Andran und Sanara. Sven Gradert
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Mai und Brehm brachten zunächst kein Wort mehr hervor. Vitras Ausführungen mussten sie erst noch verarbeiten. Sein überraschender Wutausbruch tat sein Übriges, dass sie erst einmal schwiegen. Vitras fing sich jedoch schnell wieder und bedauerte, seine Wut an den beiden ausgelassen zu haben:
„Verzeiht bitte, aber es ist einfach unerträglich für mich, die Kleine leiden zusehen.“
Brehm und Mai nickten ihm verständnisvoll zu, dann fuhr Vitras mit wesentlich ruhigerer Stimme fort. Dabei fuhr er mit seiner linken Hand über seinen Kopf und bemerkte wieder das leichte Pochen der eintätowierten Runen.
„Ich bin davon überzeugt, dass der Junge lebt. Dass die Götter selbst, mich damals im schwarzen Wald daran hinderten, auch ihn mitzunehmen. Vielleicht ist es sicherer für die beiden, wenn sie getrennt aufwachsen. Ich weiß es nicht!“ Die Augen des Kriegszauberers bekamen, je länger er von seinen Enkelkindern sprach, einen eigenartigen Glanz:
„Ich bin mir absolut sicher, dass die beiden eines Tages zueinander finden. Die Frage ist nur, was wir bis dahin tun können, um es Harun und den Plänen des Dämons so schwer wie möglich zu machen?“
Mit einem Mal bekam die Stimme des Kriegszauberers wieder ihren gewohnt festen Klang, mit dem es ihm stets gelang, andere zu überzeugen oder mitzureißen:
„Nicht nur so schwer wie möglich, sondern so schwer das ES wütend wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Dämon Harun auch nur die geringste Schlappe verzeihen wird.“
Brehm dachte so konzentriert nach, dass Vitras ihn mit einem Schnippen seiner Finger wieder ins Hier und Jetzt zurückholen musste.
„In den Papyrus Rollen steht doch geschrieben,“ erklärte Brehm: „Das der Dämon erwartet, dass sein Name, seine Ankunft mit Feuer und Schwert gepriesen werden soll!“
„Und?“ fragte Vitras.
„Das Ausheben der Armee Kushturs muss Unmengen an Gold gekostet haben. Soviel, dass Harun die Eroberungen vorantreiben muss, um an neues Gold zu gelangen. Womit er weitere Einheiten ausheben kann. Die Stadt Diran ist das letzte Bollwerk, dass Haruns Truppen auf ihrem Siegeszug in den Westen noch im Wege stehen. Wenn wir die Stadt halten. Wenn wir Haruns Armee hier und jetzt schlagen, diese verdammte Priesterschaft zum Teufel jagen, dann sind die Pläne Haruns und somit die des Dämons, auf Jahre hinaus vereitelt.“
Vitras stand auf, stellte seinen Weinbecher ab und ließ sich die Worte Brehms durch den Kopf gehen:
„Habt ihr euch die Verteidigungsanlagen der Stadt schon einmal genauer angesehen Meister Brehm? Sie befinden sich in einem erbärmlichen Zustand. Außerdem beschleicht mich das Gefühl, dass die Soldaten auf dem Platz vor dem Palast, das letzte Aufgebot darstellen. Auf wie viel Mann wird Haruns Armee eigentlich geschätzt?“
„Alles in allem, zum gegenwärtigen Zeitpunkt etwa zwanzigtausend Mann!“ antwortete ihm Mai.
Vitras pfiff leise durch die Zähne, als ihm schon der nächste Gedanke durch den Kopf ging:
„Wo steckt eigentlich der Regent Dirans?“
„Geflohen! Mit seiner Familie, einigen hohen Beamten und Würdenträgern sowie mit dem gesamten Gold aus der Schatzkammer!“ antwortete ihm Mai erneut. Vitras warf ihr einen entgeisterten Blick zu:
„Und wer regiert die Stadt?“
Mai und Brehm schauten sich kurz an, bevor der alte Zauberer mit der roten Robe antwortete:
„Im Grunde genommen wird die Stadt von niemandem mehr regiert. Um eine Panik in der Bevölkerung und den verbliebenen Soldaten zu vermeiden, haben wir die Flucht des Regenten geheim gehalten!“
„Wir? Wer ist wir?“ hakte Vitras nach.
„General Kurz, Mai und ich! Der General ist neben uns der einzige, der von dem feigen Verhalten des Regenten weiß. Wir drei tun seitdem alles was in unserer Macht steht, hier in Diran alles am Laufen zu halten.“
Vitras Augen verengten sich, wodurch sich seine Augenbrauen zusammenzogen. Brehm erkannte diesen Ausdruck des Kriegszauberers sofort wieder. Vitras hatte einen Entschluss gefasst.
„Wir werden die Stadt verteidigen!“ stellte er kurz und knapp klar bevor er mit einem eisigen Tonfall fortfuhr:
„Wir werden dafür sorgen, dass Harun die schlimmste Niederlage seines Lebens zu schmecken bekommt.“
„Und... wie stellen wir das an?“ fragte ihn Mai sichtlich verwundert.
„Als erstes müssen wir die Ordnung in der Stadt wiederherstellen.“ antwortete ihr Vitras: „Über wie viele Soldaten verfügen wir noch?“
„Im Lager vor dem Palast halten sich gut vierhundert Mann auf.“ brachte Mai augenblicklich hervor: „Vielleicht noch einmal zweihundert Mann in den Kasernen und auf den Wehranlagen. Genaue Zahlen kann euch jedoch nur General Kurz liefern!“
„Also ungefähr sechshundert Soldaten auf maroden Mauern, gegen vielleicht zwanzigtausend gut ausgebildete Kämpfer Kushturs.“ Vitras blickte durch die große gläserne Fensterfront auf den Platz vor den Palast:
„Das hört sich nach einer Aufgabe an, die zwei Kriegszauberer eigentlich meistern müssten – oder was meint ihr Meisterin Mai?“
Die Augen der Kriegszauberin begannen vor Stolz beinahe zu leuchten, als ihr bewusst wurde, wie viel Vitras von ihren Fähigkeiten hielt:
„Das denke ich auch Meister Vitras. Ganz bestimmt sogar. Harun Ar Sabah wird den Tag verfluchen, an dem er versucht Diran zu nehmen.“
Vitras lächelte sie kurz an, dann wandte er sich an Brehm:
„Wir sollten uns jetzt zur Ruhe begeben und die ganze Sache morgen früh sofort angehen. Als erstes will ich diesen General Kurz sprechen.“
„Ich werde ihm noch heute Nacht Bescheid geben.“ versprach Mai.
Vitras verließ daraufhin das Arbeitszimmer und ging in Gedanken vertieft zu seinen Gemächern. Er öffnete leise die Tür zu Sanaras Zimmer und blickte eine Weile auf ihr schlafendes Gesicht. Filou öffnete kurz die Augen, gähnte und schlief sofort weiter, als er Vitras erkannte. Der Kriegszauberer verfluchte sich, dass er nicht auf Fürstin Eldar gehört hatte. Aber nun war es zu spät. Leise verließ er wieder das Zimmer, schloss die Tür und legte sich für wenige Stunden schlafen.
***
General Kurz war tatsächlich ein kleiner Mann, der mit seiner enormen Leibesfülle und der prunkvollen Uniform eine extrem unglückliche Erscheinung abgab. Vitras musste schlucken, als der Mann zu ihm ins Arbeitszimmer trat, in dem er am Abend zuvor mit Mai und Brehm zusammensaß. Wie so eine Figur es zum Rang eines Generals bringen konnte, war dem Kriegszauberer zunächst ein komplettes Rätsel. General Kurz punktete jedoch schnell, indem er sich von Vitras Erscheinungsbild und Auftreten in keiner Weise beeindrucken ließ. Als er begann, den Kriegszauberer über die Lage der Stadt, die Truppenstärke, die Moral der Bevölkerung sowie den erbärmlichen Zustand der Wehranlagen zu