Eine unglaubliche Welt. Sabine von der Wellen

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Eine unglaubliche Welt - Sabine von der Wellen

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es vielfach von allen Seiten wieder und der Junge sieht sich gehetzt um. Wieder lässt er den Lichtstrahl umherirren und wieder trifft er auf kein Ziel, außer auf tiefste Dunkelheit. Zittrig nimmt er seinen Rucksack und steigt von dem Hügel. Alles ist feucht und glitschig. Er rutscht ein paar Mal fast aus und hält krampfhaft die Lampe fest. Die darf er auf gar keinen Fall verlieren.

      Unschlüssig beleuchtet er nochmals die Umgebung und der Schein seiner Lampe stößt an eine Wand. Vorsichtig tritt Gerrit einige Schritte darauf zu und erfühlt die feuchte, schleimige Oberfläche. Er zuckt zurück. Wo ist er hier nur gelandet und wie soll er hier jemals wieder herauskommen? Vielleicht, wenn die Suchtrupps hier in die Nähe kommen?

      Sein Fahrrad steht am Waldrand und das Seilende muss noch am Baum hängen. Sie müssen ihn einfach finden!

      Wieder lässt er den Lichtstrahl nach oben gleiten und versucht einen Ausweg zu finden. Doch die Decke ist sehr hoch und für ihn unerreichbar.

      Er beleuchtet den Boden, weil ihm mit einem mal wieder in den Sinn kommt, dass auch die anderen verschwundenen Kinder hier in dieser Höhle festgesessen haben könnten. Er sieht schon die Skelette vor sich, die zusammengesunken an einer der glitschigen Wände kauern. Vielleicht wird er an den Stofffetzen, die um die bleichen Knochen hängen, erkennen können, welches von ihnen seine Schwester gewesen ist.

      Das blanke Entsetzen bei diesem Gedanken krampft seinen Magen zusammen.

      „Wieso bin ich nur hinter dieser saublöden Katze hergerannt?“, flucht er mehr zu sich selbst. Jemand anderes ist ja nicht da und er … er ist jetzt auch ein „verschwundenes“ Kind.

      Er mag gar nicht daran denken, wie es seinen Eltern heute Abend ergehen wird, wenn er nicht nach Hause kommt. Wieso hat er nur niemandem erzählt, dass er zur Alkenkuhle fahren will?

      Er lässt ängstlich das Licht seiner Taschenlampe an der Wand entlanggleiten. Bereit, jeden Moment auf einen Knochenfund zu stoßen, folgt er dem Lichtschein und geht weiter die Wand entlang. Die Höhle erscheint ihm riesengroß.

      Plötzlich spürt er eine Bewegung hinter sich und will sich gerade erschrocken umdrehen, als er auch schon ein Fauchen hört. Er spürt, wie ihm die Krallen der Katze durch das Haar reißen, als sie über ihn hinwegspringt. Alles geht so schnell, dass er noch nicht einmal seinen Lichtstrahl auf das Vieh richten kann. Für einen Moment glaubt er noch das grüne Funkeln ihrer Augen auszumachen, dann ist sie verschwunden.

      Gerrit leuchtet in die Richtung, in der er die Katzenaugen gesehen hat. Tatsächlich durchbricht an dieser Stelle das Licht die Dunkelheit und richtet sich in die Unendlichkeit. Gerrit sieht, dass sich dort die Wand zu einem Tunnel öffnet.

      Vor seinen Füßen kringelt sich etwas, dass die Katze bei dem gewagten Sprung über seinen Kopf hinweg verloren hatte. Er bückt sich und starrt entsetzt auf das kurze Ende des Seiles, dass er oben um den Baum gebunden glaubt. Es ist sogar noch der grüne Kleber dran, damit das Ende nicht aufribbelt.

      „Verdammtes Vieh!“, heult er entsetzt auf. Ein Hoffnungsschimmer ist dahin. Nun bleibt ihm nur noch übrig, zu warten und zu hoffen, oder der Katze in die Dunkelheit zu folgen.

      Erneut beleuchtet er den Weg vor sich und findet das Loch in der Wand.

      „Ein Durchgang!“, schießt es ihm durch den Kopf und Hoffnung durchflutet ihn.

      Doch gleichzeitig hat er Angst, diese Höhle zu verlassen. Schließlich ist sie das Einzige, was ihn mit der Außenwelt verbindet. Aber wenn er der Katze nicht sofort folgt, dann wird er vielleicht niemals einen anderen Weg hier herausfinden und das ist dringend nötig. Denn man hatte auch die anderen Kinder hier unten nicht gefunden. Also ahnt wohl keiner, dass es hier tatsächlich eine Höhle gibt.

      Noch einmal den Schein der Lampe auf den Laubhaufen zurückwerfend, und seinen Rucksack schulternd, geht er los. Wenn er sich den Weg gut merkt, kann er jederzeit umkehren.

      So geht er vorsichtig in den Gang, einen Fuß vor den anderen setzend und leuchtet mit klopfendem Herz die Wände ab.

      Doch mit jedem Schritt in die unbekannte Welt vergrößert sich seine Angst und Gerrit versucht sich dagegen zu wehren, indem er leise vor sich hin summt. Ihm fällt nichts Besseres ein als „Hänschen klein, ging allein …“ Außerdem kämpft er verbissen darum, seine Gedanken in den Griff zu bekommen, die ihm immer mehr Schreckensvisionen von aufgespießten Skeletten an den Wänden und monsterartigen Wesen, die ihn verspeisen wollen, vorgaukeln.

      Seltsame Geräusche lassen ihn ständig zusammenfahren und treiben ihm den Schweiß auf die Stirn, obwohl es hier unten empfindlich kalt ist.

      So schiebt er sich vorsichtig voran, immer darauf bedacht, nicht über irgendetwas Schreckliches zu stolpern oder sich an einem tiefhängenden Stein den Kopf zu stoßen. Die Katze vor ihm bleibt verschwunden. Er hofft so sehr, noch einmal ihre leuchtenden Augen zu sehen, doch vor ihm scheint nichts zu sein.

      Langsam schleicht er weiter. Der Lichtkegel seiner Taschenlampe erhellt die dumpfe Dunkelheit um ihn herum nur unzureichend. Bald weiß er nicht mehr, wie lange und wie weit er schon so dahingeschlichen ist. Aber es müssen Stunden vergangen sein. Die Feuchtigkeit und Kälte lässt ihn trotz seiner Jacke zittern und er fühlt sich müde und erschöpft. Mitunter klappern seine Zähne so laut aufeinander, dass er sie fest zusammenbeißen muss, weil er Angst hat, dass etwas auf ihn aufmerksam wird, was besser nichts von ihm weiß.

      So schleppt er sich voran, bald nur noch das Licht der Lampe starr vor sich haltend. Sind die anderen Kinder vor ihm hier auch schon so entlanggeschlichen?

      Nein, denn eines ist sicher: Sie hatten keine Taschenlampe wie er. Ein Vorteil, den er nicht missen möchte. Der Gedanke, hier unten ohne Licht zu sein, erschreckt ihn dermaßen, dass seine Finger sich um das Blech der Lampe verkrampfen, wie um eine begehrte Fußballkarte für ein Weltmeisterschaftsspiel mit Deutschland im Finale.

      Während er weiterschleicht und den Lichtkegel mal hierhin und mal dorthin wirft, sieht er in Gedanken seine Schwester, wie sie sich weinend auf allen Vieren den Gang entlang geschoben haben mag. Ein schreckliches Bild, das ihm die Tränen in die Augen treibt. Wie weit ist sie gekommen und was ist mit ihr dann geschehen? Oder ist sie nie hier unten gewesen?

      So läuft Gerrit gefühlte Stunden weiter, als plötzlich ein entferntes Schnaufen an sein Ohr dringt.

      Gerrit bleibt mit ängstlich aufgerissenen Augen und klopfendem Herzen wie erstarrt stehen.

      Bisher hatte sich an dem schmalen Höhlengang nicht viel geändert und nur wenige, undefinierbare Geräusche hatten seine gedanklichen Schreckensvisionen zu verstärken versucht.

      Das ständige Tröpfeln und Rauschen von Wasser, das entweder von der Decke trieft, an den Wänden herabfließt oder das als plätschernde, winzige Rinnsale über den Boden läuft, hatte sich im Laufe der Stunden zu einem beruhigenden Freund entwickelt, der ihm keine Angst mehr macht. Aber dieses Geräusch, das sich so unvermutet plötzlich an sein linkes Ohr herangemacht hatte, lässt ihn vor Furcht erzittern.

      Da, da ist es wieder! Es scheint in unregelmäßigen Abständen aus der Wand neben ihm zu kommen. Er ist also hier unten nicht allein. Doch dieses Schnaufen klingt so unheimlich, dass er lieber nicht wissen will, was das sein kann. So lässt er auch ganz vorsichtig den Strahl seiner Lampe in die Richtung gleiten, aus der es zu kommen scheint und hält den Atem an. Doch vor ihm tut sich nur ein weiterer dunkler Gang auf und daraus dringt nun ein lautes Schmatzen.

      Gerrit beeilte sich, das Licht auszuschalten und steht wie versteinert da. Doch nichts bewegt sich auf ihn zu. Die

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