Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen. Billy Remie
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Читать онлайн книгу Das Tagebuch des Schattenwolfprinzen - Billy Remie страница 23
Woher ich meine Gemeinheiten hatte? Nun, Weisheiten erhielt ich aus meinen Büchern und deren Geschichten, aber meine Fähigkeit, ohne Gewissen jemanden wehzutun, war vermutlich angeboren. Oder ein faules, ekliges Stück der Gene meines Vaters, der ebenfalls nie Reue zeigte, wenn er Gewalt anwandte.
Ich kratzte mich am Ohr, ehe ich gelangweilt erwiderte: »Wie gesagt, tragt das nächste Mal einen Lendenschutz. Oder wagt es einfach nicht, mich jemals wieder treten zu wollen.«
»Ich werde es unter die anderen zehntausend Dinge setzen, die ich nie wieder in Eurer Nähe tun sollte«, erwiderte Derrick.
Ich drehte ihm das Gesicht zu und wir schmunzelten uns belustigt an.
Er hatte Recht, es gab viele Dinge, die man im Umgang mit mir beachten sollte. Mutter hatte schon immer gesagt, mit mir sollte man vorsichtig verfahren, mit Sturheit käme man nicht weiter. Sie erklärte anderen immer, ich sei ein ›aufbrausendes Kind‹, leicht reizbar. Mit anderen Kindern konnte ich nicht gut, nur mit meinen kleinen Geschwistern. Befreundete Adelige nahmen nach einem Besuch unserer Burg meist weinende oder verletzte Kinder wieder mit nach Hause. Doch Mutter entschuldigte sich nie für mich, Mutter sagte immer nur, es sei die Schuld der anderen, wenn sie nicht wussten, wie sie mit mir umzugehen haben. Die meisten adeligen Kinder, samt ihrer Eltern, hatte ich von der Burg vergrault. Kindern konnte man eben nicht beibringen, einem anderen Kind zu gehorchen. Das nervte mich, ich konnte es kaum erwarten, erwachsen zu sein, um Erwachsenen beizubringen, vor mir zu knien.
So wie Derrick, er hatte schnell gelernt, zu knien. Derrick war schlau, er murrte zwar, er fluchte, er gab mir Spitznamen, aber ich wusste, er war mir gegenüber loyal. Er war der erste, den ich dazu gebracht hatte, mir allein seine Treue zuzusichern, und ich wusste, er würde sich mit mir zusammen jedem Feind entgegenstellen. Ich hoffte, dass Derrick nicht der einzige blieb, auf den ich mich verlassen konnte. Aber noch war ich jung und die Armee meines Vaters zahlreich, darunter würde ich im Laufe der Jahre sicher genug Männer finden, deren Loyalität ich mir irgendwie sichern konnte.
Das Quengeln eines Kindes riss mich unstet aus meinen Überlegungen. Ich warf den Kopf herum und beugte mich eiligst über Irmi, ehe sie mit ihrem Weinen noch Ann aufweckte. Irmi machte mir oft Sorgen, Mutter sagte, sie habe Schmerzen und der Heiler fand einfach nicht heraus, welche Art von Schmerz. Aber was auch immer es war, meine Schwestern konnte sich auf mich, ihren großen Bruder, verlassen. Zwar konnte ich Irmi nicht die Schmerzen nehmen, aber wenn sie weinte, war ich sofort da um sie abzulenken.
Auch an diesem Tag beugte ich mich über sie und lächelte ihr in das niedliche Gesicht mit seinen dicken Pausbäckchen. Die Zwillinge hatten dunkles Haar wie Mutter und mein Bruder Melvin, nur Haakon und ich hatten Vaters helles Haar.
»Sieh her, Irmi«, säuselte ich und kitzelte ihren kleinen Bauch. Sofort lachte sie und das Weinen hörte auf. Dann hatte sie zum Glück doch keine Schmerzen, sondern vielleicht nur einen bösen Traum gehabt.
Melvin und Haakon kamen herangestürmt und warfen sich vor der Decke auf die Knie, ihre Hosen wurden dreckig, Vater würde deswegen wieder schimpfen, und Mutter die Strafe dafür erhalten.
»Was hat sie?«, fragte Melvin besorgt.
»Nichts«, beruhigte ich meine kleinen Brüder. »Sie hat nur schlecht geträumt.«
»Sie kann träumen?« Melvins große Kinderaugen starrten mich verblüfft an.
»Du kannst doch auch träumen«, erwiderte ich. »Wieso sollen Irmi und Ann keine Träume haben?«
»Sie sind noch so klein«, antwortete Melvin. »Ich erinnere mich nicht, ob ich in diesem Alter geträumt hab, Mel.« Er kratze sich am Kopf.
»Ich auch nicht, aber es muss so sein.«
»Wieso, Mel?«
Kinder in diesem Alter konnten anstrengend sein ...
Ich streckte schmunzelnd einen Arm aus und verwuschelte sein Haar. Er versuchte, meine Hand genervt wegzustoßen.
»Stell deine komplizierten Fragen Menard, ich bin sicher, er findet auch dafür Antworten.«
Mit heruntergezogenen Mundwinkeln versuchte Melvin seine Haare glatt zu streichen; sein schönes, dunkles und seidenglattes Haar.
»Ich hab mich dreckig gemacht, Mel«, wehte mir Haakons helle Stimme entgegen. Er saß mit hängendem Kopf eingeschüchtert und beschämt vor mir. Er hatte keine Angst vor mir, sondern vor der Reaktion unseres Vaters. Flehendlich sahen seine eisblauen Augen zu mir auf und es tat mir im Herz weh, das er solche Furch hatte.
Mit einem Schmollmund zog er das seidene Hemd tiefer, in dem armseligen Versuch, die Schmutzflecken an den Knien zu bedecken.
»Zwecklos!« Ich hinderte ihn daran und legte meine Hand um sein Kinn um ihn dazu zu bringen, zu mir aufzusehen. »Wenn du kein Kleid aus deinem Hemd machen willst, wird das nichts nützen.«
Melvin sah an sich hinab und erkannte, dass auch seine Knie schmutzig waren. Er sah sich besorgt nach Mutter um, ehe sein Kopf zu mir flog und seine kindlichen Augen ebenso flehend wie Haakons zu mir aufblickten. »Was sollen wir jetzt tun, Mel?«
Ich seufzte, doch böse war ich ihnen nicht. In ihrem Alter habe ich mich viel schmutziger gemacht und seit Derrick da war, war ich nicht einmal mit unversehrter Kleidung zurückgekehrt. Vater hatte mich deshalb schlagen wollen, doch ich trat ihm trotzig entgegen und habe erklärt, dass ich lediglich mein Kampftraining absolviert habe. Er ließ daraufhin eine leichte Lederrüstung für mich anfertigen, die ich seit drei Monaten trug. Aber Haakon und Melvin waren noch zu jung für Rüstungen und Kampftraining. Sie konnten nicht einmal mit zwei Händen ein Holzschwert festhalten.
»Wir gehen zum Fluss«, erklärte ich ihnen und erhob mich.
Melvin blinzelte mich nervös an. »Aber wir dürfen nicht ohne Eskorte zum Fluss!«
»Derrick wird uns begleiten.« Kaum hatte ich es ausgesprochen, erhob sich Derrick bereitwillig.
»Und Irmi und Ann?«
»Wir nehmen sie mit.«
Aber Melvin schüttelte hastig den Kopf. »Wenn Vater uns erwischt ...«
»Er wird nicht kommen«, warf ich ein. In den Jahren seit meiner Geburt habe ich ihn noch nie im Garten gesehen, schon gar nicht, wenn Mutter und ich hier waren.
Melvin knetete seine Finger und starrte zu Boden. Er knetete immer seine Finger, wenn er nervös war, es war so seine Eigenart, die ich nie wieder bei irgendwem sonst gesehen habe.
»Na kommt schon«, drängelte ich. »Bevor Mutter fertig ist und ihr mit dreckigen Hosen zurückmüsst.«
»Vielleicht können wir uns umziehen, bevor Vater uns sieht, Mel?«, fragte Melvin.
Ich warf ein: »Und wenn er am Tor wartet? Wenn er bei den Ställen ist?« In letzter Zeit war Vater oft außerhalb der Burg zu sehen, er rüstete seine Armeen für die Verteidigung gegen die Elkanasai und hatte dahingehend viel mit den Heerführern zu besprechen.
Ich war erst neun Jahre alt und sein erstgeborener Sohn, aber er würde mich dennoch in die Schlacht schicken, das hatte ich erfahren, als Vater und Mutter lautstark deshalb gestritten hatten. Vater hatte sich natürlich durchgesetzt, es schien, als wollte er mich