Ströme meines Ozeans. Ole R. Börgdahl
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Perth, 5. Juni 1895
Endlich wieder Land unter den Füßen, leider waren es nur sechs Stunden. Wir müssen unseren Zeitplan wieder aufholen. Das Pfingstfest haben wir nun doch auf dem Schiff verbracht. Für mich lässt sich Pfingsten ohne Victor ertragen, schwerer war das letzte Weihnachtsfest und vor allem Silvester und der Neujahrstag. Victor und ich sind den Neujahrstag immer ganz besonders angegangen, den ersten Tag im Jahr. Wir haben nicht zu Silvester über das gesprochen, was wir uns für das neue Jahr wünschen, sondern immer erst am Morgen des Neujahrstages, gleich nach dem Aufwachen. Wir lagen im Bett und haben uns nacheinander unsere Wünsche erzählt. Silvester und Neujahr auf einem Schiff, so wie es Mrs. Bly erlebt hat, ist für mich nur schlecht denkbar, es sei denn Victor ist bei mir, dann wäre es allerdings sehr romantisch. Das Pfingstfest haben die Kinder und ich jedenfalls auf hoher See verbracht, wenigsten kam am Abend des Pfingstmontags schon Land in Sicht. Wir sind gestern, am frühen Morgen, in den Hafen von Perth eingelaufen. Ich habe noch geschlafen. Zwei Stunden später, nach einem kurzen Frühstück, sind wir wie verdurstende von Bord gestrebt. Selbst die Mädchen haben gemerkt, dass etwas anders war als sonst, und sind ganz unruhig geworden. Ich denke es waren die Gerüche des Hafens. Ich hätte ihnen gerne mehr geboten, noch mehr Gerüche und einmal etwas anderes als immer nur Wasser, aber uns blieb nur Zeit für einen Spaziergang im Hafen, es war trotzdem herrlich. Leider war es kühl, und kurz bevor wir wieder aufs Schiff gegangen sind, begann es sogar noch zu Regnen. Gestört hat es uns aber eigentlich nicht, Hauptsache wir waren dem engen Stahl für einige Zeit entkommen. Seit vierundzwanzig Stunden hat uns die See nun wieder. Der Kapitän hat aber Wort gehalten, wir fahren in Sichtweite der Terra Australia. Die Küstenlinie lässt sich sehr gut erkennen. Das Schiff ist von Perth aus in einem großen Bogen um die südöstliche Spitze des Australischen Kontinents gefahren. Jetzt sind wir wieder auf westlichem Kurs.
Sydney, 9. Juni 1895
Wenn ich nicht an der Reling stehe, widme ich mich wieder meinen Büchern. Mit Melvilles »Moby Dick« habe ich keine gute Wahl getroffen. Ich überspringe viele Seiten, weil ich immer auf den Kampf mit dem Wal warte, der einfach nicht kommen will, denn Melville erzählt alles, nur nichts über den Kampf mit der Bestie. Die Geschichte wird gebremst, wenn Melville über die Riten der Walfänger oder über die Anatomie der Wale berichtet. Das Buch ist an manchen Stellen schon wie ein Lexikon, ein Philosophiebuch. Ich musste mich bereits mit der Farbe Weiß als Symbol für das Böse auseinandersetzen. Ich überlege schon den »Moby Dick« wieder beiseitezulegen und mir ein anderes Werk zu nehmen, aber ich glaube, dafür bin ich zu stur, denn was ich einmal zu lesen begonnen habe, will ich um jeden Preis zu Ende bringen. Ich habe jetzt auch endlich meine Reiseroute wieder nachgezeichnet. Ich habe den letzten Punkt direkt mit der Stadt Perth als eine gerade Linie verbunden. Ich weiß nicht, ob der Kapitän tatsächlich dieser Linie gefolgt ist, ich nehme es aber an, da es ja keine Hindernisse zu umschiffen gab. Mrs. Bly hat auf ihrer Reise weitaus mehr Orte besucht. Wir haben erst wieder hier in Perth Kohle aufgenommen und haben daher seit Port Said keinen weiteren Stopp mehr benötigt. Vom Kapitän wissen wir, dass dies gut sechstausendfünfhundert Seemeilen oder zwölftausend Kilometer sind, ohne dass wir einen Hafen gesehen haben oder gar sonst irgendwelches Land. Mrs. Bly konnte in Aden, Colombo, Singapur, Hongkong, Yokohama und wo nicht alles noch, Station machen. Sie hat auf ihrer Reise Theater besucht, die Städte kennengelernt, die Landschaften und Menschen der fremden Länder und vieles mehr. Ihren Weihnachtsausflug von Hongkong nach Canton fand ich allerdings nicht sehr angenehm und hätte ich an Mrs. Blys Stelle vorher gewusst, dass mich an diesem Ort Geschichten von Hinrichtungen und der Besuch einer Leprakolonie erwarten, wäre ich nicht dorthin gereist. Aber Mrs. Bly ist ja Journalistin und muss auch solche Dinge sehen und erleben. Ich fand es schon sehr unangenehm nur davon zu lesen. Insgesamt haben die Schiffe, mit denen Mrs. Bly gefahren ist, siebenmal in Häfen geankert und jedes Mal konnte sie von Bord gehen. Unser Stopp in Perth war dagegen ein Nichts. Bei all diesem sehe ich für mich nur einen Vorteil gegenüber der Reise von Mrs. Bly, ich verliere nicht unnütz Zeit, denn mein Ziel ist ja nicht, eine Weltreise zu unternehmen, sondern, so schnell wie möglich wieder mit Victor zusammen zu sein.
Sydney, 13. Juni 1895
Nach fünf Tagen seit Perth haben wir die Tasmanische See durchquert und nach weiteren drei Tagen Sydney erreicht. Der Kapitän hat sich von uns verabschiedet. Die Fahrt mit der New South Wales endet hier in Sydney. Wir werden unsere Reise jetzt auf einem anderen Schiff fortsetzen. Ich begreife nun auch die Eile unseres Kapitäns. Das Dampfschiff Queensland liegt schon im Hafen von Sydney. Die Queensland bedient die Route über Auckland nach Nouméa auf Neukaledonien, unserer nächsten Station auf dieser langen Reise. Ich habe Europa im Frühling verlassen, mir wurde gesagt, dass in Australien jetzt der Winter beginnt, es ist kaum zu spüren, denn es ist warm hier in Sydney, beinahe um die zwanzig Grad. In Sydney habe ich schnell noch einen Brief aufgegeben und hoffe, dass er die Eltern bis zum August erreicht, denn es sind auch Geburtstagsglückwünsche für Vater und Mutter dabei. Dann habe ich mich von Aliette Templier verabschiedet. Sie hat von Sydney aus eine direkte Passage nach Samoa erhalten und wird sich schon heute Abend einschiffen. Wir wollen uns auf jeden Fall schreiben. Ich weiß noch gar nicht, wo wir auf Tahiti wohnen werden, ich habe einfach die Adresse auf Victors letztem Brief abgeschrieben. Aliette wird auf der Insel Tutuila in einem Ort namens Pago Pago leben. An diese exotischen Namen muss ich mich erst noch gewöhnen, Aliette aus Pago Pago und Yvette aus Papeete.
Nouméa, 29. Juni 1895
Am 14. Juni haben wir Sydney verlassen und schon am 17. Auckland erreicht. Einige Passagiere gingen von Bord, einige Neuankömmlinge wurden aufgenommen. Weitere drei Tage später hat die Queensland schließlich Nouméa angelaufen. Neukaledonien ist eine riesige Insel im Vergleich zu dem Flecken, zu dem ich unterwegs bin. Mein Wissen stammt natürlich von den Karten, die ich mir von einem Offizier der Queensland habe zeigen lassen. Mein Atlas zeigt Tahiti nur als kleinen Fleck und vermittelt nicht den rechten Eindruck. Neukaledonien ist eine langgestreckte schmale Insel, die eigentlich nicht auf dem Kurs nach Tahiti liegt. Der Umweg muss aber in Kauf genommen werden, weil es neben den Cook-Inseln in den Weiten des Pazifiks nicht viele Handelsstützpunkte gibt, die einen Liniendienst ertragreich machen. Wir hatten aber noch Glück und mussten nicht einmal auf unser Schiff warten. Die Cormoran lag bei unserer Ankunft bereits eine Woche in Nouméa auf Reede. Wir mussten dann noch einen Tag warten, bis wir an Bord gehen konnten, um unsere Reise fortzusetzen. Wir hatten also ein wenig Zeit, um uns Nouméa anzusehen. Dieses Nouméa ist eine geschäftige kleine Stadt und es bedeutete für mich den Vorgeschmack auf die Tropen. Der Juni ist dort noch Trockenzeit, wofür ich auch dankbar war. Tagsüber waren es aber trotzdem schon deutlich über zwanzig Grad. In der Regenzeit sollen die Temperaturen aber noch weiter ansteigen, genauso wie die allgegenwärtige Luftfeuchtigkeit, an die ich mich wohl nur schwer gewöhnen werde. Seit etwas mehr als einer Woche fahren wir nun aber schon auf der Cormoran, einem nicht sehr eleganten, kleinen Dampfschiff. Wir haben bereits die Cook-Inseln hinter uns gelassen und sind mit einigem Abstand am Bora-Bora-Atoll vorbeigefahren. Gesehen habe ich die Inseln allerdings nicht. Alles ist schon auf dem Transparentpapier eingetragen, von Perth nach Sydney, von Sydney über Auckland im Zickzackkurs durch den Pazifik. Es ist nicht mehr weit im Verhältnis zu dem, was die gestrichelte Linie an Weg schon zurückgelegt hat. Ich bin sehr aufgeregt, noch zwölf Stunden und wir laufen in den Hafen von Papeete ein. Es wird in der Nacht sein. Wir können dann erst am nächsten Morgen von Bord. Ich betrachte mich im Spiegel. Ich habe Victor mehr als ein halbes Jahr nicht gesehen. Schwester Jolanta soll mir noch ein wenig die Haare schneiden. Mein gutes Kleid habe ich vor zwei Tagen waschen können. Ich will mich hübsch machen, wir werden uns hübsch machen. Wir wollen für Victor gut aussehen, Thérèse,