Eine unglaubliche Welt. Sabine von der Wellen

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Eine unglaubliche Welt - Sabine von der Wellen

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ein Wahnsinniger kurvt er über die Straßen aus dem Ort heraus. Auf dem Fahrradweg durch Tütingen gibt er alles, was er an Kraft aufbringen kann und sieht bald schon das alte Gasthaus vor sich auftauchen.

      Der Schweiß läuft ihm den Rücken hinunter, als er seine Geschwindigkeit noch einmal erhöht. Er hofft inständig, dass die Katze noch an ihrem Platz sitzt.

      Und dann sieht er sie. Erst als kleiner Punkt und dann immer größer werdend. Sie sitzt noch immer an dem Karussell, an dem er sie vom Auto aus gesehen hatte. Doch sie sieht nicht zu ihm, sondern zu einem kleinen Mädchen, dessen Eltern wohl in der Gaststätte zum Essen eingekehrt sind.

      Die Katze erhebt sich gemächlich und stolziert zu dem Mädchen, die sie gleich auf den Arm nimmt und streichelt.

      Gerrit ist wie von Sinnen. Ohne nachzusehen, ob ein Auto kommt, rast er über die Straße, fährt den steilen Weg hoch, der zu dem Gasthaus führt und springt noch während der Fahrt vom Fahrrad, das scheppernd in einem Busch landet.

      Er rennt über die gepflasterte Terrasse und sieht das Mädchen, das gerade die Katze herunterlassen will, an der Tür stehen.

      „Das ist meine Katze!“, schreit er und kommt keuchend vor dem Mädchen zum Stehen.

      Die sieht ihn nur ängstlich an. „Ist ja schon gut. Ich wollte sie doch nur mal streicheln.“

      „Die kann man nicht streicheln!“, zischt er aufgebracht und erkennt sofort, was für einen Unsinn er da redet.

      Die Katze sieht Gerrit mit ihren grünen Augen seltsam an, so als wundert sie sich darüber, dass ausgerechnet er zu ihr kommt.

      Schnell nimmt Gerrit dem Mädchen die Katze ab und lässt sie, als wäre sie aus heißem Eisen, zu Boden gleiten. Irgendwie hat er Angst vor dem Tier und will sie nicht einmal auf dem Arm behalten.

      Das Mädchen hebt die Nase und stolziert beleidigt durch die Tür in das Gasthaus.

      „Du hast Glück gehabt“, denkt Gerrit und sieht ihr nach. Dann wendet er sich der Katze zu, die ihn immer noch anstarrt. „Na los, du Vieh! Zeig mir, was du mir damals schon zeigen wolltest“, flüstert er nur hörbar für die Katze, die sich sofort erhebt und in Bewegung setzt, als hätte sie ihn verstanden.

      Gerrit läuft zu seinem Fahrrad und folgt ihr. Tatsächlich hat er das Gefühl, als weiß sie genau, dass er ihr folgen wird. Sie dreht sich kein einziges Mal nach ihm um.

      Wieder überquert er die Straße, fährt ein Stück den Fahrradweg entlang und biegt dann links in den schmalen, geteerten Weg ein. Angst beschleicht ihn, ob er wohl das Richtige tut.

      Die Katze läuft in einem schnellen Gang die Straße entlang, vorbei an Häusern, bei denen Gerrit einen Moment glaubt, es wäre besser, wenn er jemandem eben Bescheid sagt. Doch er hat Angst, dass das Tier ihm dann davonläuft. Das will er auf gar keinen Fall riskieren.

      Er wünscht sich, dass jemanden in einem der Gärten ist, den er auf sich und die Katze aufmerksam machen kann. Doch da ist niemand und außerdem hatte er der Polizei damals erzählt, dass seine Schwester der Katze auf diesem Weg gefolgt sein könnte.

      Die hatten aber nichts herausgefunden, außer dass der arme Gerrit offenbar eine Schraube locker hat und vom Wunschdenken getrieben, dass eine Katze mit dem Verschwinden seiner Schwester zu tun hat, sich Geschichten ausdachte.

      Gerrit sieht schon bald die Querstraße und den dunklen Wald, der sich vor der nun schnell untergehenden Sonne dieses Apriltages abhebt. Mit Erschrecken fällt ihm ein, dass es schon spät ist und es bald dunkel sein wird. Er bremst sein Fahrrad unschlüssig ab. Soll er der Katze wirklich weiter folgen?

      Die scheint sich nicht nach ihm umzusehen und rennt die Querstraße hinab. Bald wird er sie nicht mehr sehen können.

      Er gibt sich einen Ruck und treibt sein Fahrrad erneut an. Schnell folgt er dem Tier und holt bald wieder auf. Kurz darauf fährt er direkt am Wald vorbei, das graue Fell nicht aus den Augen lassend. Jeden Moment wird sie an die Stelle kommen, an der sie ihn damals vergeblich in den Wald locken wollte, und an der er und sein Vater Ninas Fahrrad gefunden hatten.

      Tatsächlich bleibt die Katze stehen und sieht ihn an.

      Gerrit fährt dicht an sie heran und steigt vom Fahrrad.

      „Hier haben wir damals Ninas Fahrrad gefunden. Wo hast du sie hingebracht?“, flüstert er der Katze zu und starrt wütend und ängstlich in die grünen Augen des Tieres. Sein Blick fällt auf einen der Baumstämme und er sieht in Gedanken das rote Fahrrad daran lehnen.

      Die Katze dreht sich um und hebt ihren buschigen Schwanz in die Höhe. Hoch erhobenen Hauptes stolziert sie weiter … in den Wald hinein.

      Gerrit sieht ihr blass hinterher. Er hat schreckliche Angst, ihr in den Wald zu folgen, weiß aber, dass er sie bald aus den Augen verliert, wenn er sich nicht beeilt.

      Weil es zu dämmern beginnt, kann er die Katze bald nur noch als Schatten ausmachen. So nimmt er allen Mut zusammen und folgt ihr.

      Doch nun achtet er darauf, dass er genügend Abstand zu ihr hält. Auch wandert sein Blick ständig umher, denn er befürchtet, dass dort irgendwo jemand auf ihn lauert.

      Die Katze führt ihn immer tiefer in den Wald hinein und Gerrit versucht sich den Weg zu merken, den er geht. Bis jetzt waren sie nur auf Wegen geblieben, was ihn einigermaßen beruhigt. Doch er weiß nicht, wie lange er jetzt schon hinter dem Tier herschleicht und er muss langsam dichter zu ihr aufschließen, um sie in dem immer dunkler werdenden Wald überhaupt noch sehen zu können.

      Plötzlich bleibt die Katze stehen, mauzt einmal und springt dann von dem Weg in das dichte Buschwerk des Waldes hinein.

      Gerrit macht einige große Sätze zu der Stelle hin, wo die Katze unter fast bis zum Boden reichenden Tannenzweigen hindurch verschwunden ist und starrt in das Unterholz. Er blickt durch den Wirrwarr von Baumstämmen, die von dichten Zweigen der ersten Tannenreihe fast verdeckt werden und überlegt, was er tun soll. Doch dann sieht er in einiger Entfernung die grünen Augen der Katze funkeln und beschließt, ihr weiter zu folgen. Er kriecht erst unter den bis zum Boden reichenden Ästen hindurch und kommt dann wieder auf die Füße. Die Fichten dahinter ragen auf dürren Stämmen zum Himmel empor. Farn und umgestürzte Bäume verbergen immer wieder den Weg der Katze und die in einigen Metern Höhe dichten Äste der Bäume verschlucken fast vollkommen das letzte Tageslicht.

      Gerrit folgt dem Schatten, der ab und zu vor ihm zu erkennen ist. Einen Augenblick sieht er noch die grünen Augen, die ihn anstarren, dann ist der Schatten verschwunden.

      Gerrit bleibt wie angewurzelt stehen. Wo ist die Katze plötzlich hin?

      Seine sowieso schon schrecklich angespannten Nerven vibrieren. Sein Magen beginnt sich zu drehen und zu wenden und will Tante Angelikas Kakao und Plätzchen nicht länger in sich behalten. Seine Augen können keine Gefahr ausmachen, aber alles in ihm schreit nach Flucht.

      Er muss sich zusammenreißen. Hier gibt es nichts, was ihm gefährlich werden kann. Er ist hier mit dieser Katze allein und was kann eine Katze ihm schon tun?

      Langsam schleicht er weiter. Seine Nerven sind wie Drahtseile gespannt und seine Augen weit aufgerissen, als könne er so besser und schneller alles sehen. Denn, obwohl er sich einzureden versucht, dass die Katze ihm nichts antun kann, irrt immer wieder der Gedanke durch seinen Kopf, dass den anderen Kindern doch auch etwas geschehen war.

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