel gibt mir einen Kuss auf die Stirn. „Schlaf schön, mein Engel.“
Zu gerne. Keinen anderen Gedanken mehr zulassend als den, dass Marcel neben mir liegt und mich mit seiner vertrauten Wärme und seinem Geruch einlullt, falle ich schnell in den Schlaf.
Am nächsten Morgen von Marcel geweckt zu werden, lässt meinen Tag sofort gut starten.
„Hm, kann ich