Eine unglaubliche Welt. Sabine von der Wellen

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Eine unglaubliche Welt - Sabine von der Wellen

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schnauzt Saskia ihre Klassenkameraden in dem Moment auch schon an. „Mein Vater hat mir gezeigt, wo der Feuerreifen einschlug, als dieser Bauer ihn herausforderte“, ruft sie trotzig aus.

      Stille bricht über die Klasse herein und Saskia freut sich, nun die ungeteilte Aufmerksamkeit zu haben.

      „Also, dieser Bauer hatte ein sehr schnelles Pferd, mit dem er vor dem Feuerreifen floh. Doch was ihn eigentlich rettet, war …“ Saskia sieht sich um, ob auch wirklich alle vor Spannung erstarren, „… sein Dielentor. Mit letzter Kraft sprang das Tier über die untere Hälfte des Dielentors in die Diele des alten Bauernhofes und das Rad prallte davor ab. Ich selbst habe die Spur des Reifens gesehen“, bringt sie mit stolzgeschwellter Brust ihre Geschichte zu Ende.

      Einen Moment herrscht in der Klasse angespanntes Schweigen. Dann klatscht Elcharsch zweimal in die Hände und ruft: „Nah, das war ja eine aufregende Geschichte, der wir aber mal nicht zu viel Gewicht beimessen wollen. Denn ihr solltet niemals vergessen, dass das alles nur eine Sage ist. So, dann holt mal euer Lesebuch heraus und wir schauen, ob sich darin nicht auch etwas Aufregendes finden lässt.“

      Die Kinder kramen unter Buhrufen und Stöhnen ihre Lesebücher aus ihren Taschen und der Rest der Stunde wird in Zeitlesen investiert, bei dem jeder mal drankommt und versucht, so viel und so fehlerfrei zu lesen, wie möglich.

      Als Gerrit an der Reihe ist, weiß er gar nicht, wo sie in der Geschichte sind, denn ihm spuken immer noch die Bilder des Feuerrades durch den Kopf und der Alke, der vielleicht statt auf ein Feuerrad auf eine Katze umgestiegen ist. Ihm gruselt der Gedanke, obwohl es doch nur eine Sage ist - eine nicht bewiesene Geschichte. Eine äußerst unglaubwürdige noch dazu, denn wohin soll ein ganzes Haus schon verschwinden? Und bedenkt man, was heut zu Tage in der Welt geschieht, dann hätte der liebe Gott mit seinen Bestrafungen alle Hände voll zu tun. Mal ganz davon abgesehen, dass er scheinbar lieber unschuldige Kinder bestraft, denn Nina hatte nie jemandem etwas zuleide getan.

      „Also alles Quatsch!“, versucht Gerrit sich zu beruhigen. Doch sein Blick wandert immer wieder zu Saskia hin, die weiterhin mit geröteten Wangen dasitzt. „Ich habe den Abdruck des Feuerreifens selbst gesehen!“, hört er sie in Gedanken immer wieder sagen und jedes Mal läuft ihm ein kalter Schauer über den Rücken.

      Am Nachmittag sitzt Gerrit in seinem Zimmer auf dem Bett, unschlüssig vor sich hin sinnend, was er nun glauben und tun soll. Er ist in seinen Gefühlen immer noch hin und hergerissen. Soll er in die Kuhle klettern und sie näher erforschen, so wie er es noch am Vortag geplant hatte? Wenn wirklich etwas an dieser Legende dran ist, heißt das, dass sich die Erde unter ihm auftun kann?

      Ach! Was für ein Blödsinn! Noch nie hatte es jemanden gegeben, der von etwas Derartigem berichtete, außer diesem Bauern, und das ist schon Generationen her. Außerdem, wieso sollten jetzt Kinder in einem solchen Loch verschwinden, wo doch Jahrhunderte nie etwas passiert ist?

      Und was könnte dann die Katze damit zu tun haben? Warum verschluckt das Loch sie nicht?

      Nein, nein, nein! Gerrit ist sich mittlerweile sicher, dass diese Kuhle keinen verschlucken kann. Dazu der Alke in Gestalt einer Katze? Schwachsinn! Sie hatte ihn zwar zu dieser Kuhle gelockt, aber wenn das nun doch einen ganz anderen Grund hatte? Vielleicht gibt es unten im Laub wirklich eine kleine Höhle, in der kleine Katzen hausen, fast dem Verhungern nah, weil er aus Feigheit geflüchtet war.

      Ja, das muss es sein. Die Katze hat mit all dem nichts zu tun und will ihm nur ihre Jungen anvertrauen. Seine Mutter hatte ihm und Nina früher einmal erzählt, dass ihre Katze sie immer zu ihren Kindern geführt hatte, wenn sie sie nicht mehr ernähren konnte.

      Plötzlich scheint ihm dies die einzig logische Erklärung zu sein. Fast muss er über sich und seine überdrehte Fantasie lächeln. Katzen lassen keine Kinder verschwinden, Häuser versinken nicht durch Gottes Wille in der Erde und Feuerreifen springen nicht aus Erdmulden und verfolgen Menschen.

      Gerrit packt nun auch noch das schlechte Gewissen. Was, wenn die kleinen Kätzchen schon tot sind? Er hatte an der Kuhle nichts gehört und die Katze war nicht da gewesen. Vielleicht hat sie ihr Nest schon aufgegeben?

      Dieser Gedanke lässt ihm keine Ruhe mehr. Auch wenn sich von irgendwoher trotzdem noch die angestaute Furcht vor der Katze, und der seltsamen Sage um die Alkenkuhle, in sein Gehirn schleicht, dieser Gedanke von dahinsterbenden kleinen Kätzchen zieht ihn nun vollends in seinen Bann.

      „Aber warum verschwanden die Kinder, wenn die Katze in der Nähe war?“, versuchen seine Gedanken sich ein letztes Mal in eine andere Richtung zu orientieren. Doch nun, bei genauerer Betrachtung, wird ihm klar, dass er nur glaubt, dass Nina der Katze gefolgt war. Und Thomas Mehring …, der wünschte sich doch nur eine Katze zu Weihnachten! Sagt das schon etwas darüber aus, dass er wirklich auf diese Katze gestoßen war, ihr folgte und somit in sein Unglück rannte?

      Eigentlich nicht.

      Und wenn, dann gibt es immer noch die Möglichkeit, dass die Katze zufällig immer dann eine Ziehmutter für ihre Babys sucht, wenn irgendjemand ebenfalls unterwegs ist, um sich an Kindern zu vergreifen.

      Ja, eine plausible Erklärung, aber keineswegs beruhigend. Gerrit hofft inständig, dass dieser Jemand nicht gerade jetzt auf Kindersuche ist.

      So packt er sich eine Tüte Milch ein, eine Dose Katzenfutter, die er schon vor Wochen gekauft hatte und ein Stück Fleischwurst für die Mutterkatze. Unschlüssig steht er einige Zeit da und starrt auf den Rucksack.

      „Eine Taschenlampe für den Fall, dass die Kleinen tief in einem Loch sitzen“, murmelt er vor sich hin und greift nach der Lampe, die seine Mutter immer in der obersten Küchenschublade aufbewahrt. Schnell nimmt er noch einen Satz Batterien mit, weil er nicht weiß, wie lange die alten Batterien noch halten.

      Dann packt er sich sein Taschenmesser dazu, um nicht ganz unbewaffnet in den Wald zu gehen, und holt sich ein Seil aus der Garage seines Vaters. Das muss er allerdings unbedingt noch vor dessen nach Hause kommen wieder zurücklegen. Denn sein Vater merkt immer sofort, wenn etwas nicht an seinem Platz liegt und keiner darf auch nur ahnen, dass er sich in der Gegend herumtreibt, um nach kleinen Katzen zu suchen.

      So bepackt schwingt er sich auf sein Fahrrad und fährt eilig durch die Straßen Ankums. Ihn treibt die Angst voran, für die kleinen Katzen schon zu spät zu kommen. Sein Gewissen macht ihm schon jetzt die schlimmsten Vorwürfe und er lässt wegen der Katze gar keinen anderen Gedanken mehr zu. Natürlich kann sie ihn nur wegen ihrer Jungen so in den Wald gelockt haben.

      Diesmal nimmt er den direkten Weg über den Fahrradweg nach Westerholte und dann durch Grovern zum Wald. Er hat nun keine Angst mehr, der Katze zu begegnen, doch sie taucht auch nirgendwo auf.

      Er stellt sein Fahrrad an den Baum, an dem sie damals das Fahrrad seiner Schwester gefunden hatten und wie immer, wenn er daran denkt, versetzt es ihm einen Stich in die Magengrube. Dann geht er, seinen Rucksack geschultert, in den Wald hinein. Diesmal braucht er sich noch nicht einmal sorgen machen, dass er zu viel Krach macht. Dennoch blickt er sich immer wieder um, damit er sicher sein kann, dass ihm keiner folgt. Denn das scheint ihm die einzige Gefahr zu sein, auf die er achten muss.

      Endlich erreicht er die Tannen, unter deren tiefhängenden Ästen er sich hindurchwindet und geht den direkten Weg zur Alkenkuhle.

      Langsam wird ihm doch etwas mulmig zumute. Ihm fällt das Feuerrad ein. Aber Saskia hatte ja gesagt, das käme nur um Mitternacht heraus und auch nur dann, wenn man den Alke dreimal ruft.

      Auch wenn Gerrit versucht sich einzureden, dass das alles nur Unsinn ist, so spürt er doch eine seltsame Furcht, bei dem Gedanken an die Sage, durch seine

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