Andran und Sanara. Sven Gradert
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Andran und Sanara - Sven Gradert страница 48
„Hast du das nicht gesehen Großvater?“ erboste sich Sanara: „Wieso haben wir dem armen Mann denn nicht geholfen? Warum hat ihm überhaupt keiner geholfen?“
„Wir dürfen hier unter keinen Umständen auffallen Sanara. Das habe ich dir erklärt. Außerdem ist es zu gefährlich, bei solchen Menschenmassen Magie anzuwenden. Es gibt zu viele Variablen, die du nicht alle gleichzeitig bedenken kannst.“
Während sie weitergingen wurde es Vitras schlagartig klar, dass es keine innere Sicherheit in der Stadt mehr gab. Sie begegneten nicht einer einzigen Patrouille. Die einzigen Soldaten die sie zu Gesicht bekommen hatten, waren diejenigen, die am Haupttor den Zoll kassierten. Es war schon dunkel, als sie den Platz, an dem sich das Haupthaus der Händlergilde befand erreichten. Vitras blieb urplötzlich stehen und hielt seine Enkeltochter an der Schulter fest. Sanara blickte ihn nur fragend an, während sich das Gefühl eisiger Kälte in seinem Körper ausbreitete. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht. Das Haus der Gilde lag komplett im dunklen. Nicht ein Lichtschein drang aus einem der vielen Fenster des sonst so belebten Gebäudes. Die große Eingangstür stand sperrangelweit offen. Dem Kriegszauberer war auch nicht entgangen, dass ihnen in den letzten Minuten, je näher sie ihrem Ziel kamen, immer weniger Menschen über den Weg liefen. Der Platz auf dem sie sich jetzt befanden war sogar Menschenleer. Dann erkannte er den Grund. Überall aus den umliegenden Straßen und Gassen kamen jetzt dutzende diese schwarz gekleideten Priester hervor und kreisten sie ein. Allerdings blieben sie in sicherer Entfernung vor ihnen stehen. Vitras warf Sanara einen kurzen Blick zu. Es war offensichtlich, dass sie sehr überrascht war, doch sie zeigte nicht die geringste Spur von Furcht. Es kam ihm sogar so vor, als würde sie die Priester mit einem trotzigen Blick anschauen. Die Priester bildeten nun einen großen Kreis um sie herum. Dann traten einige zur Seite und bildeten eine Gasse, um einen Mann durchzulassen der ganz offensichtlich eine Art Oberpriester darstellte. Er trug das gleiche Gewand wie seine Glaubensbrüder, nur das auf seiner spitzen Kapuze, das Urunische Zeichen für Feuer goldfarben prangte. Mit einem unheimlichen und kalten Lächeln ging er auf Vitras und Sanara zu, bis er kurz vor ihnen stehen blieb. Seine Stimme klang hart und unnachgiebig:
„Meister Vitras nehme ich an – was für eine Überraschung! Harun ar Sabah wird hoch erfreut sein, dass wir ihm endlich euren Kopf überbringen können!“
Vitras zog die Augen zu dünnen Schlitzen zusammen und ließ sich seine Überraschung nicht anmerken, dass der Mann ganz offensichtlich wusste wer er war. Diese Priester stellten die Vorboten des Krieges dar, der bald auch über diese Stadt hereinbrechen würde. Dabei predigten sie in Haruns Namen das baldige Erscheinen des neuen Gottes. Somit war Diran schon längst von Haruns Häschern und Spionen durchdrungen. Zu spät bemerkte Vitras wie Sanara vor ihn huschte und dabei ihren Dolch in der Hand hielt. Drohend streckte sie die Waffe dem hageren Mann entgegen, der ihren Großvater bedrohte. Der Priester schaute belustigt zu ihr hinab:
„Der große Kriegszauberer Vitras!“ brüllte er spöttisch über den gesamten Platz: „Er versteckt sich hinter einem kleinen Mädchen!“
Schallendes Gelächter drang aus den Kehlen seiner Glaubensbrüder, als plötzlich bläuliche Blitze aus der gegenüberliegenden Gasse schossen und einen Priester nach dem anderen niederstreckten. Im gleichen Moment stürmte Sanara nach vorn und rammte den völlig überraschten Wortführer, ihren Dolch in die Brust. Bevor Vitras auch nur reagieren konnte, prasselte ein Pfeilhagel von den umliegenden Dächern auf die restlichen Priester nieder. Alles geschah innerhalb von Sekunden. Aus dem Dunkel der Gasse, aus der eben noch die Blitze hervorschossen, traten zwei Gestalten hervor, die sich ihnen rasch näherten. Vitras stockte der Atem. Es handelte sich um einen alten, gebrechlich wirkenden Mann der einen Stock als Gehhilfe verwendete, sowie eine fremdländisch aussehende Frau.
„Bei den Göttern!“ brachte Vitras nur fassungslos hervor, als er Meister Brehm und seine Meisterschülerin Mai erkannte. Dicht vor ihnen blieben sie stehen, wobei Mai Sanaras blutigen Dolch mit einem ernsten Blick bedachte. Dann legte sie ihre Hand auf Sanaras Schulter und lächelte sie an:
„Gut gemacht Mädchen!“
Sanara mochte die Fremde sofort. Ihr Erscheinungsbild überwältigte sie. Die Frau trug wie sie langes pechschwarzes Haar, das sie jedoch zu einem langen Zopf, streng zurück gebunden trug. Sie wies eine Hautfarbe auf, die Sanara noch nie zuvor sah. Ihre Augen waren schmal über denen dünne lange Augenbrauen lagen. Sie trug einen schwarzen Lederanzug, der von ihrem Hals bis zu den Knöcheln reichte. Hohe schwarze Stiefel betonten ihre langen, eleganten Beine. Über ihrem Anzug trug sie, aus hauchdünnem Stoff, die Robe der Kriegszauberer. Der ältere Mann trug die scharlachrote Robe. Der Zauberer und blieb dicht vor Vitras stehen:
„Es ist lange her alter Freund!“
Vitras glaubte zunächst weder seinen Augen noch seinen Ohren zu trauen:
„Meister Brehm! Guillaume hat mir vor Jahren erzählt, dass ihr und eure Schülerin gestorben wärt. Ertrunken im Haktur!“
Der ältere Mann hob seine Augenbrauen leicht an:
„Ertrunken? Im Haktur? Mai und ich? Das habt ihr tatsächlich geglaubt?“ schmunzelnd fuhr Meister Brehm fort: „Wichtig war, dass Harun uns diese Sharade abgenommen hat. Ansonsten hätte er mit Sicherheit einen Weg gefunden, Mai und mich zu töten. Nach eurer Verbannung überschlugen sich die Ereignisse in Kushtur. Ich sah keine andere Möglichkeit mehr, als unseren Tod vorzutäuschen und die Stadt zu verlassen.“
Vitras schloss den Mann, der noch wesentlich älter war als er selbst, in die Arme, während Sanara und Mai die beiden beobachteten. Plötzlich ertönte von den Dächern ein Pfiff, und die beiden Männer lösten sich voneinander:
„Wir müssen schleunigst hier verschwinden. Vor allem aber müssen wir von den Straßen runter.“ Brachte Brehm hervor. Vitras nickte ihm zustimmend zu, woraufhin die vier den Platz verließen und in die Dunkelheit einer kleineren Seitengasse eintauchten. Rund ein Dutzend Bogenschützen, folgten ihnen über die Dächer der Stadt, wobei diese darauf achteten, dass sie keiner neuen Gefahr in die Arme liefen. Brehm führte sie in die Viertel der Adligen. Die staubigen Straßen wurden durch feste Steinstraßen ersetzt, und die ärmlich wirkenden Häuser der unteren Viertel wichen immer mehr den Herrschaftlichen Gebäuden wohlhabender Bürger. Vitras drehte sich mehrmals nach Sanara um, die die ganze Zeit über neben Mai herlief. Es brach ihm beinahe das Herz zu sehen, das all ihre Unbekümmertheit mit einem Schlag von ihr gewichen war. Seine Enkeltochter hatte nicht nur mehrere Menschen sterben sehen, sie hatte selbst ein Leben genommen. Mai hatte schon seit geraumer Zeit ihren rechten Arm um Sanara gelegt, seit sie bemerkte, dass das Mädchen weinte. Zum ersten Mal verfluchte Vitras das Schicksal dafür, dass es an ihm lag, seine Enkeltochter auf die Prophezeiung vorzubereiten. Als sie eine prächtige Allee erreichten, die die Allee der Götter genannt wurde, bemerkte der Kriegszauberer das die Bogenschützen die Dächer verlassen hatten und hinter ihnen her gingen. Sie alle trugen rote Kleidung mit langen roten Umhängen. Wie er später erfahren sollte, gehörten die Männer dem Geheimbund der Roten Rose an. Ein Bund den Meister Brehm