Braunes Eck. Hans-Jürgen Setzer
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„Es war wunderschön einfach mal zu leben, das Leben in vollen Zügen zu genießen und sich bedienen zu lassen.“ Die junge Frau begann erneut zu weinen. Vanessa versuchte sie tröstend in den Arm zu nehmen, doch Milena flüchtete aus der Umarmung.
„Es geht schon, danke. Ich muss jetzt aber wirklich dringend nach Hause. Meine Eltern warten bestimmt schon auf mich. Sie wissen ja bisher von nichts und machen sich bestimmt sonst Sorgen. Und nächste Woche habe ich zu allem Übel eine Klausur. Leider muss ich noch eine Menge dafür tun.“
„Kann ich dich nach Hause fahren? Oder sollen wir deine Eltern vorher anrufen und Bescheid geben?“, bot Vanessa an, um die Zeit noch etwas auszudehnen.
„Danke, das ist lieb. Aber ich habe mein Fahrrad da hinten. Tschüss“, verabschiedete sie sich prompt und lief auch schon in Richtung Fahrradständer.
Fast im gleichen Moment kam Leon kreidebleich auf Vanessa zu. „Mensch, du solltest doch warten, bis ich …“, reagierte er sauer.
„Ich habe schon ganz viel herausgefunden. Länger konnte ich sie jetzt wirklich nicht mehr hinhalten. Sie musste dringend weg und du hattest ja anscheinend gerade Wichtigeres zu tun“, erklärte sie ein wenig verärgert.
Milena fuhr mit dem Rad vorbei und winkte noch einmal zum Abschied.
„Hübsches Mädchen“, sagte Leon. „Was hat die Kleine eigentlich hier gemacht?“, fragte er Vanessa.
Vanessa wurde rot. „Scheiße!“, rutschte es ihr raus. „Das habe ich echt total vergessen. Berechtigte Frage. Ich glaube, sie hatte überhaupt keine Sportsachen dabei“, bemerkte sie.
„Komm wir hocken uns ins Auto und schauen, was wir bisher so alles haben. Dann überlegen wir, wie es weitergeht“. Leon blieb ganz ruhig.
„Ist bei dir wirklich alles klar? Ich habe gesehen, du hast mit Sophie geredet“, fragte Vanessa interessiert. Doch Leon ging auf die Frage gar nicht ein, als hätte er sie nicht gehört und lief zum Wagen.
Vanessa berichtete, was sie von Milena erfahren hatte, während sie gleichzeitig die Fotos auf der Kamera durchschaute, die Leon gemacht hatte.
„Tobias Haberkorn sagtest du? Der alte Haberkorn hat schon vor vielen Jahren eine Privatklinik in Boppard gegründet und kurz vor seinem Tod an seinen Sohn übergeben. Komm wir fahren mal zu dieser Villa nach Oberwerth. Sie ist ganz in der Nähe von meinem Haus. Vom Sehen kennen wir uns sogar. Manchmal führen sie ihre zwei Windhunde abends spazieren, während ich jogge. Prächtige Tiere“, erklärte Leon.
Villa Haberkorn – Koblenz-Oberwerth
Sie parkten direkt an der Rheinpromenade.
„Wow, was für ein prächtiger Kasten“, sagte Vanessa. „Schlecht scheint es denen ja nicht gerade zu gehen. Milena hatte es schon so geschildert.“
„Mist. Das wird heute wohl nichts werden mit dem Interview“, sagte Leon und deutete auf das Ehepaar mit hängenden Köpfen, das gerade von einer Polizeibeamtin zu einem Wagen geführt wurde, der kurz darauf davonfuhr. „Lass uns wenigstens ein paar Fotos von der Villa von außen machen, wenn wir schon mal hier sind“, fügte er an.
Sie liefen durch den Garten rings um das Haus herum, suchten nach der besten Perspektive und machten einige Aufnahmen. Die Hunde im Haus bellten und tobten. Nur wenige Minuten später öffnete sich vom Garten her eine Tür.
„Was machen sie denn da?“, fragte eine ältere Dame mit einer umgebundenen Küchenschürze. „Das ist ein Privatgrundstück. Die Alarmanlage und die Hunde haben bereits angeschlagen. Professor Haberkorn wird sicher gleich die Polizei rufen“, drohte sie, mit ängstlichem Unterton.
„Wir sind keine Einbrecher. Wir kommen vom Koblenzer Tageskurier und haben ein paar Fragen zu Tobi“, erklärte Leon entschuldigend. „Sie wissen, was mit Tobi …?“, leitete Leon seine Frage ein.
Die Dame änderte schlagartig ihren Tonfall und schlug bestürzt die Hände vors Gesicht. „Ja, die Polizei war gerade hier und hat den armen Herrn Professor und seine Frau für eine Identifizierung mitgenommen. Schlimme Sache“.
„Können wir kurz reden?“, versuchte Leon sein Glück.
„Ich weiß nicht, ob das dem Herrn Professor … „
„Wir haben schon mit Milena gesprochen. Die Arme ist völlig fertig. Sie hat ihn scheinbar in der Turnhalle gefunden. Milena sagte, sie hätten einen guten Draht zu Tobi gehabt“, versuchte Vanessa ihr Glück ein Tor zu öffnen. Leon nickte zustimmend und anerkennend.
„Milena hat ihn gefunden, ach Gott, die Ärmste? Eine nette junge Frau. Ich habe sie länger nicht gesehen, seit die beiden nicht mehr zusammen sind. Schade, sie waren so ein schönes Paar. Kommen sie, wir setzen uns hier auf die Sonnenterrasse. Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“, fragte die Hausdame.
„Machen Sie sich nur keine Umstände. Wir haben nur ein paar kurze Fragen und sind auch ganz schnell wieder weg“, erklärte Leon und hoffte so die Angst der Dame in den Griff und sie zum Reden zu kriegen.
„Das Verhältnis zwischen dem Professor und seinem Sohn soll ja nicht das beste gewesen sein, haben wir gehört“, eröffnete Vanessa.
„Ach, wissen sie. Ich arbeite schon lange hier im Haus, kenne den Herrn Professor, seit er so alt war wie Tobi heute. Er selbst hatte es wirklich auch nicht gerade leicht. Sein alter Herr, also der alte Professor Haberkorn, hat ihm von klein auf zu verstehen gegeben, dass er ihm einmal seine Klinik als Chefarzt übergeben und anvertrauen möchte. Wissen sie, sein Vater Wilhelm hatte aus einer kleinen Ambulanz in Boppard über die Jahre eine berühmte Privatklinik aufgebaut. Er war so stolz darauf. Sogar Politiker aus Bonn waren da in Behandlung, damals, als noch die Regierung und alles andere wichtige in Bonn war. Der Herr Professor half schon als Jugendlicher häufig mit in der Klinik“, erklärte sie. „Er hatte doch gar keine andere Wahl. Und mit Tobi lief es dann ganz genau so, obwohl sein Vater eigentlich hätte wissen müssen, wie es sich anfühlt, fremdbestimmt zu werden“, fügte sie traurig an. „Und jetzt auch noch das … der arme Tobias.“
„Sie meinen also, Tobias war unglücklich?“, fragte Leon.
„Er hatte seinen eigenen Willen und seinen eigenen Kopf. Er hat einfach nicht genug für die Schule getan, um vielleicht bessere Noten zu bekommen. Dumm war er jedenfalls nicht. Andere würden sich über diese Abiturnote sicher freuen. Sein Vater wollte ihm sogar einen Medizinstudienplatz einklagen oder ihn an einer Uni im Ausland studieren lassen. Er ließ ihm keine Wahl, machte jeden Fluchtweg raus aus der Medizin zunichte. Er sah gar nicht, wie sein Sohn darunter litt, dachte immer nur an die Familientradition und … sich. Gefragt hat er nie, was Tobias eigentlich selbst möchte“, verriet die reife Dame. „Wenn das hier der Herr Professor mitkriegt, bin ich meine Stelle los. Aber ich kann nicht mehr schweigen, habe einfach zu lange stumm zuschauen müssen“, sagte sie verzweifelt. „Das muss jetzt aber auch genügen“, beendete die Hausdame ihre Ausführungen. „Bitte gehen Sie! Ich habe schon viel zu viel verraten.“
„Dürften wir nur noch einen Blick in Tobis Zimmer …“, versuchte Leon sein Glück.
„Nein,