Die Cousine aus Frankreich. Catherine St.John
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Читать онлайн книгу Die Cousine aus Frankreich - Catherine St.John страница 5
„Dazu hast du mich gezwungen!“
„Kannst du nicht beweisen. Du hast schon vorher davon gewusst und hundert Louis d´or dafür bekommen-“
„Was?“, heulte Louis auf, dem ja nicht einmal ein Zwanzigstel dieser märchenhaften Summe angeboten worden war.
„Hundert Louis d´or“, wiederholte Georges seelenruhig, weiter seine Nägel putzend und scheinbar ganz in diese Arbeit vertieft, ohne jedoch Louis auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen.
„Ich konnte dich ja nicht davon abhalten – ja, du hast mich gezwungen, meinen Kutter zur Verfügung zu stellen. Das wird das Gericht gar nicht freuen. Und die liebe Anne wird es auch nicht gerne hören, dass du von unserem Passagier hier nicht die Finger lassen konntest – wahrscheinlich lässt sie dem Gericht dann gar nicht mehr viel zu tun übrig.“
„Das wird dich den Kopf kosten!“, schleuderte Louis ihm wutentbrannt entgegen.
„Mag sein, aber wenn ich zum Schafott gehe, gehst du mit – das verspreche ich dir. Wenn ich auch nur den geringsten Ärger mit den Behörden habe, dann ziehe ich dich sofort mit hinein, da kannst du sicher sein.“
Georges´ entschlossene Haltung machte auf Louis endlich den gewünschten Eindruck; er zuckte mit den Schultern und gab mürrisch nach: „Also schön – aber schade ist es doch. Ich habe noch nie eine feine Dame – das ist sie doch, sonst müsste sie ja nicht abhauen, oder? – ich hab noch nie eine feine Dame ge-“
„Jetzt halt endlich dein verdammtes Maul und scher dich nach vorne!“
Louis knurrte noch etwas Unfreundliches und trollte sich.
Geneviève duckte sich tiefer in ihre Ecke und dachte über das Gehörte nach. Ganz genau wusste sie ja nicht, was Louis mit ihr vorgehabt hatte, aber sie konnte es sich schon denken. Entsetzlich, wenn Georges ihn nicht an seinem abscheulichen Vorhaben gehindert hätte! Sie versank in Gedanken und schreckte erst nach längerer Zeit wieder hoch. Immer mehr Möwen umkreisten kreischend den Kutter, die Sonne stand schon recht hoch am Himmel, es wurde erheblich wärmer – und die Felsenküste Englands war schon ein gutes Stück näher gerückt. Nach ihrer Ansicht musste es mindestens Mittag sein. Nachdem weitere Zeit verstrichen war, konnte sie fasziniert beobachten, wie die Felsen von Minute zu Minute größer wurden und schließlich zum Greifen nah schienen. Das mussten wohl diese Kreidefelsen sein, von denen Miss Carpenter, ihre Gouvernante, immer erzählt hatte. Georges und die anderen manövrierten herum, bis der Kutter in eine kleine Bucht glitt, wo er vor neugierigen Augen geschützt war. Geneviève blickte ins Wasser: Das Meer schien so hell, dass es nicht mehr sehr tief sein konnte; sie bildete sich sogar ein, den Boden erkennen zu können.
Vor ihr dehnte sich ein breiter Schlammstreifen, dem ein kleiner Strand folgte; danach erhob sich unmittelbar die Felswand, die, wie sie nun erkennen konnte, nicht ganz so steil war wie zunächst vermutet und dafür mit Gras und Sträuchern bewachsen war.
Sie ging auf Georges zu, der einige Schritte von ihr entfernt stand und mit dem Ruder hantierte, und fragte ihn, warum er denn nicht näher an die Küste heranfahre. George blickte kaum auf. „Näher geht es nicht, sonst laufen wir auf Grund. Ich muss Sie hier absetzen. Das Wasser ist höchstens hüfthoch, Sie müssen an Land waten. Tut mir leid, aber in der Sonne werden Sie ja bald trocknen. Wenn Sie an den Steilhang kommen, werden Sie merken, dass da ein Weg hinaufführt – ich kenne diese Bucht ganz gut. Ober gibt´s ein Wirtshaus und wahrscheinlich auch eine Poststation. Tja, und jetzt steigen Sie wohl am besten aus.“
Sie nickte, dann gab sie sich einen Ruck, wandte sich dem äußerst mürrischen Louis zu und streckte ihm die Hand entgegen, die er nach anfänglicher Verblüffung ergriff. „Leben Sie wohl – und vielen Dank, Sie haben mich gerettet!“ Das Lächeln, das diese Worte begleitete, verfehlte nicht seine Wirkung, nämlich Louis von seinen Rachegedanken abzubringen. Er schenkte ihr ein schiefes Grinsen und sagte widerstrebend: „Na, viel Glück – und nichts für ungut!“
Sie lächelte ihm noch einmal zu und lief zum Heck des Kutters zurück, wo Georges auf sie wartete, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Sie dankte auch ihm und sprach die Hoffnung aus, ihm möchten aus diesem Unternehmen keine Unannehmlichkeiten erwachsen. Er beruhigte sie: „Mit Louis werde ich schon fertig, dem ist bloß die lange Nacht zu Kopf gestiegen.“
Auf ihre Anfrage hin teilte er ihr noch mit, es sei jetzt – er blicke schätzend zum Himmel – etwa elf Uhr. „Wir haben also dreizehn Stunden gebraucht – keine schlechte Leistung, oder?“ Geneviève versicherte ihm höflich, wenn auch völlig unzutreffend, die Zeit sei ihr wie im Fluge vergangen. Sie entledigte sich ihrer Schuhe und Strümpfe und krempelte die Hosenbeine hoch, so gut es eben ging; Georges stützte sie, als sie sich vorsichtig ins Wasser hinabließ, um nicht nasser zu werden als es unbedingt nötig war. Georges reichte ihr Schuhe und Strümpfe nach; zum Dank dafür teilte sie ihm erfreut mit, das Wasser sei kaum noch knietief.
Darüber war Georges nun weniger glücklich; er stieß einen kräftigen Fluch aus und schickte sich an, sofort aus diesen seichten Gewässern zu verschwinden, bevor sie womöglich noch festsaßen.
Geneviève winkte ihm noch einmal zu und watete vorsichtig ans Ufer, Holzschuhe und Strümpfe in der hoch erhobenen Hand. Als sie den feuchten Schlickstreifen erreichte und sich umdrehte, sah sie den Kutter mit vollgeblähten Segeln bereits erstaunlich weit vor der Küste kreuzen. Am Strand angekommen, setzte sie sich auf einen großen Stein, der einladend in der vollen Mittagssonne stand, und dachte über ihre Lage nach, während ihre Beine trockneten.
Was sollte sie jetzt wohl am besten tun? Mit der Sprache hatte sie zwar keine Schwierigkeiten, da ihr Vater seltsamerweise gewünscht hatte, dass sie die englische Sprache erlernte – deshalb hatte sie zwei Jahre lang eine englische Gouvernante gehabt, eben jene Miss Carpenter; aber ansonsten fühlte sie sich hilflos wie ein neugeborenes Kind.
Sie besaß achtzehn Louis d´or, Kleider, in denen sie bewohnte Gegenden am besten mied, und hatte keine Ahnung von den englischen Sitten und Gebräuchen, da sich in ihrem Kopf die halb vergessenen Erläuterungen von Miss Carpenter und die zahlreichen Vorurteile ihres Vaters zu einem kunterbunten Durcheinander mischten. Durfte sie überhaupt gestehen, dass sie aus Frankreich kam und geflohen war? Sie wusste, dass Frankreich Krieg führte gegen Österreich, die Heimat der Königin, aber ob es sich auch mit England im Kriegszustand befand, war ihr nicht ganz klar.
Und falls Frieden herrschte zwischen England und Frankreich, wie konnte sie sicher sein, dass es nicht auch hier Revolutionsfreunde gab, die sie irgendwie nach Frankreich zurückschaffen würden? Die Engländer, das wusste sie aus den Äußerungen ihres Vaters, waren ein raues und rasch entschlossenes Volk, mit barbarischen Manieren und ohne Kultur; sie würden gewiss äußerst unfreundlich zu ihr sein. Warum nur hatte Tante Anne einen solchen Barbaren geheiratet? Aber hätte sie es nicht getan, so hätte Geneviève überhaupt nicht gewusst, wohin sie hätte gehen können. Nur musste sie erst einmal zu ihr gelangen!
Sie fühlte sich seltsam verzagt, die ganze Abenteuerlust, die es ihr ermöglicht hatte, die vergangene Nacht ohne hysterische Anfälle zu überstehen (selbst in den kritischsten Situationen hatte sie ein Gefühl der Spannung nicht ganz unterdrücken können), schien verflogen zu sein.
Schließlich gab sie sich einen Ruck und zwang sich, ihre Gedanken dem Nächstliegenden zuzuwenden: Hier konnte sie jedenfalls nicht bleiben.
Sie beschloss, den Steilhang zu erklimmen, sobald sie getrocknet war, und nach dem Wirtshaus zu suchen, von dem Georges gesprochen hatte. Vielleicht gab es dort eine Wirtin, der sie sich anvertrauen und die ihr mit einem alten Kleid aushelfen