Die Cousine aus Frankreich. Catherine St.John
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Cousine aus Frankreich - Catherine St.John страница 8
So saß er nun vor seinem Krug, ärgerte sich, rund achtzig Meilen von London entfernt in einem derart unpassenden Aufzug zu sitzen, dass man es nur noch absurd nennen konnte, und überlegte, ob es wohl die Höflichkeit geböte, mit dem jungen Burschen, der sich am Nachbartisch geradezu ekelhaft herzhaft ein Frühstück schmecken ließ und trotz seiner entsetzlichen Kleidung irgendwie nicht wie ein Bauer aussah, ein wenig Konversation zu treiben.
Eigentlich hatte er keine Lust dazu und glaubte auch, vom Reden würde sein Schädel nur noch mehr dröhnen, aber schließlich war er ein wohlerzogener Mensch und seine bloße Anwesenheit in diesem Wirtshaus war schon genug Verstoß gegen die guten Sitten.
Er bemerkte also, nicht sonderlich originell: „Schönes Wetter heute, nicht wahr?“
„Ja“, antwortete Geneviève einsilbig, nicht minder einem Gespräch abgeneigt. Er beschloss, noch einen Versuch zu wagen und es dann aufzugeben: „Sie kommen aus Frankreich?“
Die Reaktion auf diese reine Höflichkeitsfrage erstaunte ihn.
„N-nein, wieso?“ stammelte der Bursche und lief womöglich noch röter an, kerzengerade aufgerichtet.
„Na, Sie haben doch vorhin M´sieur zu mir gesagt, deshalb dachte ich, Sie wären Franzose“, erläuterte Mr. Darley achselzuckend, denn eigentlich war es ihm völlig gleichgültig, ob das Kerlchen nun aus Frankreich, China oder vom Mond kam.
„Warum erschrecken Sie denn so? Ist doch nicht verboten, aus Frankreich zu kommen. Ein Spion werden Sie ja wohl nicht sein – au! Ohh…“
Er griff sich an den geplagten Schädel. Geneviève sprang alarmiert auf. „Ist Ihnen nicht wohl, M´sieur?“ Himmel, jetzt hatte sie schon wieder M´sieur gesagt! Er schien es aber nicht gehört zu haben, denn er murmelte nur: „Schon gut, ich habe nur furchtbares Schädelbrummen. Dieser Brandy war teuflisch, wissen Sie.“
„Wie bitte?“ Verständnislos starrte sie ihn an.
Er seufzte und hob mit gequälter Miene den Kopf. „Ich – habe – gestern – zu viel – getrunken“, erklärte er überdeutlich. „Sie müssen aus Frankreich kommen, wenn Sie nicht mal wissen, was Brandy ist. Leugnen ist zwecklos.“ Er schloss die Augen, wie um das Endgültige dieses Dictums zu betonen.
Geneviève war fasziniert und vergaß ihre Vorsicht. Diese Engländer hatten doch eine zu seltsame Ausdrucksweise! Offensichtlich hatte der Herr Kopfschmerzen, aber woher, war ihr noch nicht ganz klar, wenn sie auch einen bestimmten Zusammenhang vermutete.
„Bekommt man Kopfschmerzen, wenn man zu viel trinkt?“, fragte sie deshalb interessiert, aber auch von der Hoffnung getrieben, sie könne ihn damit von der heiklen Frage ihrer Herkunft ablenken. Doch dadurch verschlimmerte sie die Sache nur noch.
Der Herr fuhr ob dieser naiven Frage so jäh hoch, dass ein besonders schmerzhafter Stich seinen gemarterten Schädel durchzuckte und ihm ein neuerliches Stöhnen entlockte. „Sagen Sie mal, ist das Ihr Ernst? Ja, waren Sie denn noch nie beso- betrunken?“
„Natürlich nicht!“, wies ihn Geneviève zurecht, einen Moment lang vergessend, dass gelegentliche Trunkenheit für einen Herrn auch in Frankreich nichts Anstößiges darstellte.
„Naja, ein bisschen kindlich sehen Sie ja noch aus. Aber Sie sind doch mindestens – naja, siebzehn?“
Sie nickte, auf ein Jahr mehr oder weniger sollte es ihr nicht ankommen.
„Na, und noch nie zu viel erwischt? Gibt´s ja gar nicht.“
Er musterte sie mit aller Konzentration, derer er in seinem angeschlagenen Zustand fähig war, und sah ein ungewöhnlich glattes und zartes Gesicht (nur leider sehr gerötet) vor sich, mit großen braunen Augen, einer zierlichen Stupsnase, von der sich die Haut abschälte, und einem vollen, hübsch geschwungenen Mund. Dieses Gesicht betrachtete ihn mit einer Mischung aus Faszination und Furcht. Plötzlich kam ihm die Erleuchtung: „Ich hab´s – Sie sind ein Mädchen!“
Strahlend ob dieser enormen geistigen Leistung sah er sie an. Geneviève fuhr wie unter einem Schlag zusammen und wurde so bleich wie nur möglich. „Wie kommen Sie denn auf diese absurde Idee?“, erkundigte sie sich bemüht gelassen, aber doch mit deutlicher Nervosität in der Stimme.
Der Gentleman, den das Ale offensichtlich gestärkt und angeregt hatte, grinste sie entwaffnend an. „Ganz klar – viel zu hübsch für ein Bürschchen!“ Vorsichtig, um seinen immer noch schmerzenden Kopf nicht noch mehr zu erschüttern, neigte er sich zu ihr herüber.
„Erzählen Sie doch mal! Eine Französin, als Mann verkleidet, im Lamb and Crown. So etwas trifft man nicht alle Tage, beim Zeus! Wie kommen Sie denn hierher?“
Geneviève las nur ehrliches Interesse in seinen blauen Augen und gab sich geschlagen. Was konnte es noch schaden, wenn er ohnehin schon alles erraten hatte? Sie holte also ganz tief Luft.
„Ich bin heute Nacht aus Frankreich geflohen -“
„Na, da haben Sie aber mal Recht gehabt, aus Frankreich hört man ja abscheuliche Dinge! Keine Manieren mehr, kein Spaß, da wäre ich auch nicht geblieben. Anständige Leute sollen dort ja ihres Lebens nicht mehr sicher sein!“
Sein Beifall ermutigte sie, fortzufahren: „Ja, genau, es hatte geheißen, sie wollten alle Aristokraten hinrichten – kurz bevor ich geflohen bin, hat man in Paris auch eine Menge Leute in den Gefängnissen getötet – einfach so! Also hat mir unser alter Kutscher geholfen, und sein Vetter, ein Fischer, hat mich heute Morgen hier vor der Küste abgesetzt – und da bin ich nun!“
Sie lächelte ihn zaghaft an. Mr. Darley war hingerissen: „Und da sind Sie nun – ein richtiges Abenteuer-! Nicht schlecht, meiner Seel`! Sagten Sie nicht, Sie seien Aristokratin?“
„Ja“, antwortete Geneviève verwundert.
„Wie heißen Sie denn? Allmächtiger, ich vergesse ja ganz meine Manieren – frage Sie hier aus wie ein Ichweißnichtwas und habe mich noch nicht einmal selbst vorgestellt!“
Er stieß den Stuhl zurück, erhob sich unsicher und setzte zu einem schwungvollen Kratzfuß an. „Gestatten – mein Name ist Darley – ergebenster Diener, Mademoiselle!“
Seine Reverenz wurde nur unwesentlich von einem aufkommenden Schwindelgefühl beeinträchtigt, das ihn zwang, hastig an der Stuhllehne Halt zu suchen, und Geneviève ein heiteres Glucksen entlockte.
„Ich bin Geneviève de Deaubray.“
„Hocherfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen. Aber – wenn ich fragen darf – was wollen Sie jetzt tun? Ich nehme doch nicht an, dass Sie den Rest Ihres Lebens hier in dieser Maskerade verbringen wollen?“
Sie lachte. „Aber nein, natürlich nicht, M´sieur. Ich werde zu meiner Tante nach London reisen und bei ihr leben. Darf ich Sie übrigens bitten, nicht weiterzuerzählen, dass Sie mich hier allein in diesem schockierenden Aufzug angetroffen haben. Es wäre meiner armen Tante gewiss sehr peinlich.“
Darley schwor ewiges Stillschweigen und fragte weiter: „Wie heißt denn ihre Tante? Ich will nicht neugierig erscheinen, aber,