Ströme meines Ozeans. Ole R. Börgdahl

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Ströme meines Ozeans - Ole R. Börgdahl

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es, dass Schwester Jolanta uns verlassen wird, um ihrem Gott zu dienen. Ich hätte sie gerne auch weiterhin als Kindermädchen. Ich weiß schließlich nicht, was mich auf Tahiti erwartet, ich weiß nur, dass ich jemanden brauche, der mir mit den Kindern zur Hand geht, dieser Jemand soll Französisch sprechen und keinen Wildendialekt, ich will, dass die Mädchen Französisch, ja wenigstens europäisch erzogen werden. Ich habe komische Gedanken, fürchte ich. Das ist die Aufregung. Oh Victor, wie sehr ich dich vermisst habe, begreife ich erst jetzt, wo wir uns doch bald in den Armen halten werden.

      Papeete, 5. Juli 1895

      Es ist leicht hier auf Tahiti Fuß zu fassen, weil ich eine Familie habe. Voller Ungeduld habe ich die Cormoran verlassen. Ich habe Victor sofort gesehen. Er kam auf mich zugerannt, er trug eine weiße Uniform, so hatte ich ihn noch nie gesehen. Er war frisch rasiert, ich habe es an einem Schnitt auf seiner Wange gesehen. Er stellte sich vor mich, beugte sich nach vorne und küsste mich. Natürlich haben wir bei unserer Begrüßung die Form gewahrt, wir waren schließlich nicht allein auf dem Quai. Victor hat meine Hand gehalten und hat mich so die Kraft seiner Liebe spüren lassen. Dann hat er Thérèse angesehen. Ich hatte Thérèse auf dem Arm. Julie war bei Schwester Jolanta, die einige Meter hinter mir stand. Victor sah sich sofort um, er hat nicht lange nach seiner zweiten Tochter suchen müssen und er hat sie Schwester Jolanta abgenommen, er sah so glücklich aus, wir waren endlich vereint, so glücklich vereint. Dann nahm Victor beide Kinder auf den Arm, küsste sie, seine beiden Mädchen. Seither ist er ganz vernarrt in sie und er ist stolz, dass es Zwillinge sind. Als wir an diesem Tage alleine waren, endlich ohne Publikum, habe ich lange mit Victor gesprochen, ihm von allem erzählt, ihm die Monate zurückgegeben, die in unserem gemeinsamen Leben fehlen. Aber auch ich habe erfahren, wie es Victor ergangen ist. Er hat unser Nest bereitet. Nach meiner Ankunft, nach dem Wiedersehen, nach dem ersten Tag, dessen Aufmerksamkeit ausschließlich Victor galt, habe ich mich in meinem neuen Heim umgesehen. Wir leben in einer Kolonie in der Kolonie. Es ist ein wunderschönes Steinhaus, in einem Viertel Papeetes, in dem außer Franzosen auch andere Europäer leben. An Papeete hat mich gewundert, dass es hier Elektrizität gibt. Diesen Luxus hatte ich nicht erwartet. Ich habe vieles nicht erwartet. Papeete ist eine belebte Stadt, es gibt alles zu kaufen, vor allem gibt es viele chinesische Händler, die Stoffe und Seide, Haushaltswaren und einfach alles verkaufen. Dann gibt es Märkte, an denen Obst und Gemüse angeboten werden. Viele der Früchte kannte ich noch nicht, die Guave war mir neu oder die Brotfrucht und es gibt haufenweise Kokosnüsse. All dies wächst auf Tahiti und die Brotfruchtbäume und die Kokospalmen sind überall zu sehen. Am ersten Sonntag nach meiner Ankunft hat Victor mir die Landschaft um Papeete herum gezeigt. In der ersten Woche war ich noch recht abgeschottet, besonders von den Einheimischen. Während unseres Ausfluges hatte ich aber mehr Gelegenheit auch die richtigen Tahitianer kennenzulernen. Es sind natürlich keine Wilden, nicht alle. Die Frauen sind hübsch, auch die älteren. Die Männer sind mitunter die Wilden oder sehen wild aus, besonders wenn sie keine der typischen Umhänge, wie Pareos oder Tapas tragen und daher ihre Bemalungen zu sehen sind. Erst später erfuhr ich, dass es Tätowierungen sind. Ich kannte so etwas nur von einigen der Seeleute, auf der New South Wales und der Cormoran. Während die Seeleute nur wenig verziert waren, haben es die Tahitianer zur Perfektion gebracht. Bei den Älteren gibt es kaum eine Stelle des Körpers, die keine dieser Linien und Symbole trägt. Auch die Frauen haben Tätowierungen, die aber viel dezenter sind. Die Kirche auf Tahiti lehnt das Tätowieren gänzlich ab und will die Menschen dazu erziehen, es zu unterlassen. Bei den jüngeren Tahitianern soll die Kirche damit schon erfolgreich sein.

      Papeete, 14. Juli 1895

      Heute ist Nationalfeiertag. Ich bin in Frankreich, das habe ich in den letzten Tagen nie so deutlich gespürt, wie heute. Die ersten zwei Wochen in Papeete war ich mehr mit den Kindern, unserem Haus und mit Victor beschäftigt. Heute war der Feiertag Anlass, mich auch in die Gesellschaft einzuführen. Ich habe unzählige Namen gehört, wurde unzähligen wichtigen und unwichtigen Leuten vorgestellt, sodass ich noch eine Zeit lang benötige, um mir die Namen einzuprägen. Einen Namen habe ich aber sofort behalten, Gouverneur Papinaud, der wichtigste Mann auf Tahiti, ja vielleicht in ganz Ozeanien. Dies gilt zumindest für den französischen Teil und dieser Teil ist unendlich groß, zwar nicht an Land, aber doch an Fläche, wenn die Meeresoberfläche mit eingerechnet wird. Gouverneur Pierre Louis Clovis Papinaud ist durchaus ein freundlicher Mann, was vielleicht daran liegt, dass seine Ablösung bereits für das nächste Jahr geplant ist und er sich somit seinen anstrengenden Pflichten entledigen kann. Ich stelle fest, dass ich mir sogar seine ganzen Vornamen merken konnte.

      Papeete, 7. August 1895

      Ich besitze jetzt eine Landkarte von Tahiti und beschäftige mich damit. Mein Atlas hat hier versagt und so musste Victor mir die Karte besorgen. Tahiti besteht eigentlich aus zwei Inseln, Nui und Iti. Tahiti Nui wird durch den Mount Orohena beherrscht. Ich habe seinen Gipfel das erste Mal von See aus gesehen. Der Orohena ist zweitausendzweihundert Meter hoch. Auf Tahiti Iti gibt es einen weiteren Berg. Es ist ebenfalls ein erloschener Vulkan, wie ich gelernt habe, der Mount Rooniu. Er ist aber deutlich kleiner, nur gut tausenddreihundert Meter hoch. Dann interessieren mich auch die Städte auf Tahiti, aber außer Papeete sind es wohl eher nur Dörfer. An der Südküste sind es Mahina, Papenoo und Faaone und im Norden Punaauia und Mataiea. Auf Tahiti Iti gibt es dann noch Tautira, das zu erwähnen sei. Ich muss mich auch an diese Namen gewöhnen, denn es gibt keine französischen Bezeichnungen. Ich werde mir alles genau einprägen, so wie ich die Arrondissements von Paris kenne. In Zukunft möchte ich auch ohne Karte sofort wissen, wo Mahina liegt oder Tautira. Es gehört dazu, als Bewohner dieser Insel.

      Papeete, 31. August 1895

      Mehr als einen Monat habe ich Thérèse und Julie ganz alleine versorgt, da mir Schwester Jolanta ja abhandengekommen ist. Jetzt habe ich eine vielversprechende Nachfolgerin. Sie heißt Fanaa. Ja ich habe doch eine Insulanerin als Kindermädchen genommen. Fanaa ist siebzehn und sie wurde von Nonnen erzogen, seitdem sie fünf ist. Sie ist ein Waisenkind. Eigentlich ist sie doch mehr Französin. Sie spricht die Sprache nicht anders als Victor und ich. Sie kleidet sich streng, so wie sie es von den Nonnen gelernt hat. Sie betet viel, so wie ich es von Schwester Jolanta auch gewohnt bin. Ein großer Vorteil ist, dass Fanaa in der Säuglings- und Kinderpflege ausgebildet wurde, was sie sogar mit einem Zeugnis belegen kann.

      Papeete, 17. September 1895

      Es gibt tatsächlich eine Schiffsverbindung zwischen Samoa und Tahiti. Ich habe Post von Aliette erhalten. Wir haben die Gemeinsamkeit, dass wir uns beide in einer neuen Umgebung zurechtfinden müssen. Pago Pago liegt an einer schönen Bucht, es ist dort warm und derzeit noch recht trocken, doch die Regenzeit soll in einem Monat beginnen. Es gibt sehr viele Amerikaner auf Tutuila. Aber Amerika ist nicht die einzige Schutzmacht auf den Samoa-Inseln, denn auch die Engländer und die Deutschen haben dort Marineeinheiten stationiert.

      Papeete, 25. September 1895

      Bisher haben die Mädchen mehr gegurgelt oder gekreischt oder Juchzlaute von sich gegeben und haben sich dabei zu übertreffen versucht, wenn eine von ihnen damit angefangen hat. Es war manchmal ganz schön laut. Seit einigen Tagen ist etwas Neues dazugekommen, ein Plappern. Meine beiden saßen auf ihrer Bastmatte und haben mit den Bauklötzen gespielt. Thérèse war die Erste, bei der ich es gehört habe. Ich saß am Schreibtisch und habe mich gleich umgesehen. Julie hat ihre Schwester erst ganz erstaunt angeschaut und dann hat sie es nachgemacht. Es blieb nicht dabei. Wenn es ganz still ist im Haus, fangen die beiden plötzlich an. Es sind keine richtigen Worte, ich kann zumindest nichts davon verstehen. Victor allerdings auch nicht, was daran liegt, dass sie nicht plappern, wenn er sich im Raum befindet. Sie schauen ihn immer nur gebannt an, aber lassen nichts von sich hören. Dann habe ich noch festgestellt, dass ich in Zukunft besser auf meine Lieblinge aufpassen muss, denn die ersten Krabbelversuche haben schon begonnen und kaum

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